Vielen Dank, Frau Präsidentin. Wir sind uns aber sicher einig, dass die Herstellung von Gleichberechtigung keine alleinige Aufgabe der Frauen ist.

Meine Damen und Herren! Ich will den Argumenten begegnen, dass das nur für mehr Bürokratie sorgen würde, dass dies eine Aufgabe der Tarifvertragsparteien sei und die Politik sich herauszuhalten habe. Ich lese Ihnen einen Satz vor, um den es hier eigentlich geht:

Niemand darf wegen seines Geschlechts … benachteiligt oder bevorzugt werden.

Das ist einer der fundamentalen Sätze der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Recht und Gesetz in Deutschland durchzusetzen, ist nicht die Aufgabe von Privatpersonen, auch nicht von Tarifvertragsparteien, sondern die Aufgabe des Gesetzgebers, der Exekutive, des Staates. Deswegen geht es hier um staatliches Handeln und nicht um Fragen der Bürokratie oder um Aufgaben von Privatpersonen.

Es geht auch nicht um Bewusstseinsbildung. Es geht um Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und um die Durchsetzung unserer Verfassung. Es geht nicht darum, dass den Unternehmen ein Lernauftrag erteilt werden soll. Frau Schön, es geht auch nicht um ein Privatvergnügen. Es ist nicht egal, ob man das macht oder nicht. Es geht darum, dass wir der Verfassung unseres Landes Geltung verleihen. Es ist einer der gröbsten Verstöße gegen die Verfassung, dass Frauen und Männer in diesem Land für gleiche Arbeit ungleich bezahlt werden. Das ist einer der größten sozialpolitischen Skandale in dieser Republik.

Damit wir uns hier verstehen: Wir haben diesen Antrag schon zur Zeit der Großen Koalition eingebracht. Frau Merkel und die nicht anwesende Familienministerin bzw. ihre Vorgängerin haben ihn im Duett abgelehnt. Für uns ist das keine neue Erkenntnis. Es ist übrigens spannend, wie wichtig die zuständigen Kabinettsmitglieder diese Debatte offensichtlich finden.

Leistung lohnt sich nicht für Frauen in Deutschland. Es geht darum, Frau Kollegin Schön, dass wir der sozialen Marktwirtschaft Geltung verleihen und dass sich Leistung lohnt. Es ist übrigens ein interessanter Meinungswandel, dass Sie das für die Aufgabe der Tarifvertragsparteien halten; denn ich habe noch gut in Erinnerung, dass CDU/CSU und FDP die Tarifvertragsfreiheit infrage stellen und den Flächentarifvertrag abschaffen wollten. Aktuell verhindern Sie im Kabinett ein Gesetz über die Tarifeinheit. Sie zerstören die Tarifverträge und sagen gleichzeitig, dass sich die Tarifvertragsparteien um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen kümmern sollen. Das kennzeichnet Ihre Politik in diesem Bereich.

– Wenn das reine Polemik ist, dann beschließen Sie endlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Sie wissen, dass 70 Prozent der Niedriglöhner in Deutschland Frauen sind. Machen Sie das doch endlich!

– Herr Kollege Kauder, ich weiß, dass Sie wenig Zugang zu diesem Lohnsektor haben. Nein, es geht darum, dass für Männer und Frauen eine Untergrenze eingeführt wird. Wenn wir wissen, dass in weiten Teilen Deutschlands keine Tarifverträge gelten, weil sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gar nicht mehr trauen, sich zu organisieren, dann muss der Staat eine untere Grenze einführen. Das wussten Ihre Vorgänger Ludwig Erhard und andere besser als Sie heute.

Herr Kollege Kauder, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, es geht nicht an, dass die Bundeskanzlerin das zum Privatproblem der Frauen macht. Ich zitiere einmal aus einem Interview mit der Emma. Dort rät die Bundeskanzlerin Frauen, die weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen, „selbstbewusst zum Chef zu gehen und zu sagen: Da muss sich was ändern!“

Wo sind wir eigentlich hingekommen? Es geht doch nicht darum, dass die betroffenen Frauen aufgefordert werden, etwas zu tun. Es ist die Aufgabe der Politik, einen Missstand, der Millionen von Frauen betrifft, zu beseitigen. Das ist unsere Aufgabe. Das geht auch Sie an. Sie können sich nicht ständig vor der Verantwortung drücken.

Ich sage hier ganz offen: Lernen Sie doch auch von den Fehlern der Sozialdemokratie. Wir haben auch einmal gedacht, dass Selbstverpflichtungen helfen. Heute wissen wir: Sie helfen nicht.

Sie möchten jetzt eine freiwillige Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen einführen. Ich stelle mir einmal vor, wie wir zu den DAX-Vorständen und Aufsichtsräten sagen: Jungs, ihr müsst jetzt zu 40 Prozent freiwillig auf den Millionenjob verzichten, damit Platz für die Frauen ist. – Wenn Sie glauben, dass das funktioniert, dann glauben Sie auch, dass man mit Gänsen über Weihnachten diskutieren kann.

