Im Zuge des demografischen Wandels wird sich die Bevölkerung absehbar verändern – und dies bundesweit ungleichmäßig, sowohl in heutigen Ballungszentren als auch in ländlichen Gebieten. Einige Städte und ländliche Ortschaften werden einen Bevölkerungszuwachs erleben, andere umso deutlichere Rückgänge. Was bedeutet das für Deutschland als Kulturnation?

In einem gemeinsamen Antrag benennen die Unions- und die SPD-Bundestagsfraktion Ansatzpunkte, zeigen auf, welche Ziele und Schwerpunkte der Kulturförderung aus ihrer Sicht künftig relevant werden, und skizzieren gute Beispiele für zukunftsweisende kulturpolitische Angebote (Drs. 18/5091).

Drei politische Handlungsfelder und Rahmenbedingungen

Die Koalitionsfraktionen benennen in ihrem Antrag vor allem „drei kulturpolitische Handlungsfelder: die Finanzierung der kulturellen Infrastruktur, Zielgruppen und Nutzer sowie den Aspekt der kulturellen Bildung“. Darüber hinaus wirkten Rahmenbedingungen außerhalb kulturpolitischer Zuständigkeit wie zum Beispiel der Breitbandausbau, Barrierefreiheit oder die Förderung von Mobilität oder des bürgerschaftlichen Engagements.

Kulturelle Infrastruktur, Kulturangebote und ihre Finanzierung:
Da Kultur – wie Theater, Kino, Bibliotheken und ein lebendiges kulturelles Miteinander in der Gemeinschaft vor Ort – gerade in Zeiten des Wandels auch immer Halt gibt und Identität stiftend wirkt, seien Bund, Länder und Kommunen wie auch alle zivilgesellschaftlichen Akteure gemeinsam „mit der Kulturpolitik gefordert, die kulturelle Infrastruktur im ländlichen Raum an die neuen Bedingungen anzupassen", heißt es im Koalitionsantrag. Orientierung böten dabei „Prinzipien wie Chancengleichheit, Teilhabegerechtigkeit und Lebensqualität für alle Menschen“. Auch die Kirchen als religiöse Kulturträger müssten auf die Bevölkerungsentwicklung reagieren, heißt es im Antrag. Zudem sei Kulturpolitik in Zeiten des demografischen Wandels auch Standortpolitik. So könne zum Beispiel auch privates Engagement von ortsansässigen Wirtschaftsunternehmen einen Beitrag leisten, die die Attraktivität ihres Standorts für Fachkräfte sichern wollten.

Besucher- und Nutzerstrukturen:
Wenn man kulturpolitische Antworten geben will, muss man insbesondere die „sich wandelnden Kulturgewohnheiten“ der Nutzerinnen und Nutzer im Blick behalten, formulieren die Kulturpolitikerinnen und -politiker. Die Entwicklung zeige in Richtung „weniger, älter, bunter“. Daher empfehlen die Regierungsfraktionen vor allem, die heranwachsende Generation zu beteiligen, die unterschiedlichen Bedürfnisse der zunehmend heterogenen „60plus“-Zielgruppen in den Blick zu nehmen und – je nach Region – auch den Aspekt der Migration und Integration zu berücksichtigen.

Kulturelle Bildung:
Die Bedeutung von kultureller Bildung und Vermittlung ist unbestritten und vielfältig anerkannt, heißt es im Koalitionsantrag. Besondere Verantwortung für die Kulturvermittlung hätten die Bildungseinrichtungen und dabei vor allem die Schulen.
Um jedem Kind und Jugendlichen die Chance auf „Entfaltung ihres individuellen künstlerischen und kreativen Potenzials“ zu geben, plädieren die SPD- und Unions-Abgeordneten dafür, dass sich Bildungseinrichtungen weiter für Kooperationen mit Kulturinstitutionen und Künstlerinnen und Künstlern öffnen. Das Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ der Kulturstiftung des Bundes und der Stiftung Mercator seien hierfür ein gutes Beispiel.

Rahmenbedingungen:
Das bürgerschaftliche Engagement würdigen die Koalitionsfraktionen als besonders wichtige „Rahmenbedingung“ für die Kulturpolitik von morgen. Denn gerade in ländlichen Regionen sei ehrenamtliches und privates Engagement „eine wesentliche Stütze der Kulturarbeit und des kulturellen Lebens“ – und verdiene daher politische Unterstützung, vor allem in ländlichen Regionen mit hoher Abwanderung. Dabei seien auch neue Formen der Engagementkultur zu berücksichtigen wie Netzwerke, Patenstrukturen oder Beratungsstellen. „Wir brauchen eine echte Anerkennungskultur“, fordern SPD und CDU/CSU im Bundestag. Dazu gehöre unter anderem „ein geringerer Aufwand und die Begünstigung der Tätigkeit von Stiftungen, Sponsoring und privaten Spenden“.

 

Aufgabe der Kulturpolitik vor Ort sei es, Ziele und Schwerpunkte der Kulturförderung unter den Bedingungen des demografischen Wandels zu formulieren und gemeinsam mit den Akteuren aus Kunst, Kultur und Kulturvermittlung die kulturelle Infrastruktur und die Kulturangebote an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, betont Burkhard Blienert, zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für demografischen Wandel in der Kultur.

Blienert ist überzeugt: „Vor dem Hintergrund der rasanten demografischen Veränderungen ist Netzwerkarbeit und Kooperation in der Kultur wichtiger denn je. Das gilt gerade für den sogenannten ländlichen Raum. So können wir auch künftig ein breites kulturelles Angebot sicherstellen. Und mehr noch: durch verstärkte Zusammenarbeit ergeben sich neue Chancen für kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe für alle.“

Jasmin Hihat