Forschungsförderung, Organisation der Wissenschaftslandschaft, die Lage an den Hochschulen, Kooperationsverbot - in seiner Eröffnungsrede zur wissenschaftspolitischen Fachkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion formulierte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Gedankenanstöße zur Zukunft des Wissenschafts- und Forschungssystems, die aus seiner Sicht dringend angepackt werden müssen. Denn: "In wenigen Ländern hängt der wirtschaftliche Erfolg, der gesellschaftliche Wohlstand so sehr von den Forschungsleistungen ab wie in Deutschland."

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste!

Es gab Zeiten in meinem Leben, da wäre es wahrscheinlicher gewesen, dass ich an diesem Gespräch auf der Seite der Wissenschaft bzw. des Wissenschaftsmanagements teilgenommen hätte. Dass sich das anders entwickelt hat, dass ich nun zu Ihnen als Politiker spreche, hängt manchmal an Zufällen und Begegnungen, die man nicht vorausahnen kann – es  führt aber dazu, dass Kontakte nie verloren gehen.

Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung so zahlreich – und, wenn ich das sagen darf: so prominent! – gefolgt sind, um heute mit uns über die Zukunft der Wissenschafts- und Forschungspolitik in Deutschland zu reden. Herzlich willkommen im Fraktionsaal der SPD!

Lassen Sie mich meine Einführung mit einer Zustandsbeschreibung beginnen: „Heute steht die deutsche Wissenschaft […] in einer Notlage, die nicht vertuscht werden darf. Zwar ist es eine Übertreibung, wenn jüngst […] behauptet worden ist, die deutsche Wissenschaft sei bereits […] überflügelt, und ihre Universitäten ständen nicht mehr an der Spitze – wahr aber ist, dass die deutsche Wissenschaft auf wichtigen Linien der Naturforschung hinter der anderer Länder zurückgeblieben […] ist.“

Sie haben es an der etwas altertümlichen Sprache wahrscheinlich schon erkannt, dass diese Zustandsbeschreibung inzwischen mehr als 100 Jahre alt ist – geschrieben von Geheimrat Harnack (der später erster Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften wurde) an Kaiser Wilhelm II.

Harnack schildert in dramatischen Worten das drohende Zurückbleiben der deutschen Wissenschaft gegenüber dem Ausland. Und er müht sich auch gleich darum, Abhilfe zu schaffen, als er dem Kaiser die Einrichtung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen vorschlägt – und damit den Grundstein für ein bis heute gültiges und im Kern erfolgreiches Systems legt.

Ganz so dramatisch wie vor 100 Jahren schätze ich die heutige Lage unseres Wissenschaftssystems nicht ein. Vom drohenden Untergang unserer Kulturnation redet heute – zum Glück! – niemand. Einig bin ich mir aber mit Harnack darüber, dass aus dem Benennen von Misständen konkrete Handlungsempfehlungen folgen müssen.

Und in noch etwas stimme ich Harnack zu: Wissenschaft, Forschung und ihre Zukunftsperspektiven können auch von der Politik nicht wichtig genug genommen werden. In wenigen Ländern hängt der wirtschaftliche Erfolg, der gesellschaftliche Wohlstand so sehr von den Forschungsleistungen ab wie in Deutschland. Unsere wichtigste Ressource sind nun einmal die Talente und Begabungen unserer Menschen. Deshalb sind nur wenige Bereiche für die Zukunft unserer Gesellschaft so entscheidend wie Bildung und Forschung.

Hier entscheidet sich, ob wir unsere Kinder ausreichend fördern, damit wir kein Talent verkümmern lassen, damit wir ihre Neugierde wecken und ihr Interesse daran, weiterzudenken über das bisher Bekannte hinaus. Gelingt das nicht, werden wir schon bald über einen Mangel an Nachwuchswissenschaftlern und –forschern klagen (und nicht nur an denen).

Hier entscheidet sich auch, ob wir Lösungen für drängende Fragen unserer Zeit finden, für den demographischen Wandel zum Beispiel, die Energiewende und die drohende weltweite Nahrungsmittelknappheit. Wir werden die anstehenden Probleme nicht ohne technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, und nicht ohne neue Erkenntnisse bewältigen können.

