Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise vom Herbst 2008 forderten die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen der G 20-Gipfel des Jahres 2009 in London und Pittsburgh eine nachhaltige Stärkung der Widerstandskraft des Bankensystems. Das wird durch höhere Anforderungen an die Qualität, die Quantität und die internationale Vergleichbarkeit der Eigenmittel erreicht. Weiter werden für die Banken neue Liquiditätsregeln geschaffen, die im Krisenfall die Zahlungsfähigkeit der Banken sicherstellen.
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlichte in Erfüllung eines entsprechenden Arbeitsauftrags im Dezember 2010 eine Empfehlung für neue Eigenkapital- und Liquiditätsstandards für international tätige Banken (Basel III). Der Inhalt der Empfehlung wurde zuvor von den Staats- und Regierungschefs auf dem G 20-Gipfel am 11./12. November 2010 in Seoul gebilligt. Es sollen folgende Ziele erreicht werden:
- Erhöhung der Widerstandskraft der Banken in Krisenfällen und Stresssituationen im Finanzsektor und in der Wirtschaft, - Verbesserung des Risikomanagements der Banken, - Erhöhung der Transparenz und Verbesserung der Offenlegungspflichten der Banken. Um diese Empfehlungen auch auf europäischer Ebene umzusetzen, haben das Europäische Parlament und der Rat auf Vorschlag der Europäischen Kommission eine grundlegende Neugestaltung des EU-Bankenaufsichtsrechts vorgenommen.
Link zum Video für Apple-Anwendungen
Manfred Zöllmer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Basel III ist ein dringend notwendiges Regelwerk zur Stabilisierung des Finanzsystems. Es ist notwendig, weil der Verlauf der Finanzmarktkrise gezeigt hat, dass eine verbesserte Ausgestaltung der Banken mit Eigenkapital dringend erforderlich ist, um die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zu verbessern. Eigenkapital stabilisiert, mehr Eigenkapital bedeutet aber auch weniger Geld für riskante und spekulative Geschäfte. Basel II, das Vorläufermodell, hatte die Weichen in die falsche Richtung gestellt. Danach ist es de facto zu einer geringeren Eigenkapitalunterlegung gekommen, da die Regelung es den Banken erlaubt hat, Risiken mit eigenen Modellen zu bewerten und zu gewichten und die Risikobewertungen auf Ratingagenturen zu verlagern. Der Verlauf der Finanzmarktkrise hat gezeigt: Dies war ein falscher Weg. Das musste korrigiert werden.
(Beifall bei der SPD)
Die G 20 hatte deshalb schon 2009 in London und Pittsburgh gefordert, durch die Erhöhung der Quantität und der Qualität des Eigenkapitals bei verbesserter internationaler Vergleichbarkeit der Eigenmittel die Liquidität des Bankensystems weltweit zu stärken und damit die Widerstandskraft des Systems gegen Krisen zu verbessern. Kernpunkte waren höhere Eigenkapitalanforderungen mit einem Zuschlag für systemrelevante Banken, neue Definitionen zur Qualität des Eigenkapitals und eine nicht risikobasierte Schuldenobergrenze, im Englischen: Leverage Ratio. Diese Leverage Ratio soll allerdings noch nicht verbindlich sein. Wir hoffen aber, dass sie in absehbarer Zeit endlich verbindlich eingeführt wird. Kapitalpuffer sollen eingeführt werden, damit die Banken auch in schwierigen Situationen über ausreichend Liquidität verfügen.
Eigentlich hätten wir hier heute über einen Gesetzentwurf zur Umsetzung von Basel III diskutieren sollen. Das steht ja auf der Tagesordnung, und wir haben auch ein dickes Paket von 184 Seiten Gesetzestext auf den Pulten liegen. Eine ganze Reihe bestehender Gesetze wird geändert: Pfandbriefgesetz, Kreditwesengesetz bis hin zum Gesetz über die Landwirtschaftliche Rentenbank, worüber ich mich schon gewundert habe. So weit, so gut. Wer aber in den Gesetzentwurf hineinschaut, stellt fest: An den wirklich wichtigen Punkten finden Sie genau dieses, nämlich Punkte und keine Inhalte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Werk sollte eigentlich am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Es ist aber nicht fertig. Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen in Brüssel bisher nicht vermocht, ein Ergebnis zu erzielen.
