Swen Schulz (Spandau) (SPD): In den letzten Monaten ist die Frage, wie Hochschulen und Unternehmen kooperieren, welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, verstärkt diskutiert worden. Wir haben diese Debatte ebenso wie die Fraktion Die Linke mit einem Antrag aufgegriffen.
Worum geht es? Auslöser für diese Diskussion waren Kooperationsverträge von Hochschulen mit Wirtschaftsunternehmen, die Zweifel aufkommen ließen, ob die Hochschulen ausreichend unabhängig bleiben.
In unserem Antrag „Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen transparent gestalten“ benennen wir als Beispiel einen Kooperationsvertrag der Deutschen Bank mit der Humboldt-Universität und mit der Technischen Universität Berlin im Bereich Angewandte Finanzmathematik. Die TU Berlin legt Wert auf die Feststellung, dass der Kooperationsvertrag vor seinem Inkrafttreten öffentlich in den akademischen Gremien diskutiert wurde und es sich um eine Einrichtung der Bank handelte, deren Infrastruktur die Hochschulmitglieder im Rahmen gemeinsamer Projekte nutzen konnten.
Gleichwohl hat diese Kooperation, als sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, viele Wissenschaftler und auch Angehörige der beteiligten Universitäten die Hände über den Kopf zusammenschlagen lassen. Es entstand der Eindruck, dass sich möglicherweise ein Unternehmen Wissenschaft einkauft – und zwar nicht, indem es Wissenschaftler beschäftigt, sondern indem es auf die Wissenschaft zugreift, sich weitgehende Mitsprache- und Entscheidungsrechte sichert, etwa hinsichtlich der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, und somit eine Privatisierung der bislang freien und öffentlich verantworteten Wissenschaft betreibt.
Wie auch immer das in diesem oder in anderen Einzelfällen genau gewesen sein mag: Wir können und wollen das von dieser Stelle aus nicht im Detail beurteilen. Was wir aber können, wollen und auch müssen, ist, klarzustellen, dass die Freiheit der öffentlichen Forschung nicht angetastet werden darf, und dass der Staat seinen Teil dazu beizutragen hat, dass die Forschungsfreiheit gewährleistet bleibt. Die Wissenschaft ist für alle Menschen da und nicht für einige Unternehmen.
Darum begrüße ich ausdrücklich, dass die Humboldt-Universität inzwischen darauf besteht, dass in allen Kooperationsverträgen mit Unternehmen ein ausdrücklicher Hinweis auf die unabdingbare Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft und Forschung enthalten ist. Das zeigt, dass die Debatte etwas bewegt hat und dass auch die Wissenschaft ihr Verhalten reflektiert.
Nun sind wir weit davon entfernt, jede Zusammenarbeit von Wirtschaft und Hochschulen zu verteufeln. Im Gegenteil wollen und fördern wir Kooperationen. Denn wir wollen ja, dass sich die Kompetenzen zur Beantwortung von Forschungsfragen ergänzen. Wir wollen, dass Forschungsergebnisse angewandt werden, dass gesellschaftliche, technische, soziale und wirtschaftliche Probleme gelöst werden. Und wir wollen, dass Akademiker von den Unternehmen aufgenommen werden, dass Wirtschaft angekurbelt, Gewinne gemacht und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Doch steht auf der anderen Seite eine offenkundige potenzielle Bedrohung der Forschungsfreiheit – hier nicht durch den Staat, sondern durch Privatinteressen. Wir haben es also mit einem Spannungsfeld zu tun, in dem die Regeln austariert werden müssen. Doch was können das für Regeln sein? Wir sollten uns an dieser Stelle nicht anmaßen, ein detailliertes Regelwerk auszuarbeiten. Das wiederum könnte einen staatlichen Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft darstellen.
Ein erster naheliegender Schritt ist aber ein anderer, nämlich: eine Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge von Hochschulen und Unternehmen. Es geht dabei darum, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass eine Zusammenarbeit stattfindet und wer eigentlich zusammenarbeitet. Das ist nur recht und billig, da die Wissenschaft schließlich vornehmlich öffentlich finanziert ist und eine öffentliche Verantwortung hat.
Ich habe im letzten Jahr die Bundesregierung gefragt, wie sie dazu steht. Die Antwort ist aufschlussreich. Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachelschreibt, dass eine Veröffentlichungspflicht von Kooperationsverträgen nicht zielführend und zudem rechtlich fragwürdig sei. Mit anderen Worten: Nach Auffassung der Bundesregierung geht das nicht, und sie will das nicht.
Ob es rechtlich geht, habe ich den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages gefragt. Der hat in einer wirklich klaren und gut lesbaren Ausarbeitung deutlich gemacht, dass zwar erstens eine umfassende Veröffentlichungspflicht problematisch wäre, weil damit Wissensvorsprünge sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden müssten. Zweitens jedoch bestehe ein öffentliches Interesse daran, Kooperationsverträge transparenter zu gestalten. So könnten einseitige Abhängigkeiten und jeder Anschein davon vermieden werden. Eine auf die Summe und die Laufzeit beschränkte Veröffentlichungspflicht sei daher mit der Vertragsfreiheit vereinbar.
An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an den Wissenschaftlichen Dienst, der im Rahmen der rechtlichen Güterabwägung ganz im Gegensatz zur Bundesregierung das Problem erkannt und eine gangbare Lösungsmöglichkeit aufgezeigt hat.
Das ist dann auch einer der beiden Punkte in unserem Antrag: Wir wollen, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern eine einheitliche Offenlegungspflicht von Kooperationen zwischen den Hochschulen und Unternehmen, die sich auf die Fördersummesowie die Laufzeit bezieht, anstrebt. Kommen Sie mir, Kolleginnen und Kollegen der Koalition, nicht wieder mit der Zuständigkeit der Länder. Diese Karte ziehen Sie immer, wenn Sie nichts machen wollen. Aber der Bund ist mit in der Verantwortung für die Freiheit der Wissenschaft, und er finanziert die Hochschulen auch ordentlich mit. Also kann, also muss er da auch ran.
Der andere Punkt unseres Antrages richtet sich letztlich an die Wissenschaft. Ich habe oben deutlich gemacht, dass wir kein detailliertes Regelwerk erstellen können und auch gar nicht sollten. Deshalb wollen wir, dass die Bundesregierung im Wissenschaftsrat darauf hinwirkt, einen Kodex zu erarbeiten, mit dem die Bundesländer und Hochschulen Kriterien für die Ausgestaltung und Grenzen von Kooperationen mit Unternehmen erhalten. Wohlgemerkt: Es geht hier um einen wissenschaftsgeleiteten Prozess.
Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen auf, sich mit diesem Anliegen auseinanderzusetzen und nicht nur mit den üblichen Schlagworten zu kommen, mit denen Sie Handlungsunwilligkeit überdecken wollen. Die Freiheit der Wissenschaft ist eine Überlegung wert.