Dr. Sascha Raabe (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Niebel, Ihre Bilanz ist be­schämend.

(Lachen bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben die Mittel für die ärmsten Menschen dieser Welt gekürzt. Sie haben die Hoffnungen der ärmsten Menschen dieser Welt enttäuscht. Wer das tut, der spart zulasten derjenigen, die sich nicht wehren können. Sie haben durch das Brechen der internationalen Zusagen Deutschlands Ansehen beschädigt. Sie sind der mit Ab­stand schlechteste Entwicklungsminister, den dieses Land jemals hatte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – La­chen bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie doch sel­ber nicht!)

Wir als Bundesrepublik Deutschland haben uns im Jahr 2005 – vorher waren das nur Absichtserklärungen – international verpflichtet, die Mittel für die Entwick­lungszusammenarbeit bis zum Jahr 2010 auf 0,51 Pro­zent und bis 2015 auf 0,7 Prozent zu steigern. Da steht auch die Kanzlerin im Wort. Herr Minister, wir haben in Ihrer Amtszeit in den letzten vier Jahren einen Aufwuchs von insgesamt nur 337 Millionen Euro gehabt, 2013 so­gar Kürzungen. Es gab allein im Jahr 2009, dem letzten Jahr Ihrer Vorgängerin, einen Aufwuchs von 680 Millio­nen Euro. Das heißt, Sie haben in vier Jahren weniger als die Hälfte geschafft als Heidemarie Wieczorek-Zeul in (C) einem Jahr.

In Ihrem Weißbuch wenden Sie einen Taschenspielertrick an. Sie haben nämlich am Ende des Jahres 2009 Hunderte Millionen Euro, die im Haushalt zur Verfü- gung standen, nicht mehr ausgegeben, um die ODAQuote künstlich herunterzurechnen. Sie haben das Geld erst 2010 ausgegeben. Jetzt tun Sie so, als wäre die ODA-Quote um 17 Prozent gestiegen. Das ist lächerlich. Das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen. Fakt ist: 2012 lag die ODA-Quote nur bei 0,38 Prozent. Wenn man Ihre Aussage, die Sie in einem offiziellen Papier, dem Weißbuch, vorlegen, nämlich dass die Bundesregierung daran festhält, bis 2015 auf eine ODA-Quote von 0,7 Prozent zu kommen, ernst nimmt, dann bedeutet das – das weiß jeder hier im Raum – 10 Milliarden Euro Aufwuchs in zwei Jahren. Gleichzeitig legen Sie, Herr Minister, diesem Parlament einen Haushaltsplan der Bundesregierung vor, in dem Sie bis 2015 noch Kürzungen von 172 Millionen Euro vorsehen. Das ist Tarnen, Tricksen, Täuschen, Verniebeln, Herr Minister. Das ist unanständig. Sie haben Ihr Wort gebrochen. Stehen Sie auch dazu!

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Kanzlerin steht hier im Wort. Sie hat auf vielen internationalen Veranstaltungen, auf Kirchentagen immer wieder gesagt: Ich persönlich als Kanzlerin stehe dazu, dass wir nicht bei der Milliarde Menschen, die in Hunger und extremer Armut lebt, sparen. Ich stehe dazu, dass wir die Mittel, wie international versprochen, steigern. – Da bin ich wirklich sehr enttäuscht. Sie hat es uns im Ausschuss noch einmal versichert. Sie hat ihr Wort gebrochen. Sie hatten neben der Steigerung der Mittel noch ein zweites Ziel, das Sie klar verfehlt haben: mehr Effizienz, Wirksamkeit und Qualität. Sie versuchen jetzt immer, Ihre magere finanzielle Bilanz zu beschönigen. Da muss man dann auch einmal schauen, wie Sie dieses Ziel umgesetzt haben. Anstatt eine moderne, mit anderen Gebern koordinierte internationale Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben, machen Sie in erster Linie deutsche Projektitis. Sie sagten ja auch gerade, dass deutsche Interessen wichtig sind, also reine deutsche Außenwirtschaftsförderung als Mittel der Armutsbekämpfung. Sie wollen überall deutsche Fähnchen sehen. Da sage ich Ihnen, Herr Minister: Natürlich haben auch wir Interessen. Aber unser Interesse ist es, den ärmsten Menschen dieser Welt zu helfen, und nicht, dass die deutsche Wirtschaft möglichst viele Projekte bekommt. Deswegen sagen wir an dieser Stelle: Werte- und interessengeleitete Politik in der Entwicklungszusammenarbeit muss sich immer an den Ärmsten der Armen orientieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gab aber, Herr Minister, noch ein drittes Ziel, das nicht im Koalitionsvertrag steht, den Sie immer zitieren, das Sie als FDP aber in den Koalitionsverhandlungen be­schließen wollten. Das geht aus einem FDP-Papier zu den Koalitionsverhandlungen hervor. Darin hat Ihre Par­tei geschrieben: Die FDP muss Schlüsselpositionen im BMZ besetzen; denn im Gegensatz zu anderen Politikbe­reichen kann die FDP in der Entwicklungszusammenar­beit verschiedene Themen, ohne ideologische Kämpfe führen zu müssen, liberal besetzen. Es gibt kaum ein Ministerium, welches derart viele personelle Besetzun­gen zu bestimmen hat. – Dann wird genau aufgelistet, wie dieser Plan in der Regierung umzusetzen ist, damit gewährleistet wird, dass die freien Stellen durch das BMZ künftig mit Liberalen besetzt werden. In Punkt 6 geht das sogar so weit – damit kommen wir zu dem wah­ren Hintergrund Ihrer viel gelobten Strukturreform –: Die Durchführung der kleinen Reformlösung zur Zusammenlegung der deutschen Technischen Zusam­menarbeit muss auf ranghöchster Ebene mit Liberalen besetzt werden. – Dabei handelt es sich um die Zusam­menlegung von GTZ, DED und InWEnt mit 14 882 Mit­arbeitern.

