Die Große Koalition hatte vereinbart, die flächendeckende Gesundheitsversorgung für gesetzlich Versicherte zu verbessern und dazu u. a. Arztsitze aus überversorgten Gebieten in unterversorgte zu verlagern. Am 11. Juni hat der Bundestag dazu das Versorgungsstärkungsgesetz (Drs. 18/4095, 18/5123) beschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion konnte in der parlamentarischen Beratung wichtige Veränderungen durchsetzen, um die Probleme bei der ärztlichen Versorgung beseitigen zu können.

„Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz verabschieden wir ein Gesetz mit vielen Einzelmaßnahmen, die in der Fachwelt unumstritten sind und die wir gegen Lobby-Widerstände durchsetzen konnten“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach in der Plenardebatte. Allein die Vier-Wochenfrist bei der Vereinbarung bei Facharztterminen sei wichtig beim Abbau der Zweiklassenmedizin in Deutschland.

„Das Gesetz stärkt die medizinischen Versorgungsstrukturen, die Patientenrechte und Innovationen im medizinischen Bereich“, unterstrich Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Es würden Anreize geschaffen, dass Ärzte in unterversorgte Regionen gehen und sich junge Leute für den Hausarztberuf begeistern. Zudem würden Patientinnen und Patienten, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus besser unterstützt. Der Berichterstatter für die SPD-Fraktion, Dirk Heidenblut, verwies auf die neuen Sprechstunden für psychisch Erkrankte, die deren Akutversorgung deutlich verbesserten. Die Förderung der Weiterbildung sei ein wichtiger Impuls, um die Allgemeinmedizin zu stärken, bekräftigte Sabine Dittmar als weitere Berichterstatterin für die SPD-Fraktion.

Wie soll die medizinische Versorgung verbessert werden?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA – oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland) erhält den Auftrag, bis zum 31. Dezember 2016 eine neue Bedarfsplanung zur ärztlichen Versorgung zu erarbeiten. Dazu soll nicht mehr die Relation von Einwohnerzahl pro Arzt zugrunde gelegt werden, sondern der tatsächliche Versorgungsbedarf. Dabei spielen z. B. die Sozial- und die Morbiditätsstruktur (Art und Anzahl von Erkrankungen) sowie die demografische Entwicklung eine Rolle. Zudem soll die Planung kleinräumiger erfolgen, damit nicht wie bisher über- und unterversorgte Regionen in einem Planungsgebiet liegen. Die Bedarfsplanung ist die Voraussetzung für eine Regelung der Aufkäufe von Arztsitzen und ihre Verlagerung in unterversorgte Gebiete. Ab einem Versorgungsgrad von 140 Prozent in einem Gebiet sollen Arztsitze aufgekauft werden, ab 110 Prozent gilt eine Kann-Regelung.

Um die Weiterbildung von Allgemeinmedizinern zu verbessern und sie zu beschleunigen, sollen nach erfolgreichen Modellen in Hessen und Baden-Württemberg Kompetenzzentren an Hochschulen eingerichtet werden. Zusätzlich zu dem Ausbau von 5.000 auf 7.500 Stellen für die hausärztliche Weiterbildung sollen 1.000 Stellen für die Weiterbildung so genannter grundversorgender Fachärztinnen und -ärzte, wie Kinder- und Jugendärzte oder Gynäkologen, finanziert werden. Perspektivisch hat sich die Koalition darauf verständigt, eine bundesweite Stiftung zur Förderung der Weiterbildung einzurichten.

Des Weiteren werden die Gestaltungsspielräume der Strukturfonds bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erweitert, um die Niederlassung von Ärzten in unterversorgten Gebieten stärker zu fördern. Zudem werden die Gründungsmöglichkeiten für medizinische Versorgungszentren (MVZ) weiterentwickelt. So sollen auch Kommunen die Möglichkeit erhalten, MVZen gründen zu können, um die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern.
Patienten erhalten einen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung, was sie bei ihrer Entscheidung unterstützen und vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen schützen soll.

Außerdem wird die medizinische Versorgung im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt verbessert. Patienten werden bei ihrer Entlassung mit notwendigen Medikamenten, einer Krankschreibung oder der Fortsetzung einer Heilmittelversorgung für die ersten Tage versorgt.
Im Rahmen der Krankenhausreform sollen auch Patienten, die zwar nicht pflegebedürftig sind, aber nach ihrer Krankenhausentlassung nicht zu Hause versorgt werden können, einen Anspruch auf eine neu zu schaffende pflegerische Übergangsversorgung in einer stationären Pflegeeinrichtung – ähnlich der Kurzzeitpflege – erhalten.

Damit gesetzlich Versicherte künftig bei einer Überweisung innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt oder einer Fachärztin erhalten, sollen die KVen Terminservicestellen einrichten. Wenn kein Termin bei einer niedergelassenen Fachärztin oder einem Facharzt vereinbart werden kann, dann soll ein ambulanter Termin in einem Krankenhaus vermittelt werden. Darüber hinaus wird die Erstversorgung von psychisch Erkrankten verbessert. Unter anderem sollen dazu ab 2016 psychotherapeutische Sprechstunden eingerichtet werden.

Außerdem wird die Bedeutung der Hochschulambulanzen mit der Erweiterung ihres ambulanten Versorgungsumfangs unterstrichen und ihre Vergütung auf eine solide Basis gestellt.