Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man einmal in den BAföG-Bericht schaut, dann sieht man, dass sich darin die besondere Bedeutung des BAföG auch 43 Jahre nach seiner Einführung dokumen­tiert. 3,4 Milliarden Euro geben Bund und Länder ge­meinsam für das BAföG aus. 440 000 Studierende wer­den gefördert. Ich gebe zu, Frau Gohlke, dass die Quote der Geförderten stagniert. Indem Sie aber so tun, als ob alle Studierenden BAföG-berechtigt seien, rechnen Sie die Quote der Geförderten herunter und schmälern damit den Erfolg des BAföG. Ich finde es nicht ehrlich, wie Sie an der Stelle argumentieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Über die Hälfte aller Studierenden aus einem bil­dungsfernen Haushalt, die es überhaupt an eine Hoch­schule geschafft haben, erhalten BAföG. Das zeigt: Mit keinem anderen Finanzierungsinstrument sind wir in ähnlicher Weise in der Lage, soziale Verantwortung für die Studienfinanzierung zu übernehmen. Das BAföG ist deshalb – im Gegensatz zu allen anderen Finanzierungs­modellen, die wir hier auch kontrovers diskutiert haben –ein Erfolgsmodell der Studienfinanzierung, und das muss auch in den nächsten Jahren so bleiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist aber auch völlig klar: Das BAföG muss mit der Zeit gehen. Das heißt, es muss das Leben der Studieren­den und die veränderten Studienbedingungen aufnehmen und ihnen, so gut es geht, gerecht werden. Unbestritten ist dies bei den gestuften Studiengängen am deutlichsten sichtbar; das ist hier in der Debatte schon gesagt worden. Über die einzelnen Maßnahmen müssen wir dann disku­tieren.

Das BAföG muss aber auch die Veränderungen im Leben der Studierenden und deren Eltern aufgreifen. Studierende kommen heute auf unterschiedlichen Wegen in die Hochschule, sind teilweise älter, studieren mit Fa­milie, machen Teilzeitstudiengänge. All diese Dinge müssen wir berücksichtigen.

Ich will eine Anmerkung zu den Teilzeitstudiengän­gen machen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, Studie­rende zu fördern, die sich in einem Teilzeitstudium, ei­nem dualen Studium oder einem berufsbegleitenden Studium befinden, weil drei Viertel dieser Studierenden Erststudierende sind, also diejenigen, die als Erste aus ihrer Familie überhaupt eine Hochschule besuchen. Des­wegen geht es hier um eine besondere Gerechtigkeits­frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Auch die Familiensituation muss berücksichtigt wer­den. Familien mit ein oder zwei Kindern und einem Facharbeitergehalt sind heute nicht in der Lage, ohne BAföG ein Studium zu finanzieren.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr rich­tig!)

Deswegen ist die Freibetragsregelung aus unserer Sicht eine wichtige Regelung, weil sie den Kreis der Geförder­ten erweitert und auf der anderen Seite dazu beiträgt, dass mehr von dem, was an BAföG ausgezahlt werden kann, bei den Studierenden ankommt.

Uns allen ist aber auch klar: Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit kosten Geld. Aber das ist gut an­gelegtes Geld. Denn der Staat ermöglicht mit dieser För­derung, dass Studierende aus allen sozialen Schichten bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erlangen. Da­durch bekommt der Staat die bereitgestellten Mittel über erhöhte Einnahmen aus Steuern und Sozialversiche­rungsbeiträgen zurück. Insofern ist das BAföG eine vo­rausschauende und nachhaltige Investition.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es macht aber keinen Sinn, meine Damen und Her­ren, jetzt hier einen fiktiven Wunschzettel zum politi­schen Programm zu erheben.

(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])

Da möchte ich eine Anmerkung zum Antrag der Linken machen. Ich werde jetzt nicht alles in Grund und Boden reden; denn viele der Forderungen, die Sie erheben, sind fraktionsübergreifend diskutiert worden. Aber Sie blei­ben an vielen Stellen unklar. Sie verzichten auf jede Aussage zur Finanzierung. Das finde ich, offen gesagt, unehrlich. Sie suggerieren den Studierenden: Schreibt auf, was ihr braucht; wir machen das, und um die Finan­zierung kümmern wir uns später. – Das finde ich unehr­lich. Ich unterstelle, dass das nicht dem entspricht, was Studierende tatsächlich erwarten können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was aus Sicht der Studierenden wirklich Sinn macht, ist eine BAföG-Novelle, die substanziell ist und tatsächlich umgesetzt wird, also nicht auf der Ebene des politischen Wunschdenkens verharrt.

