Es ist schon viel geleistet worden. Jedes dritte Kind mit Förderbedarf wird heute im gemeinsamen Unterricht in Deutschland be­schult. Das ist ein Erfolg. Deswegen geht der erste Dank an diejenigen, die sich jeden Tag in ihre Klassen stellen, manchmal auch der Meinung sind, dass die Ausstattung nicht gerade optimal ist, und trotzdem jeden Tag dafür sorgen, dass Kinder gemeinsam beschult werden, dass Chancengleichheit ein Stück näher rückt .

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kolle­gen!

Zunächst einmal finde ich es vom Grundsatz her gut, dass wir heute die Gelegenheit haben, dieses The­ma zu diskutieren. Allerdings glaube ich, dass wir in der Thematik doch schon etwas weiter sind; denn die Behindertenrechtskonvention ist seit sieben Jahren in Kraft. Kitas, Schulen und Hochschulen haben sich auf den Weg gemacht, und deshalb finde ich einige Stich­punkte grundsätzlicher Art in Ihrem Antrag, in dem es um neue Lernkulturen und meinetwegen auch um eine Enquete-Kommission geht, durchaus diskussionswürdig. Aber das hilft den Schulen, die sich schon auf den Weg gemacht haben, in ihrem Alltag im Moment recht wenig. Deswegen möchte ich drei Anmerkungen zu dem ma­chen, was wir in der Praxis von Inklusion, die wir schon seit einigen Jahren in den Ländern beobachten können, lernen können und was wir umsetzen müssen.

Die erste Anmerkung ist ganz klar: Es ist schon viel geleistet worden. Jedes dritte Kind mit Förderbedarf wird heute im gemeinsamen Unterricht in Deutschland be­schult. Das ist ein Erfolg. Deswegen geht der erste Dank an diejenigen, die sich jeden Tag in ihre Klassen stellen, manchmal auch der Meinung sind, dass die Ausstattung nicht gerade optimal ist, und trotzdem jeden Tag dafür sorgen, dass Kinder gemeinsam beschult werden, dass Chancengleichheit ein Stück näher rückt .

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE])

Da gibt es natürlich auch Unterschiede. Die Pionierlän­der wie Bremen oder Schleswig-Holstein sind schon wei­ter. Sie haben eine Inklusionsquote von über 60 Prozent an Schülern mit Förderbedarf im gemeinsamen Unter­richt. Hessen liegt als Schlusslicht bei gerade einmal gut 20 Prozent. Da gibt es unterschiedlichen Nachholbedarf. Darauf muss man differenziert eingehen.

Zweite Anmerkung: Ja, wir müssen da unterstützen, wo es hakt. Wir müssen die Probleme des Alltags auf­greifen. Ich will dazu zwei Stichworte aufnehmen.

Das erste Stichwort dazu, das Sie im Antrag richti­gerweise nennen, ist die Barrierefreiheit. Dabei geht es um Investitionen in Schulgebäude. Das sind Zukunfts­investitionen. Ich kann mir eigentlich kaum eine bessere Zukunftsinvestition in die Lern- und Lebensbedingungen von jungen Menschen, von Schülerinnen und Schülern vorstellen. Ich glaube, der Bund hat tatsächlich ein biss­chen mitgeholfen, dass in den Ländern Spielraum dafür besteht. Ich denke zum Beispiel an die BAföG-Entlastungen. Das sind jedes Jahr knapp 1,2 Milliarden Euro, die in die Länder fließen und die die Länder – ich bin der Bundesregierung dafür dankbar, dass sie das in einer Un­terrichtung klargestellt hat – genau für Bildung ausgeben. In der Unterrichtung steht, dass die Annahme gestützt wird, dass die freigewordenen Mittel den Bildungs- und Wissenschaftshaushalten der Länder zugutekommen. Ich bin der Bundesregierung dankbar, dass sie diese absurde Diskussion über die Verwendung der BAföG-Mittel da­mit endlich beendet hat. Sie kommen der Bildung zugute.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, auch die Länder machen einiges. Ich will hier nur beispielhaft darauf hinweisen, dass Nord­rhein-Westfalen gestern bekannt gegeben hat, dass in den nächsten vier Jahren zusammen mit der NRW .BANK je­weils eine halbe Milliarde Euro pro Jahr mobilisiert wird, um Schulgebäude in Nordrhein-Westfalen zu moderni­sieren . Ich glaube, das ist genau das richtige Zeichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zweites Stichwort: Ja, gute und überzeugte Lehrerin­nen und Lehrer, Profis für Inklusion sind der Schlüssel für das Gelingen von inklusiver Bildung. Die Länder leisten da sicherlich ganz viel. Das jetzt im Einzelnen aufzuführen, würde zu weit führen. Ich glaube, dass auch der Bund seinen Beitrag dazu leistet. Wir haben mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ein Instrument in der Hand, mit dem wir Innovationen im Bildungswesen an­reizen und Best Practice verbreiten wollen. Tatsächlich ist es so, dass in der ersten Förderrunde neun Projekte bewilligt worden sind, die sich direkt auf Inklusion be- (C) ziehen. 51 von 59 geförderten Projekten beziehen He­terogenität im Unterricht, heterogene Lerngruppen und Inklusion ausdrücklich in ihre Konzepte ein. An dieser Stelle erhoffen wir uns auch für die zweite Förderrunde

eine ganze Menge . Ich glaube, es ist wichtig, dass wir mithelfen, die Lehrerausbildung zu modernisieren. Zu­hören und bei den Alltagsproblemen anpacken – das ist das, was jetzt gefordert wird.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Anmerkung zum Schluss . Ich sorge mich – wie viele andere auch – darum, dass sich kritische Meldungen häufen über die Frage, wie eigentlich Inklusion an Schulen umgesetzt wird und wie sich das Klima an Schulen entwickelt. Ich glaube, wir müssen auf Folgendes hinweisen: Inklusion, inklusive Bildung, das bedeutet einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft – für die Kinder mit Behinderung, weil sie mehr Chancengleichheit bekommen, aber auch für alle anderen, weil sie etwas über soziales Lernen er­fahren, über Diversität in pluralistischen Gesellschaften usw . Wir müssen immer wieder die Akzeptanz aufrecht­erhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen sehen, dass es einen Mehrwert hat. Es lohnt sich, für in­klusive Bildung zu kämpfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])