Und nicht zuletzt entscheidet sich hier, ob unsere Wirtschaft Innovationsmotor in Europa bleibt, und ob wir das produktive Wechselspiel von Wirtschaft und Wissenschaft, die Verzahnung von Grundlagen- und angewandter Forschung, erhalten können. Genau das war schließlich immer die Stärke unserer Wirtschaft: Die Innovationskraft, die sich zum Beispiel in den Exporterfolgen der technologie-intensiven Branchen widerspiegelt. Humboldts Wort „ Die Wissenschaft gießt oft dann ihren reichsten Segen aus, wenn sie sich von demselben gleichsam zu entfernen scheint“ – dieses Wort gilt auch heute noch. Wissenschaftlicher Fortschritt, das heißt bei uns eben immer im gleichen Atemzug auch Wohlstand und Arbeitsplätze.

Ohne Innovationen und technologischen Fortschritt, ohne erfolgreiche Spitzen­forschung brauchen wir über Zukunft in Deutschland nicht zu reden.

Nicht umsonst haben wir, als wir an der Regierung waren, bei allen Reformen und schmerzhaften Einschnitten der Agenda 2010 deshalb gerade die Investitionen in Forschung gestärkt. Umsteuern hin zu Zukunftsinvestitionen, Fördern durch Bildung und Ausbildung, kreative Potentiale ausschöpfen – das war es, was wir anstoßen wollten, und inzwischen sehen wir die ersten Erfolge. Mit der Exzellenzinitiative und dem Pakt für Forschung und Innovation haben wir eine ganz neue Dynamik entfachen können. Wir haben weltweit Maßstäbe für innovative Forschungsansätze gesetzt. Und es ist gelungen, verkrustete Strukturen aufzulösen und den Hochschulen eine stärkere Profilbildung zu ermöglichen.

Und nicht umsonst habe ich in meiner Zeit als Außenminister eine Initiative für die Außenwissenschaftspolitik angestoßen, um die Vernetzung und die Sichtbarkeit deutscher Wissenschaft auch im Ausland zu erhöhen. Unsere Idee war es, im Ausland Innovations- und Wissenschaftshäuser einzurichten – als Schaufenster deutscher Forschung und Wissenschaft, und gleichzeitig als Anlaufstelle für ausländische Forscher. Ich bin froh, dass inzwischen in Nord- und Südamerika, in Asien und in Russland solche Häuser entstehen. Denn eins ist doch klar: Ohne internationale Vernetzung können wir uns vom wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt verabschieden.

An diese Erfahrungen können wir anknüpfen, und ich rate uns auch dringend dazu.  – Aber Politik ist nie zu Ende. Das einmal Erreichte gewährt nur kurze Atempausen. Der Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt laufen in wenigen Jahren aus. Das Lissabon-Ziel von 3% scheint schon wieder überholt, wenn man sich vor Augen führt, dass Länder wie Südkorea und Finnland schon heute weiter sind.

Und nicht zuletzt: Die Lern- und Forschungsbedingungen an unseren Universitäten sind vielerorts katastrophal. Der große Bologna-Traum ist zerstoben. Die Hochschulen ächzen unter Bürokratie, hohen Studentenzahlen und Verschulungswahn. Die alten Magister- und Diplomstudiengänge sind in sage und schreibe 13.033 Bachelor- und Masterstudiengänge aufgesplittert worden – ein Gewirr, in dem sich selbst Eingeweihte verheddern. Vom Humboldt'schen Bildungsideal der freien, selbständig denkenden Persönlichkeit entfernen wir uns mit Lichtgeschwindigkeit. Und nicht selten winken Spizen-Absolventen - Sie wissen das besser als ich - dankend ab, wenn ihnen eine Karriere an einer deutschen Uni angeboten wird.

Deshalb gibt es nicht nur kein besseres Thema als die Forschung, um über unsere Zukunft zu reden – es gibt auch keinen besseren Zeitpunkt, als das genau jetzt zu tun. Viel liegt vor uns, das wir anpacken müssen. Und klar ist eigentlich nur: Den Kopf in den Sand stecken gilt nicht. Das können wir uns nicht erlauben.

Lassen Sie mich deshalb ein paar Gedankenanstöße formulieren in den Feldern, die wir nach meiner Ansicht in den nächsten Jahren dringend anpacken müssen.

Da wäre erstens die Forschungsförderung. Da hat sich zwar, ich habe das bereits angedeutet, in den letzten Jahren viel getan. Aber die Halbwertszeit unseres Wissens wird immer kürzer. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass die Forschungsförderung auch nach dem Auslaufen des Paktes für Forschung und Innovation weitergeht.

