Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verzeichnen eine steigende Nachfrage nach Studienplätzen. Das hat mit den doppelten Abiturjahrgängen und der Aussetzung von Wehrpflicht und Zivildienst zu tun, es hängt aber auch mit der steigenden Studierneigung zusammen, und das ist positiv. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Yvonne Ploetz [DIE LINKE])
Darum war es auch gut und wegweisend, dass wir gemeinsam den Hochschulpakt geschaffen haben. Der Hochschulpakt wirkt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Er verschafft vielen jungen Leuten die Möglichkeit, zu studieren. Auch das ist eine gute Nachricht. Aber wir dürfen an dieser Stelle nicht stehen bleiben; denn wir sehen, dass der Hochschulpakt unterdimensioniert ist. Seit langem weisen wir darauf hin, dass der Hochschulpakt auf veralteten Prognosen basiert. Wer denkt, dass die Bundesbildungsministerin Schavan in dieser Situation die Erste ist, die auf Verbesserungen drängt, der liegt falsch.
Wir müssen die Bundesministerin Schavan leider immer wieder zum Jagen tragen. Ein unrühmliches Beispiel dafür ist die Geschichte rund um die Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes. Als die Bundesregierung angekündigt hatte, dass sie die Wehrpflicht
aussetzen will, haben wir sofort gesagt, dass die Mittel für den Hochschulpakt entsprechend aufgestockt werden müssen; denn diejenigen, die nicht Zivildienst leisten und die nicht zur Bundeswehr gehen, streben natürlich zu einem gewissen Teil an die Hochschulen.
(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sie haben in Ihrer Regierungszeit noch nicht einmal einen Hochschulpakt zustande gebracht!)
Wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Aber wir mussten eine Verweigerungshaltung der Regierungskoalition feststellen. Immer wieder wurde gesagt: „Mal sehen! Die Länder sind zuständig!“ Ich erinnere mich noch daran, wie im Ausschuss diese Haltung von den Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition vertreten wurde, bis endlich – einen Tag nach der Ausschusssitzung – die Bundeskanzlerin dem Druck nachgegeben und den Ministerpräsidenten eine entsprechende Zusage gegeben hat.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Jetzt melden viele Hochschulen tatsächlich „Land unter“. Was macht die Bundesregierung? Sie macht nichts.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Weil alles bestens ist!)
– Sie sagen, weil alles bestens ist.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das werde ich Ihnen gleich erzählen!)
Wenn Sie uns von der Opposition das nicht glauben, dann glauben Sie es vielleicht den Medien. Ich nenne Ihnen einmal ein paar Überschriften: „Stresstest für Hochschulen“, „Universitäten sind knüppeldicke voll“, „Hörsäle sind überfüllt“, „Die Invasion“, „Unis schotten sich mit Numerus clausus ab“, „Flucht vor dem Numerus clausus ins Ausland“, „Platzangst im Hörsaal“, „Flickwerk an deutschen Unis“ usw.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sagen Sie mal, wer das schreibt!)
Angesichts dieser Situation können Sie doch nicht sagen, dass alles gut ist. Das ist zu wenig von der Regierungskoalition.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Checken Sie mal Ihre Quellen, Herr Schulz!)
Wir haben das Problem angepackt und einen Antrag für einen Hochschulpakt Plus vorgelegt, über den heute diskutiert wird. Ich will Ihnen die wichtigsten Punkte kurz skizzieren.
Erstens. Wir wollen, dass mindestens 50 000 Studienplätze zusätzlich geschaffen werden. Das kann schnell realisiert werden und ist ein Beitrag für ein besseres Angebot an den Hochschulen.
Zweitens. Es gibt immer mehr Probleme beim Angebot von Masterstudienplätzen. Darum wollen wir ein Sonderprogramm. Wir wollen, dass allen Bachelorabsolventen das Masterstudium offensteht.
(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Es steht allen offen!)
Das ist ein wichtiges Ziel, für das wir streiten.
Drittens. Wir führen die Idee des Abschlussbonus ein. Bisher finanzieren wir nur die Studienanfänger; das ist so weit in Ordnung. Aber die Frage ist, was danach passiert. Wir möchten einen finanziellen Anreiz, eine Belohnung für diejenigen Hochschulen schaffen, die eine gute Lehre anbieten und die die Studierenden erfolgreich zum Abschluss führen.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Den gibt es schon!)
Das ist eine wichtige Ergänzung des Hochschulpaktes, die wir hier vorschlagen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist vollkommen klar, dass alles entsprechend finanziert werden muss. Darum haben wir zusätzlich einen nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung formuliert. Er beinhaltet auch Steuererhöhungen für diejenigen, denen es wirklich sehr gut geht, damit wir endlich mit der viel beschworenen Bildungsrepublik Deutschland vorankommen. So toll ist das nämlich nicht, was Frau Merkel uns bisher präsentiert hat.
Heute gab es einen Vorgang, der mir im Zusammenhang mit der Finanzierung von Bildung nachgerade den Atem verschlagen hat. Pünktlich zur geplanten Sitzung der Kultusminister, also der Bildungsminister der Länder, mit Bundeskanzlerin Merkel, gab es heute unter der Überschrift „Schwarz-Gelb einig über Steuersenkung“ die Meldung:
Die Bundesregierung erwartet eine Entlastung von 6 bis 7 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden.
Das sind doch genau diejenigen, die die Hauptlast bei der Finanzierung der Bildung tragen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie können doch nicht eine Bildungsrepublik Deutschland schaffen, wenn Sie gleichzeitig die finanzielle Basis dafür zerschlagen.
(Patrick Döring [FDP]: Die Kommunen sind die am wenigsten verschuldete staatliche Ebene!)
Das ist nichts weiter als eine Verzweiflungstat zur Rettung der FDP, Kollege Döring, auf Kosten der Bildung und auf Kosten der Menschen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Wir erwarten von der Bundesbildungsministerin Schavan, dass sie gegen diesen Unsinn angeht und dass sie sich für Bildung einsetzt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)