Für die SPD steht fest, dass es für die CCS-Demonstrationsanlagen höchstmögliche Sicherheits- und Umweltstandards gelten müssen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ja, wir führen heute eine Debatte mit dem Ziel, eine EU-Richtlinie umzusetzen. Wir haben auf EU-Ebene gewisse Vorgaben zum Thema CCS bekommen. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, national zu entscheiden, wie sie mit dem Thema umgehen wollen.

In der Tat kann man manche Ihrer Argumente aufgreifen. Ich will gleich auf einige eingehen. Zunächst will ich inhaltliche Punkte ansprechen, die für die SPD-Fraktion beim Thema CCS von besonderer Bedeutung sind.

Anders als Sie es dargestellt haben, Frau Staatssekretärin, sind wir nicht der Auffassung, dass das Thema CCS zu einem entscheidenden Bestandteil einer Klimaschutzstrategie werden sollte. Wir sind der Auffassung, dass wir alle bereits vorhandenen Instrumente nutzen müssen, um darauf unsere Klimaschutzstrategie aufzubauen.

Das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, muss in jedem Fall ohne CCS erreicht werden, weil diese Technologie zurzeit nicht eingeplant werden kann. Deshalb soll sich an diesem Aspekt alles Weitere orientieren.

Ich kann zu durchaus unterschiedlichen Bewertungen kommen, inwiefern CCS möglicherweise an welchen Stellen gebraucht wird. Sie haben recht: Es gibt durchaus auch Ökoverbände -  Sie haben einen genannt; ich will das Öko-Institut nennen - , die es für möglich halten, dass wir die Minderungsbeiträge, die wir im Laufe der nächsten 40 Jahre leisten müssen, nicht mit anderen Instrumenten erreichen und daher CCS insbesondere für industrielle Prozesse brauchen. Ich kann das heute nicht ausschließen. Wir wissen das nicht.

Von daher gilt: Ja, es ist richtig, in Forschung, Entwicklung und auch in einige Demonstrationsprojekte einzusteigen. Für uns hat aber der Forschungsaspekt Priorität. Ein wesentlicher Forschungsbereich sollte sich dabei der Frage widmen, wie man das abgeschiedene CO2 wiederverwenden kann. Nicht die Verpressung und Speicherung, sondern die Wiederverwendung muss klar im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass dieser Punkt von enormer Bedeutung für die künftige Akzeptanz des Verfahrens sein wird.

Entscheidend ist für uns aber auch, dass die gesetzlichen Regelungen eindeutig erkennen lassen, dass die vorgesehenen CCS-Projekte nur Demonstrationszwecken dienen. In dieser Hinsicht habe ich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf Zweifel. Sie schreiben zwar gleich am Anfang, dass es sich erst einmal nur um Demonstrationsprojekte handeln soll. Das gesamte Gesetz ist aber so angelegt, dass klar zu erkennen ist, dass Sie hier schon Regelungen treffen, die über Demonstrationsprojekte hinausgehen. Ich sage Ihnen ganz klar: Dafür werden Sie die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion nicht erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch ein paar grundsätzliche Punkte ansprechen, über die wir schon zur Zeit der Großen Koalition diskutiert haben. Schon damals gab es unterschiedliche Auffassungen über die zu schaffenden Rahmenbedingungen und Grundlagen. Es müssen höchstmögliche Anforderungen an Sicherheits- und Umweltstandards gestellt werden. Wir wollen Transparenz und Bürgerbeteiligung in den anstehenden Verfahren ebenso wie klare haftungsrechtliche Regelungen und klare Regelungen bezüglich der Nachsorgebeträge.

Ich könnte jetzt viele Punkte nennen, möchte aber nur zwei herausgreifen. Wir teilen die Bedenken einiger Bundesländer   insbesondere des Landes Brandenburg  , die der Meinung sind, dass die vorgesehenen Haftungsregelungen und Versorgungsregelungen nicht ausreichen, dass das alles zu unkonkret ist und dass man vieles in rechtlicher Hinsicht offenlässt. Nach unserer Auffassung ist die vorgesehene Sicherheitsleistung in Höhe von 3 Prozent deutlich zu gering. Sie sehen die Möglichkeit vor, nach 30 Jahren die Verantwortung des Betreibers für die Speicherstätten auf das Land zu übertragen. Diese Zeitspanne ist deutlich zu kurz bemessen. Hier muss es eine andere Regelung geben.