Herr Minister, während Sie die ersten beiden Ziele klar verfehlt haben – Schulnote 6! –, haben Sie Ihr drit­tes Ziel leider voll erreicht. Sie sind hier rigoros vorge­gangen, indem Sie gleich als Erstes Ihr Bundesministe­rium von drei auf fünf Abteilungen aufgebläht haben, und während es unter Ihrer Vorgängerin von den drei Abteilungsleitern zwei gab, die parteilos waren, und nur einen mit SPD-Parteibuch, haben Sie von diesen fünf aufgeblähten Abteilungen vier mit FDP-Leuten und ei­nen mit einem CDU-Parteibuch besetzt, darunter auch

die Abteilung „Planung und Kommunikation“, die Sie neu geschaffen haben und die eine mit Steuergeldern fi­nanzierte Wahlkampfzentrale der FDP ist.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Diese beispiellose Vetternwirtschaft brachte selbst die CDU-Kollegin Sibylle Pfeiffer und ihre Arbeitsgruppe auf die Palme. Sie schrieb einen Brief an die Kanzlerin, in dem sie beklagt, dass es „eine Förderung von FDP-na­hen Personen – und dies nur bei untergeordneter Beach­tung ihrer fachlichen Eignung“ gebe, dass dies weit über das übliche und vertretbare Maß hinausgehe und der Boulevard diese Personalpolitik wahrscheinlich als gut dotierte Versorgungsposten für Parteimitglieder bezeich­nen werde. Nachdem der Brief öffentlich geworden ist, war das Frau Pfeiffer peinlich; sie hat Ihnen in Nibelun­gentreue wieder zur Seite gestanden. Fakt ist aber nun einmal, dass leider stimmt, was Sie geschrieben haben.

(Beifall bei der SPD – Sibylle Pfeiffer [CDU/ CSU]: Das ist aber jetzt falsch zitiert! Wenn Sie zitieren, dann auch richtig!)

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Personalrat hat das jedes Jahr in seinen Tä­tigkeitsberichten angeprangert. Nun wird der Minister aber sogar an die Verfassung erinnert. In der letzten Rede im Jahr 2012 hat der Personalrat, an Sie gewandt, gesagt: Es gilt nicht mehr der alte Grundsatz „Leistung lohnt sich“. Ich fordere die politische Leitung und die Verwaltung dringend auf, bei der Personalrekrutierung und -entwicklung wieder zu den Verfassungsgrundsätzen

der Chancengleichheit beim Zugang zum öffentlichen (C) Amt, der Bestenauslese und der Förderung nach eigenen Leistungen und Fähigkeiten, zurückzukehren. – Wir fordern Sie ebenfalls auf, Herr Minister, dazu zurückzukeh­ren, die Stellen nach Leistung und nicht nach Parteibuch zu besetzen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Sind die acht Minuten noch nicht um?)

Ihren guten Parteifreund und Buddy Tom Pätz haben Sie ganz nach oben gezogen. Erst hat er im Range eines Abteilungsleiters die Fusion moderieren dürfen. Dann haben Sie ihm einen entfristeten Arbeitsvertrag gegeben, damit er für immer einen Rentenposten im BMZ hat, und ihn auch noch in den GIZ-Vorstand berufen. Ich bin ja froh, dass in Ihrer eigenen Partei noch jemand den Mut hat, sich dagegen zu wehren, und Ihr Haushälter Herr Koppelin im Aufsichtsrat verhindert hat, dass er noch eine Gehaltserhöhung bekommt. Herr Koppelin hat ge­sagt, Tom Pätz sei eine Pfeife. Ich denke, an dieser Stelle hat er leider recht; denn wenn jemand nur aufgrund sei­nes Parteibuches an eine so hochbezahlte Stelle kommt, dann ist es gut, dass Ihre eigene Partei die rote Karte zeigt.

Ich finde Ihr Verhalten empörend, weil Sie damit die Leistungen der vielen guten Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter im Ministerium und in den Durchführungsorgani­sationen schlechtmachen. So demotivieren Sie die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie reisen durch die ganze Welt und erzählen anderen etwas von guter Regierungs­führung; gleichzeitig benehmen Sie sich hier wie ein Au­tokrat, der – schlimmer noch als die CSU in Bayern – seine Parteifamilie im Ministerium unterbringt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Joachim Spatz [FDP]: Haben Sie noch etwas anderes?)

Da Sie immer von Werten und Werteorientierung sprechen, Herr Minister: Ich würde Sie bitten, diese Werte bei sich anzulegen, aber auch bei den Partnerlän­dern. Da, wo Großgrundbesitzer geputscht haben, ob das in Honduras oder in Paraguay gewesen ist, haben Sie nichts gesagt und haben sich zurückgehalten. Aber bei anderen Partnerländern verfahren Sie ganz anders; da machen Sie große Unterschiede.

Ich sage, Herr Minister: Wenn man sich zurückerin­nern wird, dann werden aus Ihrer Amtszeit anstatt Spu­ren im Sand nur zwei Dinge bleiben: eine alberne Mili­tärmütze und ein fliegender Teppich. Das werden wir nicht vermissen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Wie hieß die Vorgängerin?)