Das kann man nicht ohne den Gesetzgeber durchsetzen. Es ist schlimm, dass die Kanzlerin diese Entwicklung, die bei Ihnen durch Frau von der Leyen in Gang gekommen war, wieder gestoppt hat. Es gibt immer nur Window Dressing in der CDU/CSU und FDP. Wenn es darauf ankommt, schlagen Sie sich in die Büsche.

Vielleicht hilft es Ihnen ja, sich die Realität in den unterschiedlichen Lohnsegmenten in Deutschland anzuschauen; es geht dabei nicht nur um den Niedriglohnsektor. Sie scheinen auch in diesen Bereichen ein Wahrnehmungsproblem zu haben. Ihre Familienministerin sagte in einem Interview:

Wir können den Unternehmen nicht verbieten, Elektrotechniker besser zu bezahlen als Germanisten.

Darum geht es aber nicht. Erklären Sie Ihrer Familienministerin bitte, dass es nicht darum geht, unterschiedliche Gehälter zu nivellieren, sondern dass man etwas dagegen tun muss, dass Ingenieure besser bezahlt werden als Ingenieurinnen. Das muss doch die Politik interessieren.

Der Lohnunterschied im Beruf der Ingenieure beträgt zwischen den Männern und Frauen 17 Prozent. Wie erklären Sie das einer fleißigen und gut qualifizierten Frau?

Nun komme ich zum Größten, das Sie sich bisher geleistet haben. Ihre Frauenministerin sagte über die Frauen:

Zumindest müssen sie sich darüber bewusst sein, dass mit bestimmten Berufswünschen gewisse Einkommensperspektiven verbunden sind.

Das würde bedeuten, dass es an der Berufswahl liegt, dass Frauen in Teilzeit arbeiten und schlechter bezahlt werden. Es liegt aber daran, dass sie häufig keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder haben. Deswegen müssen sie in Teilzeit gehen.

Es liegt auch daran, dass Sie nicht bereit sind, dafür zu sorgen, dass in Deutschland vernünftige Löhne gezahlt werden. Deshalb werden Frauen in diese Bereiche gedrängt.

Wenn Sie sagen, dass es an der Wahl des falschen Berufs liegt, dann schauen Sie doch einmal typische Frauenberufe, in denen nur oder im Wesentlichen Frauen be-schäftigt sind, an. Drei Viertel der Bürokaufleute sind Frauen; das ist also deutlich die Mehrheit. Bürokauffrauen verdienen trotzdem 15 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Oder schauen wir ins Bankgewerbe. Bankkauffrauen bekommen im Monat im Durchschnitt 700 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Bemerkenswert ist auch ein Blick in die soziale Wirklichkeit der oberen Gehaltsgruppen. Die Zahlen zeigen, dass auch Frauen in Führungspositionen für die gleiche Tätigkeit deutlich weniger Geld bekommen. Auf der Ebene der Hauptabteilungsleiter verdienen Frauen ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Da sagen Sie: Fangen wir mit der Bewusstseinsbildung an! Warten wir auf die Bewusstseinsbildung in den Unternehmen! – Nein, wir sagen ganz klar: Das ist eine Aufgabe, der sich die Politik stellen muss. Wir sind dafür verantwortlich, dass Recht und Gesetz in Deutschland eingehalten werden. Das ist keine Frage der Freiwilligkeit.

Immer wenn es konkret wird, ist von Ihren Schaufensterreden nichts mehr zu hören. Sie fallen den Frauen regelmäßig in den Rücken, wenn es konkret wird.

Das war übrigens auch bei den Hartz-IV-Verhandlungen der Fall. Als wir gefordert haben, die Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit genauso zu behandeln wie die Stammbelegschaften, wussten wir doch, dass davon viele Frauen betroffen wären, die dann vernünftig bezahlt worden wären. Sie haben sich dagegen gewehrt.

Vielleicht haben auch noch nicht alle mitbekommen, wie Ihre Definition von Equal Pay ist. Sie haben zunächst einen Equal-Pay-Day ausgerufen. Nächtens hat dann die FDP mit Zustimmung der Union folgendes Modell erarbeitet: Equal Pay – gleicher Lohn für gleiche Arbeit – soll schon ab dem ersten Tag gelten, wenn der Betrieb, in den ein Leiharbeitnehmer verliehen wird, schlechter bezahlt, als es der Tarifvertrag in der Zeitarbeit vorsieht. Wenn der Betrieb besser bezahlt als in der Zeitarbeit vorgesehen, dann – so war Ihr Vorschlag – soll das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ erst nach neun Monaten gelten. Wissen Sie, wie ich das nenne? Solche Vorschläge nenne ich asozial, meine Damen und Herren.

– Nein. Beschämend ist, sich immer vor der Verantwortung zu drücken und immer nur von anderen zu fordern, sich zu kümmern.

– Ja, passen Sie auf. Dann gebe ich mir Mühe und zitiere die von Ihnen offensichtlich immer noch, jedenfalls zeitweise, geschätzte Kanzlerin.

Sie sagt: Über Frauenpolitik darf man nicht nur reden. Man muss handeln. –

Na, dann handeln Sie einmal, meine Damen und Herren!