(Beifall bei der SPD)

Der Hauptkritikpunkt betrifft allerdings eine Regelung, die in dieser Form neu ist. Das ist die sogenannte Länderklausel. Das hört sich zunächst nach einem Meilenstein des Föderalismus an. Die Länder dürfen nach gewissen Abwägungen alleine entscheiden, ob sie CCS-Speicher auf ihrer Landesfläche zulassen oder nicht. Für mich ist das kein Akt besonderer Föderalismusfreundlichkeit. Vielmehr dokumentieren Sie im Endeffekt hier Ihre eigene Handlungsunfähigkeit in Berlin. Sie sind nicht in der Lage, eine klare Regelung herbeizuführen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat unterschiedliche Auswirkungen. Auf der einen Seite haben potenzielle Investoren keinerlei verlässliche Planungsgrundlagen. Auf der anderen Seite schieben Sie den Ländern quasi den Schwarzen Peter zu. Frau Reiche, der Bund findet CCS wichtig und gut, traut sich aber nicht, die rechtlichen Grundlagen für entsprechende Speicher zu schaffen. Das sollen die Länder entscheiden. Sie dürfen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, zum Beispiel unter touristischen, abwägen. Ich erwarte aber, dass eine Bundesregierung, die CCS für geeignet hält und für die diese Technologie ein wichtiger Bestandteil der Klimaschutzstrategie ist, sagt, wo gespeichert werden soll. Schieben Sie diese Entscheidung nicht auf die Bundesländer ab!

(Beifall bei der SPD)

Was werden die Länder jetzt machen? Das ist ansatzweise schon zu erkennen. Die Länder müssen jetzt eine Regelung schaffen. Die entsprechenden Entscheidungen werden je nach wahltaktischen und anderen Überlegungen unterschiedlich ausfallen. Entscheidend ist aber die Frage, nach welchen rechtlichen Kriterien entschieden werden soll. Die Landesregierungen müssen nach einer Güterabwägung individuell entscheiden. Wir wissen, wie das im Endeffekt ausgeht. Über jeden Antrag und jedes Verfahren wird gerichtlich entschieden werden.

Kritik kommt aber nicht nur aus den Reihen der Opposition, sondern auch aus Bundesländern, die von Ministerpräsidenten der Union regiert werden. Daher sage ich ganz klar: An dieser Stelle müssen Sie jetzt hier in Berlin Farbe bekennen. Wenn Sie CCS wollen, dann müssen Sie der Speicherung nach bestimmten Kriterien Vorrang einräumen. Wenn Sie CCS nicht wollen, dann könnten Sie Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien, zum Beispiel der Geothermie, Vorrang einräumen. Sie müssen auf jeden Fall klar sagen, welche Projekte Vorrang haben, damit die Länder wissen, wie sie in Zukunft mit möglichen Speicherstätten vor Ort umgehen sollen. Aber in seiner jetzigen Fassung können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Ich will noch eine andere Sache ansprechen, die   wie ich glaube   immer wieder benutzt wird, um die Diskussion in Deutschland in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Mittlerweile sagen selbst Energiekonzerne, CCS für energetische Prozesse werde es in Deutschland wahrscheinlich nicht geben. Nach meiner ganz persönlichen Einschätzung werden wir sie auch nicht brauchen, weil die fossilen Kraftwerke im Rahmen unserer energiepolitischen Strategie bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vom Netz genommen sein werden. Einige sagen, möglicherweise kann Biomethan noch eine Rolle spielen; aber das muss man sehen.

Entscheidend aber ist die Frage, was in den Ländern passiert   Sie haben vorhin einige genannt: Indien und China  , die zurzeit in hoher Zahl zusätzliche Kohlekraftwerke bauen. Wir wissen alle, dass sie beim Klimaschutz enorme Probleme haben werden. Muss man daher nicht auch Möglichkeiten schaffen, dass sie in die Lage versetzt werden, CCS einzusetzen? Ich bin insofern bei Ihnen, als ich der Meinung bin: Wir müssen da helfen, damit die Energieversorgung in diesen Staaten CO2-ärmer wird. Das heißt für mich aber, dass wir nicht nur Technologien erforschen müssen, die vielleicht in 15 Jahren einsetzbar sind, um dann Fehler beispielsweise beim Bau von Kohlekraftwerken sozusagen wieder einzufangen, sondern dass wir jetzt Technologien liefern müssen, die schon heute CO2-frei sind. Auf diesem Gebiet haben wir schon enorme Erfolge. Das sollte doch die Strategie unserer Energieaußenpolitik sein.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Börnsen hat das Bedürfnis, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.

Dirk Becker (SPD):

Ja, bitte.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):

Herr Kollege, Ihre Ausführungen verunsichern mich ein wenig.

Dirk Becker (SPD):

Das tut mir leid.

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):

Das können Sie nachher abstellen.

Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass wir   wie auch im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen   die Wiederverwendung von CO2 verfolgen sollten. Der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel hat sich vor zwei Jahren an dieser Stelle mit Vehemenz für CCS eingesetzt.

(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ministerpräsident Carstensen aber nicht!)

Ich frage mich, wie es bei Ihnen zu dieser Richtungsänderung kommt, zumal die Bundesregierung nicht mehr eine Gesamtlösung favorisiert, sondern nur noch ein Demonstrationsprojekt realisieren will, damit wir unter den Gesichtspunkten der Gefahrenproblematik und der Wirtschaftlichkeit eine Lösung finden können. Wie kommt es also, dass Sie jetzt drei Schritte zurückgehen und gar nicht mehr für CCS eintreten?

