Ziel einer Karenzzeit, also Übergangszeit, ist es, dem Anschein von problematischen Interessenverflechtungen und der Beeinflussung von Amtshandlungen durch die Interessen des neuen Arbeitgebers vorzubeugen. Ausscheidende Spitzenpolitiker einer Regierung sollen nicht als Türöffner und Lobbyisten engagiert werden, weil sie über wertvolle Kontakte und Insiderinformationen verfügen, die weit über ihr Fachgebiet hinausgehen können. Das könnte letztlich sogar zu einem Problem für die Demokratie werden.
Eine Regelung über eine Karenzzeit ist demnach korruptionsvorbeugend und wirkt Machtungleichgewichten entgegen. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits zu Beginn des Jahres eine klare Regelung für den Wechsel von Politikerinnen und Politikern in die Wirtschaft gefordert, um möglichen Interessenskollisionen von Anfang an einen Riegel vorzuschieben.
Mit der CDU/CSU-Fraktion haben sich die Sozialdemokraten nun auf eine Regelung mit Augenmaß verständigt, die sich an den Vorgaben für die Europäische Kommission orientiert: Künftig müssen Minister und Parlamentarische Staatssekretäre unverzüglich anzeigen, wenn sie eine Tätigkeit außerhalb des Parlaments oder des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen. Die Bundesregierung wird dann jeweils im Einzelfall entscheiden, ob eine Karenzzeit einzuhalten ist. Ihre Entscheidung wird sie auf Grundlage des Vorschlags eines beratenden Gremiums aus unabhängigen Persönlichkeiten treffen. Dieses Expertengremium soll mit Personen besetzt werden, die über hohe Reputation und viel Erfahrung verfügen, etwa ehemalige Bundesverfassungsrichter.
Wenn bei Berücksichtigung aller Umstände keine Interessenskonflikte drohen, soll auf eine Karenzzeit verzichtet werden. In allen anderen Fällen gilt eine Karenzzeit, deren Dauer in der Regel bis zu zwölf Monate und in besonderen Fällen bis zu 18 Monate betragen kann. Die konkreten Einzelheiten muss die Bundesregierung in einem Gesetzentwurf ausarbeiten. Der ist nötig, weil es sich hier um eine Einschränkung der Berufsausübung handelt. Per Gesetz muss das Kabinett ermächtigt werden, zu entscheiden.
Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender, sagt: "Diese Regelungen sind ein Beitrag zur politischen Kultur in unserem Land." Die Maßnahmen seien "angemessen und mit Augenmaß".
Der Bundestag hat am Donnerstagabend in einer Geschäftsordnungsdebatte über die Karenzzeit diskutiert.
Der SPD-Abgeordnete Mahmut Özdemir sagte, es gehe der SPD-Fraktion um eine "vernunftgemäße Gesetzesänderung, die Regierungskenntnisse nicht zu einem wirtschaftlichen Gut herabwürdigt." Dass die Bundesregierung als Kollegialorgan die Entscheidungshoheit über einen beabsichtigten Wechsel habe, sei "die wichtigste Bedingung für eine effektive Regelung."
Thomas Oppermann erläutert vor der Presse die geplante neue Regelung, wenn Regierungsmitglieder in die Wirtschaft wechseln wollen.