„Ihre Freiheit haben sich die Ostdeutschen selbst erkämpft. Mit einer Revolution, bei der kein einziger Schuss gefallen ist und die wir deshalb voller Stolz als Friedliche Revolution bezeichnen dürfen“, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke (SPD). Der Bericht würdige auch das Leben der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der DDR, die ganz einfach versucht habe, ein anständiges Leben zu führen. Es sei ein Leben voller Widersprüche gewesen. „Wir haben gewusst, dass in der Disco die Stasi immer mitgetanzt hat, aber wir sind trotzdem gerne tanzen gegangen“, erinnerte sich Gleicke. Doch es habe auch die Geschichten vom kleinen und großen Verrat gegeben, von Demütigung und Verfolgung, von Knast und Zwangsarbeit, vom Verlust geliebter Menschen durch Ausbürgerung, Flucht und schlimmstenfalls durch den Tod.

Heute Engagement und Solidarität zeigen

„Die DDR war ein Unrechtsstaat“, sagte der Leipziger Bundestagsabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Tiefensee. Dies solle man einfach stehen lassen, die Diskussionen darüber seien ermüdend. Für ihn gebe es drei Dinge, die aus der friedlichen Revolution im Herbst 1989 und aus dem Transformationsprozess der deutschen Einheit für heute abzuleiten seien: "Seid nicht ohnmächtig, sondern engagiert euch“, dies gelte auch in einer Demokratie. Außerdem solle den Ländern in Europa Solidarität entgegengebracht werden, denen es nicht so gut gehe. Ebenso müsse Solidarität gegenüber den Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, mit einer Willkommenskultur gezeigt werden.

Unterstützung für strukturschwache Regionen in Ost und West

Die Sprecherin der Landesgruppe-Ost in der SPD-Fraktion, Daniela Kolbe erinnerte daran, dass die DDR vor 25 Jahren „nicht nur politisch und moralisch am Ende war, sondern auch ökonomisch.“ Aus diesem heruntergewirtschafteten Staat sei innerhalb von 25 Jahren eine Region geworden, die ökonomisch im Mittelfeld Europas stehe. Dies zeige, was die Flexibilität, die Tatkraft und der Optimismus der Ostdeutschen sowie die historisch beispiellose Solidarität der Westdeutschen zu Wege gebracht habe. Dennoch sei es keine umfassende Erfolgsgeschichte, sagte Kolbe. Sie machte deutlich, dass Ostdeutschland bei allen positiven Entwicklungen nach wie vor wirtschaftlich schlechter dastehe. Mit Blick auf den 2019 auslaufenden Solidarpakt II forderte sie, „strukturschwache Regionen daher auch über 2019 hinaus weiter zu unterstützen, aber nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit“.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass Ost- und Westdeutschland in einer so genannten ‚Gerechtigkeitsdebatte‘ gegeneinander ausgespielt werden“, warnte die Dortmunder Abgeordnete und Beauftragte für Mittelstand und Handwerk der SPD-Fraktion, Sabine Poschmann. Es gehe nicht um die Frage Jena oder Dortmund. Sondern es gehe um die Frage, wie die Lebensverhältnisse und die Bildungschancen aller Menschen in Deutschland verbessert werden können – unabhängig davon, wo sie leben.

Bericht zeigt: Stärkung der Wirtschaftskraft bleibt zentrale Aufgabe

Heute, 24 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung, haben sich die Lebensverhältnisse in Ost und West weitgehend angenähert. Ein Blick in den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014 zeigt, wo wir stehen.

Ostdeutschland verfügt mittlerweile über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz. Verheerende Umweltschäden konnten beseitigt werden, die Innenstädte sind saniert worden und die Wohn- und Lebensqualität hat sich verbessert. Auch die ostdeutschen Hochschulen stehen gut da.

Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung zwar verdoppelt, erreicht aber nicht mehr als zwei Drittel des Niveaus im Westen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen prägen dort das Bild. Großunternehmen fehlen weitestgehend. Die Konzernzentralen befinden sich zu 95 Prozent im Westen.

Im Jahresdurchschnitt 2013 wurde in Ostdeutschland die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung erreicht. Aber mit 10,3 Prozent ist die dortige Arbeitslosenquote gegenüber 6 Prozent in Westdeutschland noch immer deutlich höher.

Das Steueraufkommen beträgt in Ostdeutschland zwei Drittel des Aufkommens in Westdeutschland. Je Einwohner beträgt es in Flächenländern im Osten 937 Euro gegenüber   1837 Euro in westdeutschen Flächenländern. So können die ostdeutschen Länder ihre Aufgaben durchschnittlich nur zu 50 Prozent aus den eigenen Steuereinnahmen decken. Die westdeutschen Länder erreichen immerhin über 80 Prozent.

Bei der demografischen Entwicklung steht Ostdeutschland vor einer enormen Herausforderung: Viele Menschen haben den Osten für einen Arbeitsplatz im Westen verlassen. Von 1990 bis jetzt ist die Bevölkerungszahl in Ostdeutschland um elf Prozent gesunken. Obwohl auf Grund der Anziehungskraft Berlins im Jahr 2013 mehr Menschen von West- nach Ostdeutschland gezogen sind als umgekehrt, wird davon ausgegangen, dass bis 2030 ein weiterer Rückgang der Bevölkerung um 40 Prozent stattfindet.

Bei der immer noch unterschiedlichen Rentenberechnung in Ost und West soll mit dem Ende des Solidarpaktes II eine vollständige Angleichung vorgenommen werden. So haben es Union und SPD es in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.

Die Stärkung der Wirtschaft in Ostdeutschland bleibt weiterhin eine zentrale Aufgabe. Nur so können Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden sowie auch das Steueraufkommen in den neuen Ländern verbessert werden. „Die im Grundgesetz verankerte Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt auf der politischen Tagesordnung und Maßstab einer dem Gemeinwohl verpflichteten deutschen Politik“, heißt es im Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2014.