Bis 2020 muß der Treibhausgasausstoß in Europa um 30 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 reduziert werden. Dazu müssen international, europäisch und national die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Vielen Dank, Herr Präsident. Verehrte Damen und Herren!
Wer zu spät kommt, den braucht man eigentlich nicht mehr. So geht es dem Herrn Umweltminister Röttgen in der europäischen Klimaschutzdebatte. Für die Staatssekretärin gilt: mitgefangen, mitgehangen. Herr Röttgen kommt in der europäischen Klimaschutzdebatte zu spät, weil jetzt die entscheidenden Weichenstellungen getroffen werden.
(Beifall des Abg. Ulrich Kelber (SPD))
Wir reden uns seit Monaten und Jahren den Mund fusselig. Wir reden über die notwendige Verschärfung des CO2-Reduktionsziels auf 30 Prozent in der Europäischen Union, die die effizienteste Volkswirtschaft der Welt sein und auch bleiben soll. Dafür gibt es zig Argumente, die ich nicht alle vortragen kann. Es gibt schöne Broschüren, in denen man das alles nachlesen kann. Wir haben das oft diskutiert. Die Zuspitzung der Ziele in der Europäischen Union ist nicht wegen den USA, wegen China oder der Vereinten Nationen notwendig, sondern sie kommt uns zugute. Wir brauchen sie deshalb, weil Deutschland bzw. die Europäische Union weltweit an der Spitze der effizienten und zukunftsfähigen Ökonomien stehen soll.
Diese Woche wurde über ein interessantes Beispiel aus China berichtet. Es ist immer davon die Rede, dass wegen unserer Klimaschutzziele alles sehr problematisch sei und dass es die Wirtschaft schwer habe. Aus einer Untersuchung der Beraterfirma Roland Berger geht hervor, dass von 2008 bis 2010 die Herstellung alternativer Technologien in China um 77 Prozent gewachsen ist. Damit liegt China beim Einsatz und der Produktion von grünen Technologien gemessen am Bruttoinlandsprodukt weltweit auf Platz zwei der Volkswirtschaften nach Dänemark. China war vorher auf Platz sechs. Deutschland ist auf Platz drei. Das heißt, China hat Deutschland bei den grünen Technologien überholt.
(Ulrich Kelber (SPD): Nach dem Bremsmanöver von Schwarz-Gelb!)
Das ist ein Signal, das uns herausfordert, unsere nationalen und europäischen Ziele so anzupassen, dass wir international wieder an die Spitze der Volkswirtschaften kommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist nicht selbstlos, sondern ziemlich egoistisch gedacht. Aber wir haben darüber hinaus auch weltweite Verantwortung dafür, dass der Klimawandel gestoppt wird und wir international andere Entwicklungspfade schaffen können.
Bald gibt es weltweit 7 Milliarden Menschen. 2 Milliarden bis 3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Energie. Sie werden aber Zugang zu Energie haben wollen. Das können wir ihnen nicht verwehren. Mittlerweile sind jedes Jahr auch das ist eine Nachricht aus dieser Woche mehr als 200 Millionen Menschen von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürren, Erdbeben oder Stürmen betroffen. Mindestens jedes zweite Opfer ist ein Kind. Schon 70 Prozent aller Katastrophen sind klimabedingt, wie UNICEF Deutschland heute festgestellt hat. Wenn man das alles weiß, dann kann es nicht sein, dass wir innerhalb der Europäischen Union weiter auf der Bremse stehen.
Das verstehe ich vor allem deshalb nicht, weil wir in Deutschland mittlerweile auf dem Weg sind, ein gewisses Einvernehmen über die Energiepolitik zu erzielen. Das wird zumindest in der Presse berichtet. Im Parlament besteht von rechts bis links Einigkeit darin, dass Deutschland von 1990 bis 2020 die Treibhausgase um 40 Prozent reduzieren soll. Insofern ist es eine relativ einfache mathematische Aufgabe, das komplementäre Ziel innerhalb der Europäischen Union auszurechnen: Das sind 30 Prozent. Ich kann nicht verstehen, warum sich die Koalition nicht endlich zu diesem klaren Signal an die Europäische Union durchringen kann.
