Was als Auseinandersetzung zwischen Präsident und Vizepräsident angefangen hat, hat sich schnell militarisiert, als sich Teile der Streitkräfte auf verschiedene Seiten geschlagen haben. In der Folge steht der Südsudan, dieser junge Staat, der 2011 in die UN-Familie aufgenommen wurde, derzeit dem Scheitern näher als der erfolgreichen Staatsbildung. Perfiderweise wurden politische Konflikte mittlerweile auf die Ebene des Zusammenlebens unterschiedlicher Volksgruppen verschoben. Und inzwischen ist der Konflikt zu einem Bürgerkrieg zwischen zwei Ethnien, den Nuer und den Dinka, geworden, der die Gesellschaft des Südsudan zerrissen hat. Die Folgen: Hunderttausende Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, und viele Ausländer haben das Land verlassen. Hunger geht um und bedroht nach Oxfam-Schätzungen bis zu 2 Millionen Menschen. Vergewaltigungen und der Einsatz von Kindersoldaten sind alltäglich geworden. Gleichzeitig wird der Südsudan massiv beeinflusst von den Interessen größerer Nachbarstaaten, was eine diplomatische Lösung nicht unbedingt erleichtert.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat auf diese Entwicklung entsprechend reagiert und den Fokus von UNMISS in der Resolution 2155 angepasst: Der Auftrag von UNMISS ist nun verstärkt der bessere Schutz von Zivilisten, von Flüchtlingen, von humanitären Helferinnen und Helfern. Die Zahl der Blauhelmsoldaten im Land wird auf 12 500 erhöht. Damit bewegt sich UNMISS vom ursprünglichen Auftrag, festgelegt in der Resolution 1996, ein gutes Stück weit weg. Nach dieser Resolution sollte UNMISS nämlich der Unterstützung des Südsudans beim Aufbau staatlicher Institutionen dienen. Dass dieser Wechsel notwendig geworden ist, ist zutiefst bedauerlich. Dass auf eine verschlechterte Situation reagiert wird, ist allerdings nachvollziehbar. Die Verschiebung der Konfliktlinie auf die Ebene der ethnischen Zugehörigkeit erschwert die Konfliktbewältigung in besonderer Weise. Selbst wenn es zu einem politischen Friedensschluss kommt, werden die zwischen den Volksgruppen aufgerissenen Gräben noch lange wahrgenommen werden. Zu viel Blut ist dafür mittlerweile geflossen.
So wurde erst im April dieses Jahres – der Staatssekretär hat es berichtet – ein Lager der Vereinten Nationen in der Stadt Bor angegriffen. In diesem Lager lebten 5 000 Flüchtlinge, als eine Gruppe von Männern, die vorgeblich eine Friedenspetition übergeben wollten, plötzlich das Feuer auf unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder eröffnete. Dabei starben 48 Menschen. Und diese Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaubten sich bereits in Sicherheit. Auch diese neue Form der Brutalität zwingt uns dazu, weiterhin Verantwortung zu übernehmen. Meine Damen und Herren, ein Abflauen der Kampfhandlungen im Südsudan, wie es in den vergangenen Wochen feststellbar war, zeigt nach Einschätzung der Mehrzahl der Experten leider keine Entspannung der Situation. Dies ist vielmehr jahreszeitlich bedingt. Die Regenzeit hat Teile des Landes unpassierbar und für größere militärische Kampagnen ungeeignet gemacht. Aber die Regenzeit endet in diesem Monat. Vor diesem Hintergrund, Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Aufgabe am heutigen Abend, über eine Verlängerung des Mandats zur deutschen Beteiligung an UNMISS zu entscheiden.
