Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, eröffnete die so genannte Elefantenrunde im Plenum und lieferte einen fulminanten Rundumschlag gegen die schwarz-gelbe Kolaition ab. Er rechnete auf allen Feldern mit der Bundesregierung ab und zählte deren größte Fehler auf.
Zunächst aber kondolierte Steinmeier Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Tode ihres Vaters. „Das ist ein tiefer Einschnitt“, betonte Steinmeier. Bei aller Schärfe der Auseinandersetzung gehöre es zur politischen Kultur, dass man sich über alle Parteigrenzen hinweg achte und respektiere, er möchte daher der Bundeskanzlerin im Namen seiner gesamten Fraktion das Mitgefühl ausdrücken.
Dann ging es los. Steinmeier erklärte die Regierung zur „schlechtesten Regierung seit Jahrzehnten. Keine Bundesregierung vor Ihnen hat jemals eine so katastrophale Halbzeitbilanz abgeliefert wie Sie“, rief er dem Kabinett zu. Steinmeier warf der schwarz-gelben Koalition vor, mit ihrem „Nichthandeln“ in der Finanzkrise die Demokratie zu gefährden. Die Politik müsse die Kontrolle über die Märkte zurückgewinnen. Andernfalls „bleiben die Leute bei den Wahlen zuhause, und das geht an die Grundfesten der Demokratie“, warnte er. Darum müssten alle Politiker mit vereinten Kräften zusammenarbeiten, um den Vertrauensverlust, der durch die miserable Arbeit dieser Regierung entstanden sei, wieder wettzumachen.
"Es gibt keine Regeln auf den Finanzmärkten"
Allzu oft nämlich wird den Politikern ganz allgemein die Schuld in die Schuhe geschoben. Fakt ist aber auch: Ohne die zerstörerische Kraft der Banken, Hedgefonds und anderer Investmentgesellschaften stünde die Welt heute nicht so nah am Abgrund.
Es sei dringend geboten, endlich Regeln für die wuchernden Finanzmärkte aufzustellen. „Es müssen Regeln an die Stelle von Regellosigkeit gesetzt werden“, sagte Steinmeier. Denn ohne Regeln, das müsse auch die FDP endlich erkennen, „geht doch die Freiheit vor die Hunde“. Er attackierte den CDU-Fraktionschef Volker Kauder ebenso wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, weil sie ihren großen Ankündigungen, die Finanzmärkte stärker an die Kette zu legen, keine Taten folgen ließen. Dabei, so Steinmeier, hätten das doch beide zur Zeit der Großen Koalition noch so vehement unterstützt. „Wann kommt endlich die Einhegung der Hedgefonds?“, fragte Steinmeier und konstatierte: „Es gibt keine Regeln auf den Finanzmärkten“. Und nur Verweise auf eventuell kommende Verbote reichten nicht aus.
Hilflose Kanzlerin
Hilflos erwiderte die Kanzlerin in ihrer Rede, dass man ja mehr verbieten wolle, aber Märkte arbeiteten ja international, und darum könne man das allein nicht schaffen. Sie berief sich auf die Bankenabgabe – dabei ist die unter so viele Einschränkungen gestellt, dass sie kaum etwas bewirkt. Sie ist eine Nebelbombe.
Zu der Tatsache, dass sich die Banken, die eben noch von den Staaten gerettet wurden, sich nun als Richter über eben diese Staaten aufschwingen, fiel der Kanzlerin nichts ein. Frank-Walter Steinmeier stellte dazu fest, das Einzige, was der Regierung wirklich wichtig sei, sei das Festhalten an längst überholten Mantras wie Steuersenkungen. „Dabei“, so Steinmeier, „hat sich die Wirklichkeit dramatisch verändert und verlangt neue Antworten der Politik“. Auch die Linken hätten nicht immer Recht, aber die Neuverschuldung sei noch immer so hoch, dass dies wirklich nicht die Zeit sei, um die Steuern zu senken. „Wenn jetzt sogar die Millionäre rufen ‚Besteuert uns!‘, dann muss Ihnen das doch zu denken geben“, sagte Steinmeier in Richtung der FDP und forderte: „Suchen Sie endlich nach Lösungen!“
Politik des periodischen Dementis
Mit Blick auf die Eurokrise warf er der Regierung Orientierungslosigkeit in der Europapolitik vor. „Ihre Politik ist keine Politik der kleinen Schritte, es ist die Politik des periodischen Dementis“, sagte Steinmeier. Die Regierung übernehme nach sechs Monaten jeweils die Positionen, die die SPD vorher in der Europapolitik vertreten habe. So habe die Regierung vor rund einem Jahr zunächst erklärt, kein Geld für das kriselnde Griechenland zahlen zu wollen. „Dann flossen Milliarden.“ Später habe es geheißen, der Euro-Rettungsschirm werde nie gebraucht. „Dann kamen Irland und Portugal.“ Deshalb müsse sich Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht wundern, wenn seine Ablehnung von Euro-Bonds heute in Wahrheit als Ankündigung dieses Instruments verstanden werde.
