Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe diese Debatte mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgt: mit einem lachenden Auge, weil der Haushalt für Bildung und Forschung in der Tat erhebliche Steigerungen erfährt – das ist gut, und das unterstützen wir –, mit einem weinenden Auge, weil die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition, so mein Eindruck, auf einem verdammt hohen Ross sitzen.

(Beifall bei der SPD)

Da wird sogar dreiste Geschichtsklitterung betrieben, um darstellen zu können, wie großartig gerade die Koalition gewesen sei.

Ich will daran erinnern, dass Rot-Grün den Haushalt für Bildung und Forschung nach der Kohl-Ära erst aus dem Keller holen musste. Das BAföG, Kollege Kretschmer, war eine Ruine. Wir mussten es unter Rot- Grün erst wieder aufbauen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf die Diskussion über die Eigenheimzulage zu sprechen kommen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Rot-Grün hatte vorgeschlagen, die Eigenheimzulage zu streichen und die frei werdenden Mittel für Bildung und Forschung zu verwenden. CDU, CSU und FDP haben das im Bundesrat blockiert und verhindert. Erst in der Großen Koalition hat es die SPD geschafft, CDU und CSU davon zu überzeugen, dass es der richtige Weg ist, in die Köpfe statt in Beton zu investieren.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Weg sind wir gegangen. Durch die Streichung der Eigenheimzulage haben wir, jährlich steigernd, dafür gesorgt, dass heute pro Jahr über 6 Milliarden Euro mehr
für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen.

(René Röspel [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Wir haben das Pferd gesattelt, auf dem ihr reitet!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Ja, gerne.

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Herr Kollege, sind Sie sich wirklich sicher, dass die Eigenheimzulage gestrichen worden ist?

Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Ja, natürlich bin ich mir sicher. Dabei haben Sie mitgemacht. Ich kann Ihnen das gerne im Protokoll zeigen.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Könnte es sein, dass Sie den Etat nicht gut genug kennen?)

– Ist das jetzt ein Zwiegespräch? – Auf diese Art und Weise sind 6 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung mobilisiert worden. Wenn ich mir die Steigerung der Haushaltsmittel von 2005 bis jetzt ansehe – auf den Haushaltsplan 2013 sind Sie ja so stolz –, stelle ich fest: Genau diese zusätzlichen 6 Milliarden Euro veranschlagen Sie jetzt. Wissen Sie, wie man das beim Fußball nennt? Das ist ein Abstaubertor.

(Beifall bei der SPD – René Röspel [SPD]: Ja, genau! Immer die anderen laufen lassen!)

Ich finde, Sie sollten sich, anstatt hier großkotzig aufzutreten, lieber für Ihre damalige Blockade, als es um die Streichung der Eigenheimzulage ging, entschuldigen und sich bei der SPD bedanken, dass wir den Weg dafür bereitet haben, dass Sie überhaupt einen solchen Haushalt vorlegen können.

(Beifall bei der SPD)

Das ist von Ihnen aber nicht zu erwarten, weil Sie, wie gesagt, auf einem sehr hohen Ross sitzen. Ich will jetzt einen Blick in die Zukunft werfen. Die Zukunft sieht tatsächlich nicht besonders gut aus. Das Ross Bildung und Forschung ist von dieser Koalition auf Diät, auf Magerkost gesetzt worden. Um das zu sehen, reicht ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung: Die Bundesregierung plant, dass die Ausgaben für Bildung und Forschung wieder sinken – natürlich erst nach dem Bundestagswahljahr 2013 –, und zwar bis 2016 um über 0,5 Milliarden Euro. Wenn wir Frau Schavan und ihre Staatssekretäre fragen, wie sie sich das vorstellen, bekommt man die Antwort: Na ja, machen Sie sich mal keine Sorgen! Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das mit der mittelfristigen Finanzplanung muss man alles nicht so ernst nehmen. Ihre Chefin, Frau Schavan, die Bundeskanzlerin Merkel, sieht das vollkommen anders. Gestern in der Haushaltsdebatte hat sie stolz und klar gesagt, wie wichtig die mittelfristige Finanzplanung ist – ich zitiere –: 2016 – das können Sie der mittelfristigen Finanzplanung entnehmen – wollen wir die Neuverschuldung auf null geführt haben. Gegen dieses Ziel haben wir nichts – aber doch nicht auf Kosten der Zukunft, nicht auf Kosten von Bildung und Forschung!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Auswirkungen der bevorstehenden Kürzungen spüren wir schon jetzt schmerzhaft, weil Frau Schavan gar nicht die Möglichkeit, das Mandat, die Erlaubnis hat, irgendwelche Finanzierungszusagen zu geben. Wie ist es zum Beispiel mit dem BAföG? Seit Januar liegt der BAföG-Bericht vor. Wo ist der Vorschlag der Regierungskoalition, das BAföG anzuheben? Fehlanzeige. Auch beim Hochschulpakt gibt es dringenden Handlungsbedarf. Die Entscheidung ist von Frau Schavan auf April 2013 verschoben worden. Mal schauen, was Ihnen bis dahin noch so einfällt. Frau Schavan, Sie haben in Ihrer Rede wieder darauf verwiesen, mit den Ländern sei es schwierig

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist es ja auch!)

und die Verantwortung liege schließlich bei den Ländern. Das alles sind Nebelkerzen, Sie spielen auf Zeit. Die Wahrheit ist: Die mittelfristige Finanzplanung gibt definitiv nichts anderes her.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Schavan, damit keine Missverständnisse entstehen: Ich will Ihnen das nicht persönlich vorwerfen. Die Verantwortung für diese Blockade in der Bildungspolitik
liegt bei der Bundeskanzlerin; ihr können wir das sehr wohl vorwerfen. Was Frau Merkel unter der Bildungsrepublik Deutschland versteht, hat sie gestern in der Haushaltsrede sehr deutlich gesagt: Sie will nicht nur bei der Bildung kürzen, sie verteidigt auch das irrsinnige Betreuungsgeld. Man kann es nicht häufig genug sagen: Das Betreuungsgeld ist erstens bildungsfeindlich, und zweitens fehlt das Geld, das für das Betreuungsgeld ausgegeben wird, an anderer Stelle, nämlich bei der Bildung. Dort wird es dringend benötigt.

(Beifall bei der SPD – René Röspel [SPD]: Und es ist auf Pump finanziert!)

Ein weiterer wichtiger Punkt: Bundeskanzlerin Merkel hat einer Streichung des Kooperationsverbotes in der Bildung eine klare Absage erteilt. Übersetzt bedeutet das: Frau Merkel will nichts für die Schulen tun.

(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das ist auch nicht unsere Aufgabe!)

Wir wollen ein zweites Ganztagsschulprogramm. Das erste hat Rot-Grün auf den Weg gebracht. Es hat eine Menge bewirkt. Jetzt wollen wir einen weiteren Schritt machen: Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen guten Ganztagsschulplatz, und zwar überall in Deutschland, schaffen. Dafür müssen wir das Grundgesetz ändern. Frau Merkel lehnt das ab.

(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir wollen gleiche Chancen und optimale Förderung für alle Schüler, egal wo sie herkommen, egal aus welcher Familie sie stammen, egal wie viel Geld in ihrem Elternhaus vorhanden ist. Das ist der richtige Weg.
Ihr hohes Ross, Frau Schavan, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein lahmer, schwindsüchtiger Gaul, mit dem Sie bei der Bundestagswahl 2013 noch über die Ziellinie zu kommen versuchen. Das reicht nicht aus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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