Ungefähr 150 Arzneimittelwirkstoffe wurden bisher in den Gewässern nachgewiesen. Nachgewiesen wurde auch, dass einige dieser Wirkstoffe die Umwelt schädigen. Bei neuen Arzneimitteln ist die Umweltbewertung Teil des Zulassungsverfahrens. Damit ist ein wichtiger Schritt gemacht. Es geht jetzt darum, weiter zu gehen: Wir brauchen ein Umweltmonitoring und wir brauchen eine umsetzbare und finanzierbare Minimierungsstrategie, die auch den Interessen der Patienten und Patientinnen gerecht wird.
Ungefähr 3500 Arzneimittelwirkstoffe sind in Deutschland zugelassen. Etliche davon werden im Körper nicht abgebaut. Über die Toilettenspülung gelangen sie in Bäche, Seen und Flüsse. Ungefähr 150 Arzneimittelwirkstoffe wurden bisher in den Gewässern nachgewiesen.
Bereits 2003 hat das Monitoring-Programm des Bund/Länder-Arbeitskreises für Chemikaliensicherheit (BLAC) ein realistisches Bild der Belastung der Umwelt mit Arzneimitteln geliefert. Arzneimittel wurden flächendeckend in den Oberflächengewässern nachgewiesen. Röntgenkontrastmittel haben die höchsten Konzentrationen, gefolgt von Diclofenac und dem Antiepileptikum Carbamazepin.
Das Rheuma- und Schmerzmedikament Diclofenac – auf Nummer Zwei dieser Liste – hat nachgewiesene ökotoxikologische Effekte: Am Bayerischen Landesamt für Umwelt wurde 2004 untersucht, wie in der Realität vorkommende Konzentrationen auf Forellen wirken. Das Ergebnis: Nach vier Wochen waren die Kiemen verändert und die Nieren geschädigt.
Diclofenac soll daher – so hat es die EU-Kommission vorgeschlagen – auf die Liste der prioritären Stoffe – also auf die Liste der Stoffe, die langfristig nicht mehr in die Gewässer gelangen sollen. Sowohl im Europäischen Parlament als auch im Bundesrat hat die Debatte darüber deutlich gemacht: Es ist unklar, ob die wissenschaftliche Bewertung so weit ist, für Gewässer Umweltqualitätsnormen für Arzneimittel festzulegen. Außerdem müssen den Patientinnen und Patienten weiterhin wirksame Medikamente zur Verfügung stehen.
Dies entbindet uns aber nicht davon, den Eintrag von Arzneimitteln in die Gewässer zu vermindern. Das Umweltbundesamt hat dazu ja Vorschläge gemacht. Letztendlich schlägt das UBA eine Minimierungsstrategie vor, die von einem umfassenden Umweltmonitoring begleitet wird. Das ist ein vernünftiges Konzept.
Eine Umweltbewertung ist mittlerweile für neuzuzulassende Arzneimittel vorgesehen. Bei Tierarzneimitteln kann die Umweltbewertung zur Nichtzulassung führen, bei Arzneimitteln für den Menschen können Auflagen festgelegt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt. Kümmern müssen wir uns um die Medikamente, die noch ohne Umweltbewertung zugelassen wurden. Eine nachträgliche Umweltbewertung für all diese Medikamente schießt aber über das Ziel hinaus. Eine Kombination aus Umweltmonitoring und Bewertung der Wirkstoffe mit Umweltrelevanz scheint mir angemessen.
Wir wollen, dass weniger Arzneimittel in die Gewässer gelangen. Problematisch ist, dass es sich vielfach um diffuse Einträge handelt. Während Röntgenkontrastmittel in Krankenhäusern herausgefiltert werden können, bevor sie ins Abwasser gelangen, wird Diclofenac zu Hause eingenommen. Das macht es schwer, die Wirkstoffe wieder aus dem Wasser zu filtern. Eine „4. Reinigungsstufe“ bei kommunalen Kläranlagen ist nicht zu finanzieren, sie macht nur Sinn bei Punkteinträgen – wie z. B. den Kontrastmitteln im Krankenhaus.
Was kann man tun? Das UBA empfiehlt eine Informationskampagne, um die Bevölkerung über die richtige Entsorgung von Arzneimitteln zu informieren und einheitliche Entsorgungswege zu schaffen. Es muss klar sein: Altmedikamente gehören in die graue Tonne. In den Müllverbrennungsanlagen werden die arzneilichen Wirkstoffe so zerstört, dass kein Eintrag in die Umwelt mehr erfolgen kann. Sie gehören nicht ins Klo gespült. Das UBA empfiehlt weiter, Ärzte und Apotheker über die Umweltwirkungen von Arzneimitteln zu informieren und ein Klassifikationssystem zu schaffen. Damit könnte die Umweltwirkung in die Auswahl der Medikation einfließen. Zusätzlich müssen wir den Eintrag von Arzneimitteln aus der Tierhaltung minimieren.
Mit der Umweltbewertung von neuen Arzneimitteln ist bereits ein wichtiger Schritt gemacht. Es geht – und das mahnt die Linke in ihrem Antrag zu Recht an – jetzt darum, weiter zu gehen. Das bedeutet für mich, wir brauchen ein Umweltmonitoring und wir brauchen eine umsetzbare und finanzierbare Minimierungsstrategie, die auch den Interessen der Patienten und Patientinnen gerecht wird. Das müssen wir anpacken.