Die Lage in Darfur ist verheerend: seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzung gab es schätzungsweise 300 000 Tote, 2,4 Mio. Menschen sind auf der Flucht und immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen.
Eine Verlängerung des VN-Friedenseinsatz in Darfur (UNAMID) ist daher zwingend notwendig, damit ein Friedensprozess überhaupt möglich wird. Deutschland muss hier seiner Verantwortung gerecht werden. Aus diesem Grund soll das Mandat zunächst bis zum 31.12.2015 verlängert werden.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Egal ob in Neu-Ulm, Berlin oder al-Faschir, egal ob, Frau Präsidentin, in Illertissen, Babenhausen oder Nyala, eines vereint die Menschen überall: Sie wollen und brauchen eine Perspektive. Sie wollen wissen, dass das, was sie heute tun, auch morgen noch Bestand hat, und sie wollen, dass es ihren Kindern und ihrer Familie gut geht. Sie wollen ihre Wünsche, Meinungen, Ideen und Pläne offen und ohne Druck leben. Wenn wir heute allerdings den Blick auf Darfur werfen, blicken wir dabei – so möchte ich sagen – fast in ein dunkles Loch.
Und doch ist dieses Land unserem Blick fast entschwunden. Die Gier nach Sensation lenkt den Blick auf Syrien, den Irak, die Ukraine, die Angst um Ebola den Blick weg vom täglichen Leid, von der Perspektivlosigkeit und von Angst und Schrecken in Darfur. Und doch: Die humanitäre Lage in der Region ist unverändert dramatisch. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen 2003 sind schätzungsweise 300 000 Menschen ums Leben gekommen. Die UNO vermutet über 2,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Sudan ist das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen schlechthin, ein Land, in dem seit 1999 wachsende Einnahmen aus der Erdölförderung wirtschaftliche und machtpolitische Konflikte entfachen. Man könnte fast sagen: Nicht Armut, sondern Gier ist die Triebfeder, die das Land auseinanderdriften lässt, ein Land, in dem ethnische Konflikte und politische Auseinandersetzungen stets angeheizt werden und in dem durch selbsternannte Befreiungsarmeen, zahlreiche Splittergruppen und nicht zuletzt den Staat Menschen instrumentalisiert werden.
Es wurde sprichwörtlich mehr Öl ins Feuer gegossen, als Löschmittel zur Verfügung stehen könnten. Darfur ist ein Land, in dem die regierungsnahen Milizen Menschenrechtsverletzungen begehen, Frauen und Mädchen vergewaltigen, ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachen und Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertreiben. Ich könnte die Aufzählung noch ewig weiterführen mit dem vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verurteilten Präsidenten, mit der herrschenden Kriminalisierung, mit Straftaten gegen sexuelle Minderheiten und Homosexuelle, mit Entführungen und Gewalt, der sich auch unsere westlichen Helfer und NGOs ausgesetzt sehen.
Fest aber steht: Der Sudan ist ein Land, das vor sich selbst flüchtet und keine Perspektiven und schon gar nicht die Sicherheit schafft, die Menschen benötigen. Dies ist nicht Schwarzmalerei, sondern bittere Realität. Das konnte ich vor wenigen Tagen von Hilde Johnson – bis Juli Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für den Südsudan – persönlich erfahren.
Erlauben Sie mir eine Bemerkung am Rande: Wenn der Sudan es mit über 2 Millionen Binnenflüchtlingen zu tun hat, dann sollten wir angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen in Europa und Deutschland genug Mut haben, einigen Tausend Menschen den Neuanfang zu ermöglichen, die vor dem Schrecken und Morden des IS geflohen sind. Das wäre auch Verantwortung.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, trotz vielfältiger Bemühungen konnten die Kämpfe in Darfur nicht beendet werden, geschweige denn ein dauerhafter Frieden etabliert werden. Absprachen werden, soweit sie überhaupt getroffen werden konnten, von allen Seiten gebrochen. Manchmal übermannt einen in dieser Situation der Wunsch, wie bei einem abgestürzten Rechner den Reset-Knopf zu suchen und alles wieder auf Neuanfang, auf Start zu stellen, in der Hoffnung, beim zweiten Anlauf wird es besser. Das geht jedoch nicht; so funktioniert die Welt nicht. Eine politische Lösung ist daher nach meiner Auffassung unabdingbar. Und die internationale Gemeinschaft muss vor Ort sein. Unsere Unterstützung ist unabdingbar. Hier müssen wir Verantwortung übernehmen.
Deswegen haben wir 2007 deutsche Soldatinnen und Soldaten sowie Polizistinnen und Polizisten dorthin geschickt. Sie sind Teil der vom Sicherheitsrat entsandten Friedenstruppe UNAMID. Sie sollen Zivilisten schützen, humanitäre Hilfe erleichtern, humanitäre Helfer sichern und die Friedensverhandlungen unterstützen. Keine leichte Aufgabe. Aber sie übernehmen Führungsaufgaben, beraten, geben technische Unterstützung und bilden die truppenstellenden Nationen aus.
Das Ganze, meine Damen und Herren, ist jedoch kein Selbstläufer. Unsere Leute versuchen, stabile Strukturen, Sicherheit zu schaffen. Das zarte Pflänzchen eines gemeinsamen nationalen Dialogs gibt es bereits. Kann es wachsen? Die Umsetzung des Doha-Friedensabkommens von 2011 geht langsam voran. Ob dies Anlass zur Hoffnung gibt, sei nach all den Rückschlägen dahingestellt. Bei einem bin ich mir aber sicher: Wenn ein möglicher Friedensprozess auch nur annähernd in Gang kommen soll, dann muss die humanitäre Notlage in Darfur dringend gelöst werden.
UNAMID läuft übrigens nicht immer so rund, wie wir es uns wünschen; das haben die Vorredner bereits angesprochen. Die Kommunikation ist nicht gerade ideal. Das, was UNAMID vor Ort leisten kann, ist verbesserungsbedürftig. Aber sicherlich wird niemand erwarten, dass UNAMID und Deutschland alle Probleme dieser Welt lösen. Dennoch sollten wir den Mut haben, zu sagen, was wir eigentlich wollen: Ganz konkret Verantwortung übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das UNAMID-Mandat ist konkrete deutsche Verantwortung, ein Versuch zur Konfliktlösung im Sudan. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen zu dieser Verantwortung.
Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen den deutschen Soldatinnen und Soldaten, den Polizisten, den Militärbeobachtern und den Stabsoffizieren ein herzliches Dankeschön für ihren Dienst sagen. Genauso möchte ich allen Hilfsorganisationen, den vielen ungenannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Sudan unter schwierigsten Bedingungen ihre Aufgabe erfüllen, meinen Respekt und Dank aussprechen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die SPD stimmt der Mandatsverlängerung zu.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)