In dem Gerichtsverfassungsgesetz, kurz GVG, wird Personen, die an einem Verfahren nicht beteiligt sind, erlaubt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die Kontrolle des Prozessgeschehens durch die Allgemeinheit gewährleisten. Das GVG verbietet jedoch Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung. Diese Einschränkung ist sinnvoll, da Prozesse nicht grundsätzlich zu Medienereignissen werden sollen. Die Gefahr besteht, dass sonst das Verhalten der Prozessbeteiligten beeinflusst, die Wahrheitsfindung erschwert und damit das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wird.
Mit dem Antrag der SPD-Fraktion „Videoübertragung von Gerichtsverhandlungen ermöglichen“ (Drs. 17/13891), der in dieser Woche in den Bundestag eingebracht wird, sollen diese Vorbehalte nicht entkräftet werden. Die Forderung nach einer Videoübertragung bezieht sich darauf, den Gerichtssaal virtuell um einen Raum zu erweitern. Mit Hilfe technischer Übertragungsmöglichkeiten wird somit die Tür des Gerichtssaals geöffnet, damit Personen in einem weiteren Saal an dem Prozess teilnehmen können.
Das GVG trifft jedoch keine Aussage über die Zulässigkeit einer Videoübertragung. Das wurde besonders im Zusammenhang mit dem Streit um die Platzvergabe im NSU-Prozess in Frage gestellt. „Wir brauchen eine gesetzliche Klarstellung, dass die Videoübertragung in einen anderen Raum zulässig sein darf, um Öffentlichkeit herzustellen“, fordert auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Lambrecht. Das sei der beste Ausweg aus dem Dilemma. Sie erklärt weiter: „Das Gerichtsverfassungsgesetz müsste so geändert werden, dass die Übertragung für Prozessbeobachter zulässig ist, aber weiterhin keine Fernseh- und Rundfunkübertragung möglich sein darf.“ Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Das Gesetz sollte in allen Gerichtsbarkeiten Videoübertragungen von öffentlichen Gerichtsverhandlungen in einen weiteren Raum ermöglichen und sich nicht nur auf besondere Strafprozesse beschränken. Auch im Rahmen der Finanzkrise waren die Schadenersatzklagen von Kleinanlegern gegen Banken wegen Verletzung der Beratungspflichten von hohem medialen Interesse.
Lina Beling