Diese Woche hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) die Ergebnisse ihres jüngsten so genannten Stresstest veröffentlicht, in dem die Stabilität der Versicherungsunternehmen bei simulierten Krisenszenarien geprüft wurde. Danach müssen etwa 10 % der Unternehmen „nachsitzen“, weil sie die neuen Eigenkapitalanforderungen, wie sie durch Solvency II ab 2013 gelten werden, nicht erfüllen. Hier müssen die betroffenen Unternehmen, deren Namen die EIOPA – anderes als beim kürzlichen Banken-Stresstest – nicht veröffentlicht, nachbessern.

Insgesamt ist Solvency II eines der wichtigsten Projekte im Bereich Aufsicht über Finanzdienstleistungen auf EU-Ebene. Mit dem Projekt sollen die heutigen Solvabilitätsvorschriften, also die Eigenmittelanforderungen, für Versicherungsunternehmen zu einem konsequent risikoorientierten System der Finanzaufsicht weiterentwickelt werden. Neben den Banken ist z. B. auch der Versicherungsgigant AIG in der Finanzkrise ins Wanken geraten. Insoweit ist es eine konsequente Lehre aus der Finanzkrise auch für Versicherungsunternehmen ein wirksames Aufsichtsregime zu gestalten und Eigenkapitalanforderungen zu überprüfen, um künftige Krisenereignisse bestehen zu können.

Die Versicherer sollen ihr eigenes, internes Risikomanagement verbessern. Darüber hinaus wird mit Solvency II eine angemessene Harmonisierung der Aufsicht über Versicherungen in Europa angestrebt.

Wie im Antrag der Regierungsfraktionen zu Recht erwähnt wird, hat das Projekt noch einige Monate Vorlaufzeit, bis die neuen Regeln Anfang 2013 in Kraft treten sollen. Gleichzeitig ist der beabsichtigte Zeitplan eng und die Materie z. T. äußerst komplex. Es ist zu überprüfen, ob die Komplexität nicht reduziert werden kann oder sogar muss. Dies betrifft insbesondere die Standardformel von Solvency II, die praktikabler gestaltet werden sollte. Dies war auch eines der Ergebnisse der im Antrag erwähnten QIS 5-Studie zum künftigen europäischen Regelwerk.

Es gibt von unterschiedlicher Seite Kritik an dem Projekt.

So wird argumentiert, Solvency II bedrohe das deutsche Betriebsrentensystem, weil die neuen Eigenkapitalregeln und Vorgaben zum Risikomanagement die Pensionskassen deutscher Firmen zu stark unter Druck setzen. Das bewährte Betriebsrentensystem in Deutschland darf nicht durch neue Solvabilitätsregeln in Mitleidenschaft gezogen werden.

Kritik kommt auch aus der Immobilienbranche, die bei Investitionen auf bestimmte Finanzierungsmodelle durch Versicherungsunternehmen angewiesen sind.

Die meisten Kritikpunkte machen natürlich die Betroffenen, also die Versicherer selbst, geltend. Auch hier gibt es eine Reihe von Punkten, die man sich im Verlauf des Solvency II-Prozesses genauer anschauen muss.

So ist die Frage zu stellen, ob die Interessen der kleineren Versicherer angemessen berücksichtigt wurden.

Wir müssen – ähnlich wie bei den Banken – auch darauf achten, dass es keinen Anreiz geben darf wegen der neuen höheren Anforderungen auf weniger streng oder gar nicht regulierte Anbieter von Kapitalgarantien auszuweichen.

Genauso wie im Bereich der Banken und z. B. der neuen Basel III-Regelungen erscheint es hier sehr wichtig, dass die beabsichtigte europäische Harmonisierung nicht über das Ziel hinausschießt, sondern nationale Besonderheiten ihre Berücksichtigung finden. Der unterschiedlichen Struktur der jeweiligen Märkte, der Unternehmen und deren unterschiedlichen Risiken, müssen die Regeln gerecht werden. Allein ein identisches „playing field“ schaffen zu wollen kann nicht alleiniges Ziel sein. Letztlich geht es um krisenfeste und robuste Versicherungsunternehmen.

EU-Kommissar Michel Barnier hat kürzlich eingeräumt, dass eine Reihe wichtiger Fragen noch gelöst werden müssten. In den Detailvorgaben zur Umsetzung des Regelwerks werde es Verbesserungen geben. Die Branche sei hier aber ausreichend eingebunden - wie im gesamten Gesetzgebungsprozess.

Wir tragen den Antrag der Regierungsfraktionen in seinen zentralen Forderungen durchaus mit, werden uns in der Sache aber enthalten. Es ist äußerst unerfreulich, dass Sie sich einem ursprünglich geplanten gemeinsamen Antrag verweigert haben und nun Ihren Antrag entgegen der Verabredung unmittelbar in das Plenum einbringen. Um Gemeinsamkeiten muss man sich bemühen. Das haben Sie nicht getan.