Die vollen Kassen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sind Anlass für einen neuen Streit bei Schwarz-Gelb. Die SPD-Bundestagsfraktion will auf Grund der guten Kassenlage der GKV auf die 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal verzichten. Sie habe ohnehin fast zehn Jahre nach ihrer Einführung die beabsichtigte steuernde Wirkung – die Senkung der Facharztbesuche – verfehlt, heißt es im Antrag. Zudem decken die Einnahmen aus der Praxisgebühr weniger als 1 Prozent der GKV-Ausgaben ab.
Chaos bei Schwarz-Gelb auf Kosten der Krankenversicherten
Die Union lehnt die Abschaffung der Praxisgebühr ab. Die FDP wirbt aus Wahlkampftaktik in Schleswig-Holstein und NRW um die Streichung der „Seehofergebühr“ und stellt sich damit gegen ihren unentschiedenen Gesundheitsminister Daniel Bahr, der diesen Schritt bis Ende des Jahres prüfen will. Das erneute Koalitionschaos geht zu Lasten der Krankenversicherten, die weiterhin die Gebühr zahlen müssen. Lachender Dritter ist Finanzminister Schäuble, der den gesetzlich Krankenversicherten unterdessen 2 Milliarden Euro zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes entwenden will.
Hausärzte stärken – Bürgerversicherung einführen
Die SPD-Bundestagsfraktion will außerdem die hausärztliche Versorgung stärken, um die Wirtschaftlichkeit und die Qualität unseres Gesundheitssystems langfristig zu sichern. Ziel der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist, dass die Krankenkassenbeiträge wieder zu gleichen Teilen von Beschäftigten und Arbeitgebern gezahlt werden. Mit der Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, in die jeder nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einzahlen soll, wollen sie die sozial ungerechten Zusatzbeiträge abschaffen und zu jener Beitragsautonomie zurückkehren, bei der jede einzelne Krankenkasse ihren Beitragssatz bestimmt. Dieser liegt augenblicklich bei allen 140 Krankenkassen bei 15,5 Prozent und ist damit laut SPD viel zu hoch.
Wie kam es 2003 zur Einführung der Praxisgebühr ?
Die Praxisgebühr ist nicht nur bei den GKV-Versicherten unbeliebt, sondern auch Ärzte und Krankenkassen klagen über den damit verbundenen zusäztlichen Verwaltungsaufwand.
Von der CDU/CSU-Fraktion wurde sie im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) 2003 durchgesetzt. Besonders der heutige bayerische Ministerpräsident Seehofer (CSU) hatte sich dafür stark gemacht. Die Union forderte zunächst eine generelle Selbstbeteiligung der Kranken in Höhe von 10 Prozent der Behandlungskosten, mindestens jedoch 5 Euro für jeden Arztbesuch, gleichgültig ob Haus- oder Facharzt, Erstbesuch oder Folgeterminen. Um die von der CDU/CSU-Fraktion geforderten weitergehenden Zuzahlungen für die Patientinnen und Patienten zu vermeiden, sah die Kompromisslösung vor, dass 10 Euro pro Quartal vom Versicherten bezahlt werden müssen. Kinder sind befreit. Ebenso kann eine Befreiung auf Antrag für ein Kalenderjahr ausgestellt werden. Dazu muss belegt werden, dass mehr als 2 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens (1 Prozent bei chronisch Kranken) bereits für Zuzahlungen, z. B. für Krankenhausaufenthalte oder Arzneimittel, geleistet wurden.