Anstatt wie versprochen die ODA-Quote zu erhöhen, versuchen Koalitionspolitiker die Entwicklungszusammenarbeit auf die Außenwirtschaftsförderung zu beschränken und zudem die Zusammenarbeit zu militarisieren.

Dr. Sascha Raabe (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe seit 2002 im Deutschen Bundestag schon viele kuriose Sätze gehört. Aber der Satz von Volkmar Klein toppt vieles. Er sagte: Wenn die Kanzlerin international etwas zusagt, dann hält sie es auch. – Ich war erst vor wenigen Wochen mit der Bundeskanzlerin auf der Millenniumskonferenz in New York, wo es darum ging, zu überprüfen, wie die Staaten dieser Erde ihre Versprechen einhalten. Die Kanzlerin hatte die Chuzpe, dort in die Bütt zu steigen und zu sagen: Wir stehen zum 0,7-Prozent-Ziel. – Gleichzeitig legt der Entwicklungsminister, gedeckt von der Bundeskanzlerin, einen Haushalt vor, mit dem sie dieses Versprechen eiskalt bricht, weil sie die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bis 2014 reduzieren will. Das ist ein Skandal. Wer die Weltöffentlichkeit so belügt, sollte nicht glauben, dass er damit hier im deutschen Parlament durchkommt.
(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Das mit dem Lügen nehmen Sie zurück!)
Sehr geehrter Herr Kollege Klein, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, die damalige Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul von der Sozialdemokratischen Partei habe die Mittel nicht erhöht. Ihnen ist wohl entgangen, dass die Ministerin 2008 und 2009 auch in der Großen Koalition den Etat um 641 Millionen Euro bzw. 680 Millionen Euro – also jeweils um 13 bzw. 14 Prozent – gesteigert hat,
(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Du hast überhaupt nichts kapiert!)
während Sie in diesem Jahr faktisch einen Nullaufwuchs zu verantworten haben. Als wir in Verantwortung waren, haben wir zum ODA-Stufenplan gestanden; Sie aber brechen die Zusage. Wir lassen nicht zu, dass das durch eine solche Geschichtsklitterung, wie Sie sie betreiben, verdeckt wird.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Mir kommen die Tränen!)
Sehr geehrter Herr Kollege Klein, Sie haben die Zahlen angesprochen, die die SPD und die jetzige Opposition damals in den Haushaltsplänen gehabt haben. Ich habe mir angeschaut, was die FDP zum Haushalt 2009 beantragt hat. Sie wollten das Entwicklungsministerium komplett abschaffen. Das ist bekannt. Der, der es abschaffen wollte, ist jetzt Entwicklungsminister. Ich verweise auf Ihre Anträge zum Haushalt 2009, die in Ihrem glorreichen sogenannten Sparbuch niedergelegt sind. Sie wollten im Haushaltstitel 421 01 die Bezüge der Parlamentarischen Staatssekretärin mit der Begründung streichen, der geringere Ansatz ergebe sich aus der Einsparung einer Staatssekretärin. Diese Einsparung diene der Entlastung der Bürger. Was haben Sie gemacht, als Sie das Ministerium übernommen haben? Sie haben die Staatssekretärsposten behalten, sie mit Parteisoldaten besetzt und die Stellen für Abteilungsleiter von drei auf vier erhöht. Bei der neuen Durchführungsorganisation GIZ haben Sie die Zahl der Geschäftsführer von drei auf sieben erhöht. Einer kostet etwa 500 000 Euro im Jahr.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie blähen den Verwaltungsapparat auf, indem Sie Spitzenposten schaffen. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Kannst du mal runterkommen vom Baum?)
