Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, müssen wir zweierlei tun: Wir müssen als Erstes die Bildungschancen der Menschen, die hier leben, verbessern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Insbesondere in SPD-geführten Ländern!)
Selbst wenn wir das jetzt sofort tun würden und eine perfekte Bildungspolitik machen würden, wovon die Regierungskoalition weit entfernt ist,
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unwahr! Unsachlich!)
würde das allen Prognosen zufolge nicht ausreichen. Wir brauchen darüber hinaus zweitens die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deswegen machen wir ja dieses Gesetz!)
Darum brauchen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen. Wir müssen als Arbeitsstandort attraktiv werden; wir müssen eine Willkommenskultur etablieren. Nun wissen wir natürlich, dass das eine politische Herausforderung ist; denn jahrzehntelang ist uns von vielen Leuten erzählt worden, wie schwierig das mit der Zuwanderung sei, was das für eine Belastung sei und welche Schwierigkeiten es bei der Integration gebe. Hier geht es um eine politische Thematik, der wir uns stellen müssen. Wir müssen trotzdem, auch gegen diesen Trend, klar erkennen und es den Leuten auch sagen: Wir benötigen Zuwanderung aus dem Ausland, um unsere Wirtschaft weiter voranzubringen und unseren Sozialstaat perspektivisch weiter finanzieren zu können.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
SPD und Grüne haben sich dieser Herausforderung schon vor langer Zeit gestellt. Die Regierung Schröder war es, die 2002 das Zuwanderungsgesetz beschlossen hat, damals hart bekämpft von CDU und CSU im Deutschen Bundestag und im Bundesrat;
(Iris Gleicke [SPD]: Das ist leider wahr!)
wir erinnern uns sehr gut daran. Ich will aber jetzt nicht noch einmal die alten Schlachten führen, sondern nur darauf hinweisen, dass das bis heute nachwirkt und ein Stück weit ein Problem ist. Denn die damalige Denke bei der CDU/CSU gibt es, jedenfalls in Teilen der Union, immer noch; sie wirkt immer noch nach. Darum ist die Politik der Koalition in diesem Feld auch so halbherzig, so widersprüchlich und eben auch zögerlich.
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat sich sogar immer gegen die Deutschkurse ausgesprochen, weil das so teuer sei!)
Das sieht man auch in diesem Gesetzentwurf. Minister Rösler hat gesagt, dieser Gesetzentwurf sei ein Quantensprung in der Zuwanderungspolitik.
(Zuruf von der FDP: Recht hat er!)
Bei so einer Wortwahl – Sprung – denke ich unwillkürlich an eine Raubkatze, die elegant und dynamisch nach vorne schnellt.
(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Jetzt keine Polemik! Das ist unter Ihrem Niveau, Herr Schulz! Das brauchen Sie doch nicht! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gestern noch vor dem Bundesverfassungsgericht und heute so abgleiten!)
Aber wenn man sich das ganze Verfahren anschaut und sich ansieht, was im Gesetzentwurf enthalten ist, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung das Bild eines schläfrigen Bernhardiners abgibt, der angeschoben werden muss, damit überhaupt irgendetwas passiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)
Das fängt schon damit an, dass die Umsetzung der Richtlinie mit großem Zeitverzug passiert.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was haben Sie heute Morgen zum Frühstück getrunken, Herr Kollege?)
Die Richtlinie ist von 2009, wir sind heute im Jahr 2012, und Sie kommen erst jetzt mit dem Gesetzentwurf. Was die Inhalte angeht, gibt es jede Menge Leerstellen. Das hat Ihnen – der Kollege Uhl hat dankenswerterweise darauf hingewiesen – der Bundesrat auch ins Stammbuch geschrieben. Ich will nur einige Beispiele nennen: Es fehlt zum Beispiel die Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten für ausländische Studierende. Der Bundesrat hat gesagt: Da müssen wir etwas machen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme dankenswerterweise gesagt: Ja, okay, wir stimmen zu. – Also hoffen wir, dass dies in den Beratungen im Deutschen Bundestag von der Regierungskoalition auch aufgenommen wird.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Selbstverständlich! – Zuruf von der FDP: Sie werden positiv überrascht sein!)
Es fehlt die Verlängerung der Frist für die Arbeitsplatzsuche für die Absolventen. Die Bundesregierung hat gesagt: Das müssen wir prüfen. – Also ein weiterer Debattenpunkt. Es fehlt die vereinfachte Definition der Angemessenheit der Arbeit. Die Bundesregierung hat gesagt: Das lehnen wir ab. – Noch ein Diskussionspunkt für die Ausschüsse. Es fehlt die Ermöglichung der Selbstständigkeit von Absolventen. Die Bundesregierung hat gesagt: Wir prüfen. – Also müssen wir auch da in den Beratungen im Deutschen Bundestag weiter vorankommen.
(Zuruf von der FDP: Ein Glück, dass es im Innenausschuss stattfindet und nicht bei Ihnen!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bernhardiner- Koalition,
(Gisela Piltz [FDP]: Das nehme ich Ihnen schon übel! Ich will nur mal sagen: Ich bin Schütze und nicht Bernhardiner! – Zuruf von der FDP: Bernhardiner retten Leben, Herr Kollege!)
es ist wirklich schwer und mühsam, mit Ihnen da Fortschritte zu erreichen. Da sind dann auch noch richtige „Klopper“ drin. Ein starkes Stück ist das Thema „Niederlassungserlaubnis“. Die Bundesregierung schlägt mit dem Gesetzentwurf vor, dass die Niederlassungserlaubnis nachträglich entzogen werden kann. Was ist denn das für eine Botschaft? Sie sagen damit den Leuten: Ihr könnt hier jahrelang brav arbeiten, Steuern zahlen, Arbeitsplätze schaffen und sichern, aber wenn es ein Problem gibt, dann raus mit euch. – Das ist doch das Gegenteil von Willkommenskultur.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)