Heute, zehn Jahre nach Einführung des neuen Systems, zeigt sich, dass der Bologna-Prozess noch nicht als europäische Erfolgsgeschichte bezeichnet werden kann. Die Auslandsmobilität deutscher Studierender ist insgesamt zwar erfreulich, stagniert aber in den letzten Jahren. Gründe liegen in den verkürzten Studienzeiten, verengten Zeitfenstern, steigenden Prüfungs- und Arbeitsbelastungen sowie insbesondere Finanzierungsschwierigkeiten und Problemen bei der Anerkennung im Ausland erbrachter Leistungen. Es gibt bereits beim Wechsel zwischen Hochschulen im Inland diverse Schwierigkeiten bei der Anrechnung von Studienleistungen, auf europäischer Ebene ist es noch schwieriger. Auch das Ziel, die Quote der Studienabbrecher zu senken, wurde verfehlt. Die Studienabbruchquote lag vor den Reformen bei 23 Prozent, heute liegt sie beim Bachelor insgesamt bei 28 Prozent, an Universitäten sogar bei 35 Prozent. Als entscheidende Gründe für einen Abbruch werden Probleme bei der Studienfinanzierung, die fehlende Möglichkeit der Verbindung von Studium und zum Lebensunterhalt notwendige Erwerbsarbeit sowie unzureichende Studienbedingungen genannt.
Von sozialer Selektivität geprägt
Das deutsche Bildungswesen ist nach wie vor von hoher sozialer Selektivität geprägt. Es ist notwendiger denn je, Fehler zu korrigieren und an entsprechenden Stellen nachzubessern. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher in der vergangenen Woche einen Antrag (Drs. 17/13475) in den Deutschen Bundestag eingebracht. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, die soziale Infrastruktur der Studierenden - Wohnheimplätze, Mensen bis hin zu Beratungsangeboten, Kinderbetreuung etc. - aufzustocken. Notwendig dafür ist es, die Studierendenwerke massiv finanziell zu stärken. Zudem müssen die Hochschulen, die durch gestiegene Studierendenzahlen stärker gefordert werden, auch mehr bekommen, um vor allem eine gute Lehre finanzieren zu können. Die Kapazitäten der Hochschulen auch hinsichtlich des Angebotes an Master-Studienplätzen müssen ausgebaut werden, damit allen interessierten Bachelorabsolventinnen und -absolventen der Weg zum Master offensteht.
Es muss ein besonderes Augenmerk auf die Situation von Frauen an den Hochschulen gelegt werden. Der Master darf nicht eine neue Hürde sein, die die Chancen von Frauen zusätzlich beeinträchtigt. Die notwendige Bildungszusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen ist durch den gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Rahmen nicht umsetzbar. Eine mögliche Lösung ist die Schaffung eines neuen Grundgesetzartikels für Finanzhilfen des Bundes in der Bildung. Das würde die Kooperationsmöglichkeiten im föderalen System stärken und nachhaltig Verbesserungen bewirken.
Lina Beling