In Richtung Wolfgang Schäuble konstatierte der Fraktionschef, dass Schäuble nicht andere belehren brauche, sondern lieber um Unterstützung der übrigen Parteien werben solle, wenn es ihm wirklich um Europa gehe. Das Nichthandeln in der Schuldenkrise sei verantwortlich für die nötigen Anleihenaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte Steinmeier. „Es hat an Mut, an Führung gefühlt.“ Mit dem Abschieben der Verantwortung auf die EZB würden aber weitreichende Entscheidungen letztlich vorbei am Parlament getroffen. „Wir brauchen eine Road-map für eine Währungsunion, die diesen Namen wirklich verdient", sagte er. Weil es der Regierung aber an Mut und Ideen fehle, treibe das europäische Schiff orientierungslos vor sich hin.
Zu den Eurobonds: Auch die SPD wolle keine unkonditionierte Einführung gemeinsamer Staatsanleihen in der Euro-Zone, sondern nur dann, wenn es auch Durchgriffsmöglichkeiten auf diejenigen Staaten gebe, die sie in Anspruch nehmen, klärte Steinmeier auf.
Steinmeier kritisierte zudem das Steuerabkommen mit der Schweiz und die Vereinbarung zur privaten Gläubigerbeteiligung am neuen Griechenland-Paket. Diese sei ein „Etikettenschwindel“, weil die Banken viel zu gut behandelt würden. Die Regierung bereite auch damit „die größte sozialpolitische Umverteilung der letzten Jahrzehnte vor.“
"Sie sind aus der Zeit gefallen"
In Wahrheit sei es so, dass die FDP, die heute Wege aus der Krise sucht, gegen alles gestimmt habe, was aus der Krise herausgeführt hat. „Es geht Deutschland heute besser als anderen europäischen Ländern, weil wir rechtzeitig unsere Hausufgaben gemacht haben“, sagte Steinmeier, und zwar nicht nur in der Großen Koalition, sondern bereits zu Zeiten von Rot-Grün. Damals regierte ein Kanzler, erklärte Steinmeier, für den galt: „Erst das Land, dann die Partei“.
Wer nach Schwarz-Gelb regiere, übernehme ein schweres Erbe, sagte der SPD-Fraktionschef in Richtung Merkel und FDP. „Sie haben keine Sprache für die neue Wirklichkeit, Sie sind aus der Zeit gefallen“. „Jeder Tag ist für Deutschland ein Gewinn, an dem Sie nicht mehr regieren. Nur eines ist schlimmer als Ihr Handeln – Ihr Nichthandeln!“
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, bezeichnete die Koalition als „Schuldenkönige von Deutschland“. Der von Schwarz-Gelb genehmigte Haushalt 2010 habe mit 80 Mrd.Euro die höchste Neuverschuldung in der Geschichte besessen. Der FDP warf er vor, im Bundestag gegen die Schuldenbremse gestimmt zu haben, weil sie mit dem Schuldengeld Geschenke an die Klientel, etwa Hoteliers, finanzieren wollte. Selbst der Bundespräsident habe der Regierung attestiert, mit leeren Händen dazustehen. Aus all den Ankündigungen sei nichts geworden. Oppermann: „Sie schaffen es ja nicht mal, ein anwendbares Wahlrecht zu gestalten. Sie sind menschlich und politisch ausgebrannt. Sie können es einfach nicht!“