Anrede
Am 1. Januar dieses Jahres haben die drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden für den Finanzsektor ihre Arbeit aufgenommen. Bei ihnen handelt es sich um die in London angesiedelte Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA), die in Frankfurt ansässige Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) in Paris. Neben den drei neuen Behörden, die Banken, Märkte und Versicherungen überwachen, hat Ende Dezember 2010 bereits der Europäische Ausschuss für Systemrisiken seine Arbeit aufgenommen. Dieser hat die Aufgabe den gesamten Finanzsektor zu beobachten, um systemische Gefahren frühzeitig festzustellen.
Damit haben wir europaweit die Aufsicht neu aufgestellt um eventuell auflaufende Risiken im Finanzsystem besser aufzudecken, wie diese bereits im Vorfeld der Finanzkrise und auf ihrem Höhepunkt beobachtet wurden. Denn die qualitative und quantitative Verbesserung der Aufsicht der Finanzakteure ist eine der zentralen lehren, die wir aus der verheerenden Krise ziehen müssen. Banken, Finanzmärkte und Versicherungen agieren grenzüberschreitend, deshalb muss es auch neben der nationalen eine europäische Aufsicht geben.
Das Bundesfinanzministerium hat das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie vom 24.11.2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vorgelegt. Damit werden die nationalen Finanzaufsichtsgesetze an die neue Europäische Finanzaufsichtsstruktur angepasst. Das Gesetz ermöglicht und konkretisiert dabei insbesondere die Zusammenarbeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit dem neugestalteten Europäischen Aufsichtssystem.
Dies ist notwendig und so werden eine Reihe von nationalen Gesetzes zum Banken- und Finanzaufsichtsrecht geändert, so u. a. • das Kreditwesengesetz (KWG), • das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), • das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), • das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), • die Gewerbeordnung (GewO),
Die Änderungen dieser Gesetze resultieren letztlich aus der Umsetzung der entsprechenden Omnibusrichtlinie.
Im Hinblick auf die EU-Verordnungen zur Errichtung der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) sollen in den deutschen Aufsichtsgesetzen Änderungen vorgenommen, die der Klarstellung dienen oder deren Regelungen den EU-Verordnungen bisher entgegenstehen. Dazu wird in den deutschen Aufsichtsgesetzen folgendes neu geregelt:
• die Einbindung der BaFin in das Europäische Finanzaufsichtssystem • die Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der BaFin gegenüber den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden • Anpassungen der Verschwiegenheitspflichten der Beschäftigten der BaFin und vergleichbaren Personengruppen • die Einbeziehung der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden bei Meinungsverschiedenheiten oder mangelnder Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden
Bisher hat es die die Bundesregierung allerdings noch nicht vermocht die deutsche Aufsicht zu reformieren. Die vollmundigen Ankündigungen einer umfassenden Reform wurden bereits zurückgenommen. Die Hausaufgaben sind noch nicht erledigt. Die notwendigen Veränderungen müssen deshalb auf der Basis der bestehenden deutschen Aufsichtsstruktur erfolgen. In einer schriftlichen Anhörung, die der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages durchgeführt hat, erklärte die BaFin hierzu, dass sie die Umsetzungsvorschläge begrüßt und vorbehaltlos unterstützt.
Auch die Bundesbank spricht in ihrer schriftlichen Stellungnahme von einer sachgerechten Umsetzung. Die Bundesbank wird mit einem – nicht stimmberechtigten – Vertreter an den Sitzungen des Rates der Aufseher bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde teilnehmen können. Sie wird auch in die Arbeit der Arbeitsgruppen der EBA einbezogen. Die Form der Beteiligung entspricht nach Aussage der Bundesbank ihrer Funktion, da sie neben ihrer Eigenschaft als Währungsbehörde auch für die laufende Überwachung der Kreditinstitute verantwortlich ist.
Die Finanzkrise, die bis heute nachwirkt und zu immer neuen aktuellen Verstrickungen und Belastungen führt, hat erhebliche Aufsichtsdefizite auf der Makroebene offenbart. Es ist daher richtig, wenn wir im Rahmen des neuen Aufsichtssystems die Risiken für die Systemstabilität besser ermitteln und mit einem effizienten Warnsystem verhindern, dass sich Finanzmarktkrisen wie 2008 wiederholen. Die bestehende Aufsicht auf Makroebene war und ist zu stark fragmentiert und musste daher dringend reformiert werden.
