Es gibt gegenwärtig Handlungen, die nicht vom Sexualstrafrecht erfasst werden, obwohl sie die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers verletzen und strafwürdig sind. Zukünftig soll sich daher strafbar machen, wer die Widerstandsunfähigkeit des Opfers ausnutzt, wer überraschend sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder wer den Umstand ausnutzt, dass das Opfer ein empfindliches Übel befürchtet.  Es wird Zeit, dass wir das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eindeutig und unmissverständlich schützen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Carola Reimann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir reden heute über ein Thema, das nach den Vorfällen in Köln eine sehr große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat, dessen gesellschaftliche Relevanz aber schon seit langer Zeit besteht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Seit vielen Jahren!)

Seit 30 Jahren kämpfen vor allem Frauen dafür, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besser geschützt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer wichtiger Schritt dahin. Bestehende Lücken im Sexualstrafrecht werden geschlossen. Deshalb ist das ein guter Gesetzentwurf. Ich bin Justizminister Heiko Maas dankbar dafür, dass er dieses wichtige Vorhaben schon früh – ich sage das hier sehr klar –, vor Köln, lange vor Köln, auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Neben diesem guten Gesetzentwurf von Heiko Maas gibt es ein Gesetz, das noch ein bisschen älter ist, nämlich das Gesetz, wie man gute Gesetzentwürfe noch besser macht, benannt nach unserem früheren Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Es besagt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es eingebracht worden ist. So wird es auch dieses Mal sein. Ich freue mich, dass sich heute Morgen so viele Kolleginnen und Kollegen zu erkennen gegeben haben, als Mitstreiterinnen und Mitstreiter an unserer Seite zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Kolleginnen und Kollegen, zum einen brauchen wir – das hat nicht zuletzt Köln gezeigt – eine Strafbarkeit der tätlichen sexuellen Belästigung. Zum anderen geht es uns natürlich darum, wie wir den Schutz des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung gesetzlich noch besser umsetzen können.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hierbei nicht um Lappalien. Wer mit Frauenberatungsstellen spricht, weiß, welche schwerwiegenden Folgen sexuelle Übergriffe haben. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bedeutet für die Betroffenen einen massiven Einschnitt im Leben. Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen geht verloren oder ist zerbrochen. Ohnmachtsgefühle entstehen. Viele leiden in der Folge unter ganz schwerwiegenden Symptomen. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, müssen Betroffene in der
Folge häufig erleben, dass nicht das Verhalten des Täters im Mittelpunkt steht, sondern ihr eigenes vermeintlich fehlerhaftes Verhalten.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Das sind die alten Mythen und unerträglichen Schuldzuweisungen gegenüber dem Opfer, die wir alle kennen: Warum bist du denn mit ihm mitgegangen? So hätte ich mich nicht angezogen. Warum hast du nicht geschrien? Schwerwiegender ist aber noch, dass selbst das Gesetz auf das Verhalten der Opfer abstellt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Denn vom Grundsatz her muss das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung anders als andere Rechtsgüter – das ist hier schon gesagt worden – vom Träger oder von der Trägerin wehrhaft verteidigt werden. Damit bleibt das Verhalten der Betroffenen bei einem sexuellen Übergriff natürlich im Fokus auch der Ermittlungsbehörden und der Gerichte.

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz, bleibt aber noch in dieser Systematik. Kolleginnen und Kollegen, ich finde: Da müssen wir noch einmal ran.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Es ist schon reichlich absurd: Dieser Grundsatz verlangt von Opfern – in der Regel sind das Frauen –, dass sie sich körperlich wehren. Vielen Mädchen und Frauen ist das aber gerade in ihrer Erziehung nicht nahegelegt worden, es ist ihnen geradezu aberzogen worden.

(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: So ist das!)

Deshalb wird es Zeit, dass wir das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eindeutig und unmissverständlich schützen, 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

wie wir es im Übrigen auch mit Eigentum tun. Das muss ich auch nicht wehrhaft verteidigen. Wenn mir jemand die Tasche klaut, ist das ganz klar eine Straftat, egal wie ich mich verhalten habe. Wenn ich Opfer eines sexuellen Übergriffs werde, kommt es zunächst einmal auf mein Verhalten an? Das ist niemandem mehr zu vermitteln. Deshalb werbe ich mit Nachdruck dafür, den vorliegenden Gesetzentwurf, der völlig unbestritten in die richtige Richtung weist, weiterzuentwickeln und alle sexuellen Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen unter Strafe zu stellen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Gesetz, Kolleginnen und Kollegen, muss eine klare Botschaft für alle haben: Nein muss wirklich nein heißen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)