Dr. Carola Reimann fordert die Regierungskoalition auf, aus dem BGH-Urteil Konsequenzen zu ziehen: "Spätestens seit dem Urteil ist klar: Dies effektiv und wirksam zu unterbinden, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung handelt!"
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Korruption ist durchaus ein Problem im Gesundheitswesen. Bis zu 18 Milliarden Euro im Jahr - so schätzen Experten - gehen den Versicherten durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen verloren. Das allein ist schon schlimm genug. Doch zum finanziellen Schaden kommen ernsthafte gesundheitliche Gefahren für Patientinnen und Patienten hinzu, wenn die ärztliche Behandlung von dubiosen Zahlungen der Pharmaindustrie beeinflusst wird. Spätestens an dieser Stelle muss jedem einleuchten, dass es sich hier nicht um Kavaliersdelikte handelt.
(Beifall bei der SPD)
Korruption schadet unserer Solidargemeinschaft und gefährdet die Gesundheit von Patientinnen und Patienten. Das Urteil des BGH besagt klar: Dies ist effektiv und wirksam zu unterbinden. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers.
Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung handelt. Um es noch einmal für diejenigen in diesem Hause, die es noch immer nicht verstanden haben, ganz deutlich zu sagen: Hier geht es nicht um einen Generalverdacht gegen die gesamte Ärzteschaft.
(Beifall bei der SPD)
Es geht auch nicht darum, einen ganzen Berufsstand in Zweifel zu ziehen. Hier geht es um die Bekämpfung von Korruption. Es geht um einzelne Ärzte, um schwarze Schafe, die mit ihrem Verhalten die große Mehrheit der Ärzte, die tagein, tagaus gute Arbeit leisten, in Misskredit bringen und das Vertrauen in deren Arbeit untergraben. Vor allem geht es um den Schutz von Patientinnen und Patienten, die den Anspruch haben, dass allein medizinische Gründe - das wird von allen hier betont - für eine gewählte Behandlung den Ausschlag geben und nicht die Höhe der Zuwendung des Pharmareferenten.
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Der Einsatz von Union und FDP bei der Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen lässt sich bestenfalls mit dem Begriff „Arbeitsverweigerung“ beschreiben. Das haben wir bei CDU und CSU schon in der Großen Koalition feststellen müssen. Das setzt sich nun bei Schwarz-Gelb nahtlos fort, trotz der zahlreichen Skandale der vergangenen Jahre. Es ist schon erstaunlich und sogar beängstigend, wie unbeeindruckt hier Mitglieder der Koalitionsfraktionen und der Minister selbst nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs an ihrer Untätigkeit festhalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der BGH selbst spricht von korruptivem Verhalten und davon, dass es Aufgabe des Gesetzgebers ist - ich zitiere -, „darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll“. Wer die überdeutlichen Rechtslücken nicht schon während dieses Rechtsstreits erkannt hat, der müsste spätestens nach diesem Urteil und dieser Aussage verstanden haben, dass hier kein Prüfbedarf, Herr Minister, sondern Handlungsbedarf besteht.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Ich hätte mir gewünscht, dass hier ein klares Bekenntnis des Ministers kommt. Stattdessen präsentieren Sie uns windelweiche Prüfankündigungen.
Offensichtlich ist diese Regierung nicht an einer effektiven strafrechtlichen Ahndung dieser Missstände interessiert. Offenbar können Sie ganz gut damit leben, dass man sich als Arzt in Deutschland nicht strafbar macht, wenn man sich von der Pharmaindustrie schmieren lässt. Das empfinde ich als Skandal.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN - Heinz Lanfermann (FDP): Das ist eine Unterstellung! Das ist der Skandal!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Verweis auf das Berufsrecht und die Regelungen im SGB V ist ja richtig. Sie ändern aber nichts daran, dass diese Regelungen - das wissen Sie ganz genau - nicht scharf genug sind. Es fehlt die strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit. Ohne Straftatbestand werden Sie diese Probleme auch nicht in den Griff bekommen.
Was für angestellte Ärzte gilt, muss auch für niedergelassene Ärzte gelten. Tun Sie doch nicht so, als sei die Freiberuflichkeit oder die Freiheit in Gefahr, wenn man korruptives Verhalten konsequent verfolgt. Korruptives Verhalten ist strafwürdiges Unrecht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb: Sorgen Sie für eine effektive strafrechtliche Ahndung. Wir brauchen eine wirksame Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, damit sich die Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass sie wirklich das verschrieben bekommen, was medizinisch begründet ist, und nicht das, woran der Arzt mitverdient. Das trägt auch dazu bei, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient keinen Schaden nimmt.
Danke.