Die Omnibusrichtlinie I hilft mit, die Aufsichtsstruktur europaweit zu verbessern. Die nationalen Aufsichtsbehörden werden mit den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden besser zusammenarbeiten und diesen nach Maßgabe der EU-Verordnungen zur Errichtung der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden alle für die Ausführung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Hierzu werden die genannten nationalen Gesetze geändert, damit die Verpflichtung der BaFin zur Zusammenarbeit mit den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und zur Weitergabe von Informationen auch gesetzlich festgelegt ist.
Die Konkretisierung der Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der nationalen Aufsichtsbehörden gegenüber den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden ist eines der Kernelemente der Umsetzung zur Verbesserung einer Finanzaufsichtsstruktur in Europa. Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten, die bisher gegenüber der Europäischen Kommission bestanden, werden nunmehr auf die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden ausgeweitet bzw. werden durch Mitteilungspflichten gegenüber den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden ersetzt.
Korrespondierend zu diesen Verpflichtungen der nationalen Aufsichtsbehörden wurde in Artikel 35 der EU-Verordnungen zur Errichtung der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und in Artikel 15 der EU-Verordnung zur Errichtung des ESRB den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und dem ESRB Informationsansprüche auch gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden eingeräumt. Damit die BaFin diese Informationsansprüche nach Maßgabe der EU-Verordnungen erfüllen kann, müssen ihre Beschäftigten und vergleichbare Personengruppen in den deutschen Aufsichtsgesetzen von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit werden.
Aus diesem Grund sollen der ESRB und die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden in den deutschen Aufsichtsgesetzen in den Katalog der Stellen aufgenommen werden, an die auch geheimhaltungsbedürftige Informationen weitergegeben werden dürfen, soweit diese Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden.
Die Zusammenarbeit von nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden muss reibungslos funktionieren. Es ist daher richtig, wenn zur Gewährleistung einer effizienten und wirksamen Aufsicht und einer ausgewogenen Berücksichtigung der Positionen der nationalen Aufsichtsbehörden die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden Differenzen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden – auch in den Aufsichtskollegien – verbindlich schlichten können, wenn sich die nationalen Aufseher nicht einigen können oder wollen.
Der europäische Gesetzgeber hat dabei Bereiche im Blick, in denen die Richtlinien Kooperation, Koordination oder gemeinsame Entscheidungen der nationalen Aufsichtsbehörden vorsehen. Eine erste Festlegung der Bereiche ist in der Omnibusrichtlinie I erfolgt. Maßnahmen, die Gegenstand von Entscheidungen zur Streitbeilegung sein können, sind im Bankenbereich zum Beispiel die Einstufung von Zweigniederlassungen, die Anerkennung interner Modelle und die Risikobewertung auf Gruppenebene.
Des Weiteren würden die in der Omnibusrichtlinie I vorgeschriebenen Verfahren in die deutschen Aufsichtsgesetze umgesetzt, nach denen die BaFin handeln muss, wenn sie als konsolidierende Aufsichtsbehörde an einem solchen Streit beteiligt ist.
Im Übrigen werden eine Reihe redaktionelle Anpassungen in den deutschen Aufsichtsgesetzen vorgenommen.
Die Finanzkrise vom Oktober 2008 hat eine Reihe von Schwachstellen bei der Einzel- und Systemaufsicht offen gelegt. Diese wurde insbesondere mit Hilfe des Larosière-Berichts analysiert und Handlungsoptionen und Verbesserungen empfohlen. Insgesamt wird die Aufsicht in Europa gestärkt. Die aktuelle Staatsschuldenkrise, die Probleme um eine Rekapitalisierung der Banken zeigt uns aber auch, dass eine verbesserte Aufsicht nur ein – wenn auch wichtiger - Mosaikstein in einer hinreichenden Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte bedeutet. Wir sind damit auf einem guten Weg, die notwendigen aufsichtsrechtlichen Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise zu ziehen. Die neuen Strukturen müssen sich jetzt in der Pra xis bewähren.