(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Na, na, na! Björn Sänger (FDP): Mein Gott!)
Herr Flosbach, das ist eine Tatsache, entschuldigen Sie. Oder wie soll man es nennen, wenn die eigene Zielsetzung nicht erreicht wird?
Es gibt eine Reihe von strittigen Punkten in diesem sogenannten Trilog auf europäischer Ebene. Alle Beteiligten bemühen sich, zu einem Ergebnis zu kommen, aber eine ganze Reihe sehr wichtiger Fragen ist noch offen. Dabei geht es zum Beispiel um die Liquiditätssicherung, die Eigenkapitaldefinition oder die Managergehälter. Das sind für uns zentrale Punkte, die geregelt werden müssen. Erst dann können wir die Qualität dessen, was letztendlich in Kraft treten soll, auch wirklich bewerten.
Wir können über die Umsetzung von Basel III heute gar nicht substanziell debattieren, weil wir nur eine Verpackung, aber noch keinen Inhalt vorliegen haben.
(Beifall des Abg. Dr. Carsten Sieling (SPD))
Deshalb ist meine Bitte an die Bundesregierung: Tun Sie in der Öffentlichkeit doch bitte nicht so, als würden bereits jetzt strengere Eigenkapitalregeln umgesetzt. Das ist nicht der Fall.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Auf den Ärger mit den Briten will ich gar nicht eingehen. Eine interessante Frage hinterher wird sein: Schaffen wir es wirklich, einheitliche Regeln umzusetzen? Die Briten sind ja bereits jetzt dabei, sich hier herauszustehlen, nachdem sie das Ganze erst erhöhen wollten. Jetzt wollen sie deutlich unterhalb der Kriterien bleiben. Das ist wirklich schwierig.
Ich glaube, wir müssen aber auch über die Frage diskutieren: Reicht Basel III eigentlich aus? Wenn man sich wissenschaftliche Studien anschaut, dann stellt man fest: Es gibt eine ganze Reihe solcher Studien, die sagen: Basel III ist zu lasch. Es bändigt die Banken nicht wirklich. Ich darf hier einmal Herrn Adair Turner zitieren, der sagt: Um das Finanzsystem wirklich sicher zu machen, müssten die Eigenkapitalauflagen für Banken deutlich schärfer sein als Basel III. Immerhin ist er Chef der britischen Finanzmarktaufsicht, ein ausgewiesener Experte, kein Vertreter irgendeiner Occupy-Bewegung.
Auch andere Wissenschaftler haben sich dieser Überlegung angeschlossen. Sie sagen, bei einer Eigenkapitalquote von 16 bis 20 Prozent würde die Wahrscheinlichkeit neuer Finanzkrisen deutlich sinken. Wir wissen auf der anderen Seite, dass sich die Banken aber vehement dagegen wehren, höhere Eigenkapitalanteile zu unterlegen. Das Problem ist die Frage: Kommt es dann wirklich dazu, dass die Zahl der Kredite, die vergeben werden können, dann deutlich geringer wird? Wird es zu einer Kreditklemme kommen? Wie sind die Auswirkungen auf die Realwirtschaft?
Man wird das im Moment sicherlich nur ansatzweise beurteilen können. Es gibt sehr seriöse Schätzungen, die sagen, die Auswirkungen deutlich höherer Eigenkapitalunterlegungen sind begrenzt. Also, zum Beispiel hat die Bank für internationalen Zahlungsausgleich einmal gesagt: Eine Verdoppelung der Basel-III-Quote würde das Wachstum um ungefähr 0,7 Prozent bremsen. Das wäre dann natürlich ein relativ überschaubarer Preis für ein sicheres Finanzsystem. Ich sage nicht, dass wir das fordern, ich sage nur, man muss es sehr genau beurteilen, evaluieren und wissenschaftlich begleiten.
Wir wären schon froh, wenn es gelänge, Basel III im vereinbarten Zeitplan umzusetzen und eine vernünftige Eigenkapitalunterlegung zu schaffen.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, nun den Worten auch Taten folgen zu lassen. Wir werden dann über die entsprechenden Details reden. Wir können nur hoffen, dass es sehr bald gelingt, auch wirklich Fakten zu schaffen. Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)