Konkret heißt das, dass die Mittel für die außeruniversitäre Forschung auch nach 2015 steigen müssen. Schon allein, um Kostensteigerungen zu kompensieren und die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern!

Ich bin mir allerdings, auch das sei ehrlich gesagt,  nicht sicher, ob alle Wissenschaftsorganisationen pauschal die gleiche prozentuale Steigerung erhalten sollten. Oder ob hier – einige der Anwesenden mögen mir verzeihen – eine stärkere Differenzierung sinnvoll ist. Die Helmholtz-Gemeinschaft hat mit ihrem „Zukunftspapier“ die Debatte um das Profil der Forschungsgemeinschaften ja bereits eröffnet. Ich finde,  wir sollten sie ehrlich, fair und ohne Angst führen.

Es geht nicht nur um öffentliche Förderung! Es geht darum, das Potential der privaten wirtschaftlichen Förderung von Forschung zu heben und dabei die Innovationsfähigkeit der Unternehmen weiter zu stärken. Schon jetzt kommen immerhin 47 Mrd. Euro an Investitionen aus der privaten Wirtschaft. Und nach den jüngsten Daten des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft wird im nächsten Jahr sogar noch eine Schippe drauf gelegt. Das Potential könnte noch größer sein, wenn nicht nur die Großunternehmen, sondern in viel größerem Maße auch noch der Mittelstand die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigern würde. Auch deshalb ist die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ein längst überfälliger Schritt. Die Bundesregierung hat mehrere Gelegenheiten ungenutzt verstreichen lassen, um das endlich auf den Weg zu bringen. Ihren vollmundigen Ankündigungen im Koalitionsvertrag sind immer noch keine Taten gefolgt. Selbst die eigene Expertenkommission hat das schon mehrmals lautstark kritisiert – Herr Prof. Harhoff, der heute auch hier ist, wird dazu vielleicht selbst noch etwas sagen.

Konkret könnte Forschungsförderung außerdem heißen, dass der Bund die Länder bei der Forschungsfinanzierung stärker entlastet. Ob das durch veränderte Finanzierungsschlüssel geschieht, oder durch andere Instrumente oder überhaupt nicht notwendig ist, dazu erhoffen wir uns Ihren Rat!

Zweite Anregung. Bei der Vorbereitung fiel mir ein Bericht einer internationalen Kommission zur Evaluation der Forschungsförderung in Deutschland in die Hände, ich glaube aus dem Jahr 1998 – also vor den erheblichen Verbesserungen für die außeruniversitären Forschungsorganisationen. Das Ergebnis war: Die relative Schwäche der deutschen Universitäten beeinträchtigt die Funktion des Gesamtsystems bei der Herstellung und Verbreitung von Wissen. Aber wenn das im Jahr 1998 richtig war, dann müssen wir doch annehmen, dass diese Kluft heute noch größer geworden ist.  Wenn das so ist, dann müssen wir doch auch über die Organisation unserer Wissenschaftslandschaft diskutieren. Und da geht es zunächst einmal um die Frage der Zusammenarbeit von außeruniversitärer Forschung und den Unis. Wir müssen weg von unterschiedlichen Standards und Praktiken, die die Zusammenarbeit behindern. Nicht, weil wir aus der Vielfalt einen Einheitsbrei machen wollen. Was ich mir vorstelle, ist eher ein gemeinsames Dach an institutionalisierten Regeln und Prinzipien, unter dem sich alle versammeln können – ein Dach, dass Kooperationen vereinfacht und vor allem rechtlich absichert. Da geht es um die Frage gemeinsamer Berufungen, um so profane Dinge wie die Kapazitätsverordnung und darum, ob das Promotionsrecht für die Außeruniversitären einer solchen Kooperation nicht eher abträglich ist. Wir sind hier noch am Anfang der Debatte – ich würde mich freuen, wenn wir das heutige Treffen auch nutzen können, um an diesem Punkt ein Stück weiterzukommen.

Die Kooperationen zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen haben durchaus auch das Ziel, die Hochschulen selbst voranzubringen. Prof. Kleiner hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: Kooperationen ja, wenn die Universitäten auf dem Fahrersitz sitzen.