(Beifall bei der SPD)
Wenn das so überzeugend ist und mathematisch klar hergeleitet werden kann, dann bleiben nur bestimmte sachfremde Gründe. Dann muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie sich im Zangengriff von Lobbyisten befinden, die gerade unterwegs sind. Sie kommen auch zu mir und rechnen mir dubiose Dinge vor. Wenn man das hinterfragt, dann stellt sich heraus, dass es von vorne bis hinten nicht stimmt. Sie haben wohl in der Energiepolitik jegliche Orientierung verloren; vielleicht gelten auch die mathematischen Grundsätze bei Ihnen nicht mehr.
(Beifall des Abg. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich glaube, es liegt auch daran, dass Sie einen Umweltminister haben das kann ich Ihnen nicht ersparen, der als Schöngeist, Schönredner oder Schönwetterminister unterwegs ist, viel redet, spannende Texte schreibt und schon immer alles besser wusste. Aber wenn etwas zu bestimmen ist, dann erreicht er leider relativ wenig. Das ist meine Analyse.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir über die Rahmenbedingungen für den Klimaschutz reden, geht es nicht darum, die Wirtschaft zu überlasten. Genau darum geht es nicht. Es geht um klare Rahmenbedingungen. Wenn man mit einzelnen Unternehmern spricht, dann sagen sie: Jawohl, vieles ist machbar, aber wir brauchen klare Rahmenbedingungen. Wir brauchen internationale und europäische Rahmenbedingungen. Wir brauchen im Übrigen auch nationale Rahmenbedingungen.
Die Akteure der Koalition schieben sich aber nur den Schwarzen Peter gegenseitig zu. Ein Beispiel dafür war die gestrige Sitzung des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages. Dort haben wir erlebt, dass Herr Röttgen es auf die FDP schiebt, dass es in Deutschland noch kein Klimaschutzgesetz gibt. Herr Kauch hat das mit Hinweis auf die Union zurückgewiesen. Heute wird die FDP, wenn ich das richtig gelesen habe, in dieser Debatte gar nicht Stellung nehmen. Es hilft aber nichts, sich den Schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben. Wir brauchen vielmehr klare Rahmenbedingungen in Deutschland und innerhalb der Europäischen Union.
Ich kann Ihnen Folgendes nicht ersparen: Wir werden wahrscheinlich von den Umweltpolitikern der Union gleich wieder ein Plädoyer für das 30-Prozent-Ziel innerhalb der Europäischen Union hören, mit dem Hinweis darauf, dass es auch einen entsprechenden Beschluss in ihren Reihen gibt; das ist löblich. Es gibt auch ein großes Einvernehmen unter den Umweltpolitikern auf internationaler Ebene. Aber am Ende handelt es sich um ein Muster ohne Wert, weil jetzt die Entscheidungen in der Europäischen Union anstehen. Jetzt entscheiden das Europaparlament, die Kommission und der Europäische Rat. Genau jetzt ist die letzte Möglichkeit, ein klares Ziel vorzugeben. Aber diese Möglichkeit verpassen Sie.
Es gibt eine schöne Broschüre des Climate Action Network Europe, in der man alle Argumente nachlesen kann. Dort lässt sich folgendes Zitat finden:
Wir glauben, dass eine Erhöhung des Reduktionsziels auf 30 Prozent für Europa der richtige Schritt ist. Es ist eine Politik zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Wachstum, für Energiesicherheit und zur Abwendung von Klimarisiken. Und vor allem ist es eine Politik für Europas Zukunft.
Dieses Zitat stammt vom Juli 2010, unterschrieben von Dr. Norbert Röttgen, dem deutschen Umweltminister. Umgesetzt ist leider nichts.
Ich appelliere an Sie, den Umweltminister nicht im Regen stehen zu lassen und endlich das Signal aus Deutschland an die Europäische Union zu setzen: Wir sind für 30 Prozent.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)