Mit unserem deutschen Beitrag übernehmen wir dabei Verantwortung. Derzeit tragen 16 Soldaten und 7 Polizisten vor Ort zum Schutz von Zivilpersonen und humanitären Helferinnen und Helfern bei. Dabei handelt es sich nicht um kämpfende Einheiten, sondern um solche, die Führungs- und Unter-stützungsaufgaben wahrnehmen und ihren internationalen Kameradinnen und Kameraden bei technischer Ausstattung und Ausbildung helfen. Die Kosten für diesen Einsatz – für das kommende Kalenderjahr auf etwa 1 Million Euro beziffert – sind zu vernachlässigen angesichts dessen, was durch UNMISS erwirkt werden kann und was UNMISS in der Tat bereits geleistet hat. Ich bin dem deutschen Kontingent für die Erfüllung der dortigen Aufgabe sehr dankbar. Sie sind nicht nur umgeben von schrecklichem menschlichen Leid, sondern arbeiten dort gemeinsam mit vielen anderen Nationen daran, ein Land aufzubauen, das eine gute Zukunft mehr als verdient hat. Lassen Sie uns mit der heutigen Entscheidung auch ein Signal der Unterstützung für die Polizisten und Soldaten vor Ort geben. Das haben sie mehr als verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir alle wissen – da stimme ich Herrn van Aken zu –, dass militärisches Engagement diesen Konflikt nicht beenden wird. Die Ursachen des Konflikts sind viel zu differenziert, historisch zu tief verwurzelt und regional zu weit verteilt. Zur Lösung des Konflikts sind diplomatische Initiativen, die auch auf die Anrainerstaaten des Südsudan und deren Partikularinteressen eingehen, sehr notwendig. Zu einer dauerhaften Verbesserung der Lage der Menschen im Südsudan ist der Aufbau eines funktionierenden und demokratischen Staatswesens, ja von Institutionen und Strukturen notwendig. Diese müssen kommen, und dazu wird auch unser Land einen wichtigen Beitrag leisten. Davon bin ich fest überzeugt. Für mich ist die Beteiligung an dieser Mission auch ein gutes Beispiel. Die Beteiligung zeigt, was mit den schwierigen Worten „Verantwortung in der Welt“ gemeint sein kann. Dies bedeutet eben nicht nur mehr Kampfeinsätze, sondern vor allem humanitäre Verantwortung, Unterstützung beim Aufbau von Staaten und Hilfe zur Selbsthilfe sowie gleichzeitig – das darf auch nicht vernachlässigt werden – Schutz von Menschen, die Hilfe geben wollen. Auch deshalb bitte ich Sie, der Mandatsverlängerung zuzustimmen.
Erlauben Sie mir, einen letzten Aspekt hinzuzufügen. Die Bevölkerung im Südsudan hat ein Trauma erlitten, dessen Folgen noch in Generationen spürbar sein werden. Daher müssen die Menschen, die unter diesem Konflikt gelitten haben, dringend auch Zugang zu Betreuungsmechanismen bekommen, welche helfen, die zwischenmenschlichen Konflikte zu lösen. Institutionen der Aussöhnung zwischen den Ethnien und den Bürgerkriegsparteien müssen gebildet und unterstützt werden, um zu verhindern, dass aus Feindschaft Tradition wird. Gerade wir Europäer können auch in diesem Jahr deutlich bestätigen, wie wichtig ein solcher Prozess ist. All dies muss geleistet werden, damit die Menschen im Südsudan eine Zukunft haben, an der sie arbeiten können, anstelle einer Gegenwart, in der sie kämpfen müssen. Dafür braucht es zunächst jedoch Sicherheit und Stabilität. Hier sind wir an dem Punkt angekommen, wo unsere Zustimmung zum Mandat wichtig wird. Was militärisches Engagement nämlich leisten kann und derzeit dringend leisten muss, ist der Schutz der Bevölkerung, die allein durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen unfreiwillig zu Bürgerkriegsparteien geworden sind. Diese Menschen haben sicher kein Interesse daran, dass ihr gerade einmal drei Jahre altes Heimatland verwüstet und auseinandergerissen wird. Für diese Menschen wollen wir gemeinsam mit anderen Nationen eine Umgebung errichten, in der ein friedvolles Zusammenleben möglich ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nach derzeitigem Stand nicht wahrscheinlich, dass der Konflikt im Südsudan den Rest der Region in Flammen setzt. Die Welt der Menschen im Südsudan selbst steht aber bereits in Flammen. Auch für diese Menschen bitte ich heute um Ihre Zustimmung zur Verlängerung des Mandats für den deutschen Beitrag zu UNMISS. Ein Sprichwort aus der Region lautet: Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.
Vielen Dank.