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Eine kurze Anmerkung zu einem Punkt des Antrags, den ich richtig finde; das möchte ich betonen. Sie haben die Förderung von Studierenden mit Behinderung ange­sprochen. Ich finde das richtig. Ich glaube nur, dass wir das weniger in der BAföG-Debatte berücksichtigen soll­ten als bei der Reform der Eingliederungshilfe, die sich die Große Koalition auf die Fahnen geschrieben hat, weil es hierbei um bedarfsgerechte Assistenzen usw. geht. An der Stelle bin ich mit Ihnen einer Meinung; ich glaube nur, dass wir das an anderer Stelle diskutieren müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Herr Kollege Kaczmarek, gestatten Sie eine Zwi­schenfrage der Kollegin Gohlke?

Oliver Kaczmarek (SPD):

Gerne.

Nicole Gohlke (DIE LINKE):

Danke für die Möglichkeit zur Zwischenfrage. – Ich habe mich jetzt natürlich angesprochen gefühlt, weil Sie sagten, wir stellten Forderungen auf und suggerierten, dass man sie einfach so umsetzen könne. Sie haben ja selber gerade zugestanden, dass viele unserer Forderun­gen zum Beispiel in Ihrem Wahlprogramm standen oder in der letzten Legislaturperiode auch von Ihnen, von der SPD, aufgestellt wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben in Ihrem Wahlprogramm ziemlich deutlich ge­macht, wie Sie diese Sachen finanzieren wollen, zum Beispiel über Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit wie Erhöhung der Einkommensteuer und Einführung ei­ner Millionärsteuer.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben aber davon Abstand genommen. Deswegen frage ich: Wer suggeriert hier was? Haben Sie nicht viel­leicht vor der Wahl falsche Wahlziele suggeriert, weil sie bei den Studierenden oder in der Bevölkerung ganz gut ankommen, und sind jetzt nicht mehr bereit, dazu zu ste­hen?

(Beifall bei der LINKEN)

Oliver Kaczmarek (SPD):

Nein, das muss ich zurückweisen. Die Ursache dafür, dass wir das nicht umsetzen können, sind nicht falsche Versprechungen, sondern es ist ein schlechtes Wahler­gebnis. Wir bilden eine Koalitionsregierung und haben uns darauf geeinigt, dass wir ohne finanzielle Mehraus­gaben und Steuererhöhungen versuchen, die Vorhaben umzusetzen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] 160 Milliarden für die Rente!)

Sie werden sehen, dass wir finanzielle Spielräume für die BAföG-Novelle eröffnen. Das ist kein Wunschden­ken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine Anmerkung zum Schluss. Natürlich ist das BAföG eine Aufgabe von Bund und Ländern, die beide gemeinsam wahrnehmen. Wer eins und eins zusammen­zählen kann, weiß doch, dass die Länder einer BAföG-Novelle dann zustimmen werden, wenn sie ihrer Mei­nung nach auch zustimmungsfähig ist. Das ist keine Hexerei, sondern das ist das kleine politische Einmal­eins.

Es ist auch eine Binsenweisheit, dass wir frühzeitig über eine mit den Bundesländern gemeinsam getragene Novelle sprechen müssen. Partnerschaft in Bezug auf BAföG muss in diesem Sinne heißen, dass keiner der beiden Partner den anderen in finanzielle Bedrängnis bringt und die finanziellen Forderungen überzieht. Wir müssen eine faire finanzielle Lösung zwischen Bund und Ländern finden. Das ist selbstverständlich und auch ein Gebot der politischen Rationalität. Wir sollten das un­aufgeregt angehen. Ich bin zuversichtlich, dass Bund und Länder das gemeinsam hinbekommen.

(Beifall bei der SPD)

Die gute Botschaft dieser Debatte ist: Das BAföG wird modernisiert und verbessert werden. Die zweite gute Nachricht ist: Das wird von niemandem mehr in­frage gestellt.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Im Gegenteil: Diejenigen, die noch vor einigen Jahren das BAföG als alten Karren oder als Auslaufmodell be­zeichnet haben,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gabriel! Schäuble!)

sind einem dramatischen Irrtum unterlegen und befinden sich derzeit Gott sei Dank auf dem Weg der Besserung. Heute geht es darum, das BAföG noch besser und zeit­gemäßer zu machen. Wir sollten uns damit nicht allzu viel Zeit lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)