Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VW!

Wir alle sind am Wochenende von den unter Betrugsabsicht manipulierten Abgaswerten von VW kalt erwischt worden. Erst dachte ich, das kann doch nur eine gefälschte Nachricht sein, aber leider erwies sie sich als wahr. Alle sind geschockt von diesem Vorgehen, auch die Belegschaft von VW. Der Betriebsratsvorsitzende Osterloh hat es in einem Schreiben formuliert – ich zitiere –: Dies rüttelt am Selbstverständnis unseres Unternehmens und diskreditiert die gute Arbeit ... Dem kann ich nur zustimmen. Weltweit sind knapp 600 000 Beschäftigte betroffen, in Deutschland etwa 270 000, davon etwa 16 000 in Nordhessen; das ist schon erwähnt worden. Wie geht es jetzt der Belegschaft? Viele machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und haben zudem Verluste durch den Kursverfall bei Mitarbeiteraktien erlitten. Auch in deren Interesse ist die lückenlose Aufklärung hinsichtlich des Ausmaßes der Manipulationen wichtig. Aufklärung allein genügt aber nicht. Wir müssen auch handeln und verändern. Mich als Umweltpolitikerin hat es besonders empört, dass erneut sträflich mit der Gesundheit der Bevölkerung umgegangen wurde. Grenzwerte wurden bewusst umgangen. Damit wurden mehr Schadstoffe als erlaubt ausgestoßen. Der Gedanke der Nachhaltigkeit, der Unternehmensverantwortung für die Umwelt, für die Luft und auch für die Menschen hörte an der eigenen Fabriktür auf. Das ist schäbig.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])

Das ist auch kein Problem eines einzigen Unternehmens oder einer einzelnen Branche; das will ich hier deutlich machen. Hohe Absatzzahlen und deutliche Gewinnsteigerungen sind bei vielen Unternehmen wichtiger als Umwelt und Gesundheit. Die Gemeinwohlverpflichtung des Grundgesetzes scheinen viele nicht zu kennen. Was nutzen Werte – ich meine sowohl Messwerte als auch moralische, ethische Werte –, wenn sie nur auf dem Papier existieren und nicht ins reale Handeln umgesetzt werden? Das Umweltbundesamt hat deutlich gemacht, dass Stickstoffdioxid Luftschadstoff Nummer eins ist. Die erlaubten Werte überschreiten wir immer noch um 60 Prozent im Jahresmittel. Dies hat Deutschland zu Recht reichlich Ärger mit der Europäischen Kommission eingetragen. Ein Beispiel für Überschreitungen ist Darmstadt. Dort hatten wir – Stand gestern Abend – schon 57 Fälle. Erlaubt sind für das gesamte Jahr aber nur 18.

(Sören Bartol [SPD], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Das wird von den Grünen regiert! – Gegenruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Kollege Krischer, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden. – Auch in meinem Wahlkreis Frankfurt kommt es an der Friedberger Landstraße immer wieder zu Überschreitungen. An einer solchen Straße zu leben, erhöht das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder an Lungenkrebs zu erkranken. Stickstoffdioxid ist zudem an der Entstehung von Ozon beteiligt. Bei Sonneneinwirkung kann es zu Sommersmog führen, der zu Lungenreizungen führt und gefährlich für Asthmatiker und andere Empfindliche ist. Auch das müssen wir bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach einer aktuellen Studie eines Max-Planck-Instituts sterben jährlich weltweit 3,3 Millionen Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung; Ursache sind natürlich nicht nur Verkehrsemissionen, aber auch. In Deutschland sind das 35 000 Tote pro Jahr, hiervon allein 7 000 durch die Luftbelastung im Verkehr. Das sind doppelt so viele Tote wie durch Verkehrsunfälle. Ich selber fahre schon seit 2009 einen Elektroroller und seit 2012 ein Elektroauto.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich versuche – es hat mich letzte Woche hart getroffen, weil ich in strömenden Regen gekommen bin; aber ich habe es gemacht,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) 

möglichst alle Fahrten im Stadtgebiet mit diesen Fahrzeugen zu erledigen. Das ist gut für die Luft und senkt zusätzlich die Lärmbelastung. Wir müssen endlich die Gesundheit der Menschen in den Vordergrund rücken. Noch einmal: In Deutschland sterben doppelt so viele Menschen an den Folgen der Verkehrsemissionen wie an Verkehrsunfällen. Deshalb brauchen wir Grenzwerte. Sie wirken aber natürlich nur, wenn sie eingehalten werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal in Richtung Regierungsbank!)

Deshalb brauchen wir bessere Tests und bessere Kontrollen in Deutschland und natürlich auch in Europa. Wir haben schon einiges auf den Weg gebracht. Meine Kollegin Kirsten Lühmann hat es bereits angesprochen. Weitere Schritte und schärfere Maßnahmen müssen natürlich folgen. Sie müssen klar und deutlich sein sowie unabhängig kontrolliert werden. Ich denke, das wollen wir alle. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schock sollte für uns Anreiz und Antrieb sein, endlich mit dem nötigen Druck in der EU, aber auch in Richtung der Automobilhersteller zu sagen: Wir müssen die Grenzwerte im realen Betrieb einhalten. So können wir Vertrauen wiedergewinnen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil und keine zusätzliche Bürde. Nutzen wir die Chance, um saubere Autos herzustellen, damit wir saubere Luft, saubere Städte und gesunde Menschen haben. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und herzliche Grüße an die Kolleginnen und Kollegen von VW.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)