Damit wären wir wieder beim Geld angekommen. Und bei meiner dritten Überlegung: Einer Verbesserung der Situation an den Hochschulen. Denn die haben in den letzten Jahren eben nur unzureichend von den Mittelaufwüchsen für die Forschung profitieren können. Ich habe schon angedeutet, wie dramatisch die Lage vielerorts ist – und Sie kennen die Lage sowieso noch besser als ich. Nichts drückt die Dramatik besser aus als eine Zahl: 4 Milliarden. So groß ist, zumindest nach einigen Berechnungen, das jährliche Finanzierungsdefizit unserer Hochschulen.

4 Milliarden sind kein Pappenstiel. Das ist eine Summe, die Folgen hat, und zwar sichtbare Folgen. Nur ein Beispiel: Wo die Grundfinanzierung mangelhaft ist, müssen Drittmittel her. Das ist an sich nicht schlecht, und hat viele neue Projekte ermöglicht. Aber die immer größer werdende Abhängigkeit von Drittmitteln verändert wissenschaftliches Arbeiten: Zur Kernqualifikation – und oft auch Hauptbeschäftigung – von Nachwuchswissenschaftler gehört inzwischen das Schreiben von Anträgen, das Sicherstellen neuer (und dann wieder befristeter) Projekte. Ein Hamsterrad, in dem die Anforderungen an junge Forscher ständig steigen, ohne dass sie Zeit für eigenständige Forschung, oder für Lehre gewinnen würden, und ohne dass sich ihre Arbeitsbedingungen verstetigten. Dass das ein Umfeld ist, in dem exzellente Forschung entsteht, wage ich zu bezweifeln! Mittelfristig werden wir an einer stärkeren Finanzierungskooperation zwischen Bund und Ländern nicht vorbeikommmen.

Ich will die Gelegenheit nutzen, auch ein paar Worte zum Kooperationsverbot zu sagen. Ich weiß natürlich, dass einige unter Ihnen mit Unverständnis auf unsere Position reagiert haben. Lassen Sie mich eins noch einmal unmissverständlich klarstellen. Wir wollen die Abschaffung des Kooperationsverbots. Diese Regelung war ein Riesenfehler. Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Wir haben das erkannt.

Die Frage ist nur – was macht man aus dieser Erkenntnis? Eine Minimalreform des Art. 91b GG, wie sie vorgeschlagen worden ist, löst die Probleme nicht. Das ist allenfalls  ein Trostpflaster, das aber nicht auf die viel zu große Wunde passt. Nur Kooperationsprojekte an Hochschulen zu finanzieren, die Schulen aber vor die Hunde gehen zu lassen, das ist weder nachhaltig noch klug. Das sind ja keine in sich geschlossenen Systeme, das eine hat ja viel mit dem anderen zu tun. Ohne ein gutes Bildungssystem werden uns auch die Nachwuchswissenschaftler ausgehen. Das Kind, für das wir heute keinen Platz in der Kita haben, oder die Schülerin, die unter mangelnder schulischer Förderung leidet – sie könnten unsere Forscherinnen und Forscher von morgen sein.

Und deshalb müssen wir bei der Abschaffung des Kooperationsverbotes weiter gehen. Wir wollen einen neuen Artikel 104c in das GG einfügen. Dieser Vorschlag öffnet die Tür für gemeinsame Initiativen von Bund und Ländern zur Stärkung von Bildung und Forschung: Von einem Ganztagsschulprogramm bis zur Grundfinanzierung der Hochschulen. Das ist es, was wir brauchen. Denn angesichts der Größe der Aufgaben, die vor uns liegen, dürfen wir uns nicht mit einer Minimallösung zufrieden geben. Es gibt auch aus den Reihen der Koalitionen viele, die uns signalisieren, dass sie gern weiter gehen würden. Es geht nicht um den Spatz in der Hand und die Taube auf dem Dach, denn weder ist die Wissenschaft der Spatz, noch die Schulen die Tauben. Es geht darum, einen Fehler rückgängig zu machen, für den wir alle verantwortlich sind.

Vierte Anregung. Ich habe die Exzellenzinitiative bereits erwähnt. Wir haben sie damals auf den Weg gebracht. Heute wissen wir: Sie hat geholfen, dass sich einige unserer Universitäten inzwischen tatsächlich auf den Weg zur internationalen Spitze gemacht haben. Aber jetzt müssen wir die Dynamik, die dadurch entstanden ist, verstetigen – und zwar ohne die Probleme, die die Initiative unbestritten auch mit sich gebracht hat, gleich mit zu verfestigen.