Dann kommt hinzu, dass Sie, Herr Minister Niebel, elf Spitzenkräfte ausgewählt haben, die eine reine Männerfußballmannschaft bilden. Alle vier Abteilungsleiter in Ihrem Haus sind männlich, und alle sieben neuen Geschäftsführer sind männlich. Dass Sie keine Frau sind, kann man Ihnen nicht vorwerfen,
(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Du auch nicht!)
aber wenn Sie glaubwürdig in den Entwicklungsländern für Gender-Mainstreaming und Gleichstellung der Frau werben wollen, dann müssen Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können unseren Partnerländern nicht sagen, sie müssten mehr Frauen beteiligen, aber in der eigenen Verwaltung alle Spitzenpositionen nur mit Männern besetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Inge Höger [DIE LINKE])
Es ist nicht nur die Quantität, die in diesem Haushalt nicht stimmt, sondern es ist auch die Qualität. Der Peer Review des DAC, des Entwicklungsausschusses der OECD, hat klar festgestellt, dass die Verteilung der Entwicklungshilfe, die Sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben – zwei Drittel bilateral, nur ein Drittel multilateral –, falsch ist.
Übersetzt heißt das: Sie wollen künftig nicht mehr eine im Hinblick auf internationale Töpfe wie den Global Fund – davon war schon die Rede – abgestimmte Entwicklungspolitik betreiben, sondern Sie wollen auf viele kleinteilige Projekte deutsche Fahnen setzen. Sie brechen damit den internationalen Konsens, für mehr Effizienz und Effektivität zu sorgen. Klar ist doch: Wir überfordern unsere Partnerländer, wenn wir deren Ministerien jedes Mal mit hundert ausländischen Missionen aufsuchen, anstatt gemeinsam zu handeln. Auch dort stimmt die Qualität nicht. Auch deswegen lehnen wir Ihren Haushalt ab, Herr Minister.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das überrascht mich nicht!)
Im DAC Peer Review wird auch kritisiert, dass mit Ihrer neuen inhaltlichen Ausrichtung die große Gefahr verbunden ist, dass die Außenwirtschaftsförderung entwicklungspolitischen Fragestellungen und Zielsetzungen übergeordnet ist. Dazu passt in der Tat das von Ihnen erarbeitete neue Rohstoffkonzept. Darin bringen die Bundesregierung und der Entwicklungsminister zum Ausdruck, dass bei der Auswahl der Partnerländer, also derjenigen Länder, mit denen wir Entwicklungszusammenarbeit betreiben, ein ganz entscheidendes Kriterium die Rohstoffsicherung Deutschlands sein soll. Ich sage: Wir müssen bei der Auswahl der Partnerländer in erster Linie darauf schauen: Wo ist der Hunger am größten? Wo ist die Armut am größten? Wo ist die Not am größten? Da müssen wir helfen. Wir dürfen nicht danach gehen, wie wir der deutschen Industrie am besten Rohstoffe sichern können. Dieses Ziel müssen wir auf anderen Politikfeldern verfolgen. Die Ärmsten der Armen dürfen nicht in diese Richtung instrumentalisiert werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dazu passt, dass Verteidigungsminister Guttenberg auf einmal ebenfalls sagt – das ist sehr bedenklich –, dass er die Verteidigungspolitik in Zukunft auch danach ausrichten möchte, wie und wo deutsche Rohstoffe gesichert werden können. Ein ganz gefährliches Zusammenspiel in der neuen Regierung ist, dass Entwicklungszusammenarbeit militarisiert wird. In Afghanistan haben Sie auch den NGOs gesagt: Es gibt nur noch dann Geld, wenn ihr mit der Bundeswehr kooperiert. Herr Niebel, Ihre Militärmütze, die Sie in Entwicklungsländern aufziehen, ist einfach nur peinlich – darüber kann man noch lachen –; aber dass Sie die Entwicklungszusammenarbeit jetzt an Rohstoffinteressen und an militärischen Interessen ausrichten, das ist gefährlich. Dem werden wir Einhalt gebieten, und wir werden diesen Haushalt ablehnen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Raabe, ich werde Sie jetzt nicht fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen, weil Sie Ihre Redezeit schon deutlich überschritten haben.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Ich hätte sie sehr gerne zugelassen, weil ich eine Zwischenfrage von Herrn Koppelin immer gerne beantworte.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das kann ich mir vorstellen. Nichtsdestotrotz ist Ihre Redezeit zu Ende.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Gut. Dann ersparen wir uns die Zwischenfrage von Herrn Koppelin. Damit bin ich einverstanden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)