Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland muss ein offenes Land werden – offener, als es heute bereits ist, ein Land, das Menschen einlädt, zu uns zu kommen und hier mitzuhelfen, mitzutun. Es ist wichtig, dass Deutschland ein Land wird, das Menschen Chancen gibt, auch Anerkennung gibt – unabhängig von ihrer Herkunft.

(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das Anerkennungsgesetz haben wir auch schon geschaffen!)

Das ist wichtig für unsere Gesellschaft. Das ist wichtig für die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeit und auch für die Finanzierung von sozialer Sicherheit. Die gute Nachricht von heute – bei allen Unterschieden in der Debatte – ist, dass alle Fraktionen bekundet haben, dass sie das vom Grundsatz her genauso sehen. Das war aber in der Vergangenheit mitnichten immer der Fall. Wir erinnern uns noch sehr genau daran, wie es war, als Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Zuwanderungsgesetz vorgelegt hat. Es wurde insbesondere von der CDU/CSU nachgerade mit dem Messer zwischen den Zähnen bekämpft. Wir wissen das noch sehr genau.

(Beifall bei der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Weil es einfach schlecht war! Schlechten Gesetzen muss man doch nicht zustimmen, Herr Schulz!)

Aber Sie sind inzwischen ein gutes Stück weit auf uns zugekommen. Das will ich hier auch einmal positiv hervorheben. Dies zeigt sich auch bei der Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union. Es hat lange gedauert; es war mühsam; es bedurfte des Anschubs der Europäischen Union. Aber jetzt gab es immerhin dann doch den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Was mich heute Morgen ganz besonders milde stimmt, ist Folgendes: Die Koalitionsfraktionen sind auf Verbesserungsvorschläge eingegangen. Wir haben unter anderem beantragt, dass die Zuverdienstmöglichkeiten ausländischer Studierender verbessert werden und dass die Frist für die Arbeitsplatzsuche von Absolventen verlängert wird. Dem sind Sie gefolgt.

(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Keine Sorge! Auf die Idee sind wir allein gekommen!)

Die Beratungen haben also etwas gebracht. Das will ich hier auch einmal ausdrücklich loben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Bevor Sie jetzt aber vor lauter Komplimenten von meiner Seite rot werden, will ich doch noch auf einige Fehlstellen hinweisen. Im Gesetz werden beruflich Qualifizierte schlechter gestellt als Akademiker. Das ist ein Problem. Auch bei der Definition der Angemessenheit der Arbeit hätte es Vereinfachungen geben sollen. Grundsätzlich wäre es besser gewesen, ein reformiertes Zuwanderungsrecht zu schaffen, anstatt an einzelnen Stellen herumzuschrauben. Erst mit einem neuen Punktesystem aus einem Guss kommen wir wirklich auf einen internationalen Standard, der uns voranbringt. Aber da waren offenbar die Einwände und die Vorbehalte bei der Union zu groß. Es gibt noch andere Themen, die die Koalition nicht im Blick hat. So ist die Frage der Fachkräfte eine Thematik nicht nur des Zuwanderungs- und des Aufenthaltsrechts. Da braucht es eine Politik, in der die Zahnräder ineinandergreifen und sich sozusagen ergänzen. Das lässt die Koalition leider schmerzlich vermissen. Ich will hierzu nur einige Stichworte aus dem Bereich der Bildungspolitik nennen.
Nach einer aktuellen Studie bekunden 80 Prozent der ausländischen Studierenden, dass sie nach ihrem Abschluss hierbleiben wollen; aber nur 26 Prozent schaffen das tatsächlich. Das ist selbstverständlich auch eine Frage des Aufenthaltsrechts, aber eben nicht nur. Da geht es auch um weitere Rahmenbedingungen. An dieser Stelle will ich auf einige Punkte hinweisen. Menschen, die hier arbeiten wollen und Familie haben, nützt eine Diskussion um das Betreuungsgeld überhaupt nichts. Sie brauchen Betreuungsangebote, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen gute Schulen mit den entsprechenden Ganztagsangeboten. Für ausländische Absolventen benötigen wir auch mehr Studienplätze. Da ist eine Aufstockung der Mittel des Hochschulpaktes erforderlich. An allen diesen Stellen herrscht bei der Regierungskoalition leider Fehlanzeige. Ganz wichtig ist, dass natürlich auch und vor allem die Menschen, die bereits hier leben, in der Bildung und im beruflichen Bereich unterstützt und gefördert werden. Da ist das Betreuungsgeld genau falsch; es ist kontraproduktiv. Außerdem brauchen wir endlich bessere Schulen. Da muss der Bund dann auch den Ländern helfen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Die Länder sind aber zuständig, Herr Kollege!)

Aber Sie von der Regierungskoalition verweigern sich ja der Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das machen doch die Länder nicht mit! Reden Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Zudem brauchen wir mehr Studienplätze. Aber die Finanzplanung der Bundesregierung sieht nach der Bundestagswahl 2013 eine Kürzung im Bildungsbereich vor. CDU/CSU und FDP setzen den Rotstift an der Bildung an, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist genau der falsche Weg.

(Beifall bei der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: So ein Quatsch!)

– Schauen Sie sich doch die mittelfristige Finanzplanung Ihrer Bundesregierung an. Was passiert denn nach 2013? 2014 bis 2016 sind über eine halbe Milliarde Euro weniger vorgesehen. Das ist die bittere Wahrheit. Sie sollten sich einmal mit Ihren eigenen Vorlagen beschäftigen, liebe Kollegen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schauen Sie sich einmal an, was in Ihrem Landeshaushalt passiert!)

Bei allem Lob, das ich Ihnen zu Beginn der Rede für Verbesserungen an dem Gesetzentwurf gezollt habe, fällt die Bilanz insgesamt also ziemlich durchwachsen aus. Ordentlich voran kommen wir wohl erst bei einem Regierungswechsel nach den nächsten Wahlen.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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