Für eine interessante Idee halte ich deshalb das Modell der Exzellenzstiftungen an denjenigen Standorten, die sich im Wettbewerb mit ihren Zukunftskonzepten durchgesetzt haben. In München ist das ja bereits passiert. Da gibt es sicher noch einige offene Fragen: Wie sieht der politische Einfluss, die demokratische Kontrolle aus, zum Beispiel. Aber vielleicht deutet sich hier ein gangbarer Weg an, um Wettbewerb und Nachhaltigkeit in der Exzellenzförderung zu vereinen. Ich bin auf Ihre Einschätzung gespannt!

Meine Damen und Herren, am unsichersten bin ich mir in einem Bereich, der in der öffentlichen Debatte immer unterschätzt wird. Das ist ja nicht so sehr die Forschung. Der schwierigere Bereich ist der der Lehre. Bei der Forschung ist es auch einfacher, Kriterien zu entwickeln, nach denen zum Beispiel Forschungsförderung vergeben wird. Bei der Lehre ist es uns bisher nicht gelungen, solche Kriterien zu entwickeln. Ich glaube, dass das für die Zukunft notwendig sein wird, weil wir in Zukunft noch sehr viel stärker darauf achten müssen, dass wir nicht nur Nachwuchsgewinnung für die Wissenschaft betreiben, sondern dass wir auch die, die keine akademische Karriere machen wollen, mit einem guten Abschluss in ihren Beruf entlassen. Das gilt auch für die Lehrerausbildung. Da sehen Sie vielleicht noch einmal die Verknüpfung von Wissenschaft und Bildung, wie ich sie meine. Denn wir gucken ja immer nur auf die Output-Seite. Mit welchen Abschlüssen verlassen junge Menschen die Schulen, wie sind sie qualifiziert. Wir diskutieren nicht über die Inputseite, darüber, was wir unseren Lehrern mitgeben, wie sie gerüstet sind, ob das reicht für die heutige Welt. Ich bin mir sicher, wir müssen gerade in diesem Bereich mehr investieren, weil wir am Ende – und das ist gar nicht mehr lange hin – gar nicht mehr garantieren können, dass alle Fächer unterrichtet werden, besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern.

Ein Thema, das hier nicht wirklich hingehört – ich will es nur am Rande erwähnen, weil wir das unter Sozialdemokraten viel diskutieren – ist natürlich auch die Frage, was ist eigentlich das Ziel von Bildung und Ausbildung. Auch wir sind manchmal sehr auf dem Weg, die Zahl der akademischen Abschlüsse zu lesen, zu bewerten und mit dem Ausland zu vergleichen. Und wenn man das tut, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die reine Zahl der Akademiker in Deutschland zurückbleibt hinter dem Ausland. Wir sind aber auch in der Gefahr, daraus nicht die richtigen Schlüsse zu ziehen. Denn was wir gleichzeitig haben, ist, dass mit einer wachsenden Akademisierung ein anderes Gut in Gefahr gerät, das uns genauso wichtig ist: Die Qualität der dualen Ausbildung. Wir leben im Augenblick davon, dass wir immer noch genügend Bewerber auf Ausbildungsplätze haben. Wir müssen, wenn wir Wissenschaft und Forschung fördern, auch darauf achten, dass wir dennoch auch in Zukunft noch genug Bewerber für die duale Ausbildung kriegen. Das müssen wir heute hier nicht lösen, ich wollte es nur wenigstens am Rande einmal sagen. Das ist ein Gesichtspunkt, den wir – nicht nur mit Blick auf unser Klientel, sondern mit Blick auf verschiedene Funktionsräume in unserer Gesellschaft – mindestens im Auge behalten müssen.

Das ist nicht mehr als eine kleine Skizze, ein paar Gedanken zur gegenwärtigen Situation von Wissenschaft und Forschung, wie ich sie sehe. Sie nehmen sicher noch ganz andere Brüche, und ganz andere Defizite wahr als ich. Ich freue mich jedenfalls darüber, dass Sie erstens hier sind und dass wir zweitens über ein paar Fragen, die ich angesprochen habe, und über viele weitere darüber hinaus, heute nachmittag miteinander ins Gespräch kommen.

Noch einmal herzlich willkommen, und dieser Konferenz einen guten Verlauf!