Da meine Kollegin von den Grünen mich gerade daran erinnert hat, dass sich hierzu der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein derart geäußert hat, das sei mit ihm nicht zu machen, muss ich bemerken: Es war der damalige Umweltminister, der gesagt hat: Gut, dann stecken wir diesen Entwurf wieder in die Kiste und machen etwas Neues; dann müssen aber auch die Länder Vorschläge machen.

Die Länder haben Vorschläge gemacht. Sie haben querbeet, A- wie B-Länder, gesagt: Wir möchten gern beteiligt werden, weil das ein Bürgerrecht ist. - Jetzt haben wir diese Beteiligung. Stimmen Sie mit mir darin überein?

Dirk Becker (SPD):

Das war jetzt eine Reihe von Fragen. Ich möchte mit der ersten Frage anfangen.

Ich möchte klarstellen, dass ich nicht gesagt habe, ich sei gegen CCS. Ich habe deutlich gemacht, dass ich bei industriellen Prozessen sehr wohl eine große Notwendigkeit für den Einsatz sehe, dass ich aber die Erforderlichkeit für den energetischen Bereich anzweifle. Trotzdem müssen wir alles tun, um die Technologie zu erforschen   mit einem Schwerpunkt auf Wiederverwertung und nicht auf Verpressung. Das noch einmal zur Klarstellung meiner Position.

Was Sigmar Gabriel angeht: Herr Börnsen, Sie sind ja auch schon ein alter Hase, wenn ich das einmal so sagen darf. Sie wissen, wie das in der Großen Koalition gelaufen ist. Es gab die Vereinbarung, gemeinsam ein CCS-Gesetz zu verabschieden. Dieses Vorhaben entstand nicht im luftleeren Raum; ich habe eben auch schon die europäischen Vorgaben angesprochen. Dann gab es Verhandlungen zwischen der Union und der Bundestagsfraktion der SPD.

Ich nenne Ihnen nur einige Punkte, die wir jetzt wiederfinden. Das ist zum Beispiel die Frage der Haftungsbeschränkung oder die Frage, nach wie vielen Jahren die Verantwortung übergeben werden kann.

Wir haben damals auch im Interesse der öffentlichen Haushalte versucht, die Situation zu verbessern und die Verpflichtungen der Speicherbetreiber heraufzusetzen. Das alles hat Ihre Fraktion verhindert. Es ist ja nicht so, dass sich damals Sigmar Gabriel hier hingestellt und gesagt hat: Ich bin Umweltminister und mache das so, wie ich es mir vorstelle. - Hätte er all das machen können, was er gewollt hätte, hätten wir in den vier Jahren der Großen Koalition noch mehr erreicht. Sie haben an vielen Stellen gebremst.

Der entscheidende Punkt ist aber - auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu -: Herr Kauder und Herr Großmann haben ein halbes Jahr vor der Wahl gesagt: Die Pläne zum Thema CCS lassen wir jetzt ganz fallen. - Denn Herr Großmann hatte damals die Vorstellung, dass eine mögliche neue Koalition nicht nur ein Gesetz für die Laufzeitverlängerung, sondern auch ein Gesetz für CCS verabschiedet, welche seinen Vorstellungen entsprechen. Das war damals so.   So viel zur Erläuterung dessen, was in der Großen Koalition abgelaufen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich sage an dieser Stelle abschließend ganz klar: Ich will nicht, dass man nun aus der zu befürchtenden Sorge einiger Menschen in diesem Land, was die Verpressung von CO2 angeht, die man ja sachlich diskutieren kann und diskutieren muss, das Thema CCS komplett diskreditiert. Aber es gibt gewisse Rahmensetzungen   ich habe einige für die SPD-Fraktion genannt  , die für uns ganz entscheidend sind, um dann einem solchen Gesetzentwurf auch zustimmen zu können.

Zum Thema Länderklausel   Entschuldigung, ich habe das eben nicht beantwortet; ich wollte der Frage nicht aus dem Weg gehen  : Ja, wir sind für die Beteiligung der Länder, ja, wir sind dafür, dass man die Länder anhört, ja, wir sind dafür, dass man auch die Meinung der Länder einfließen lässt. Wir sind aber auch dafür, dass man dann ein Bundesgesetz schafft, das der Absichtserklärung der Bundesregierung entspricht, indem man sagt: Wir wollen CCS, und es wird nach den von uns festgelegten Kriterien umgesetzt.   Jetzt wird es in die Beliebigkeit der Länder gestellt, die je nach Wahltermin und parteitaktischen Dingen sagen: „Jetzt wollen wir es mal gerade nicht“, und nach der Wahl wollen sie es wieder. So kann es nicht funktionieren.

Ich bitte Sie einfach, gerade auch bei diesem Punkt nachzusteuern und Ihrer Verantwortung als Bundesregierung nachzukommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)