Bevor die drei jungen Vertreterinnen der israelischen und palästinensischen Jugend über ihre Einschätzungen hinsichtlich des Wandels im Nahen und Mittleren Osten und über ihre persönlichen Eindrücke sprachen begrüßte Andrea Nahles, die Gäste. Nahles ist Vorsitzende des Willy Brandt Center Jerusalem (WBC), das sich für den Dialog zwischen israelischen und palästinensischen Jugendlichen, vermittelt durch Deutsche im Sinne einer doppelten Solidarität, einsetzt. Nahles freute sich, dass mit der Veranstaltung der SPD-Fraktion ein weiterer Mosaikstein in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gesetzt wurde. Sie hoffe, dass dies den Jugendlichen den Rücken stärke. Besonders freute sie sich, dass mit Nimalah Kharoufeh von der Fatah-Jugend, Nitzan Menagem von der Meretz-Jugend und mit Maya Peretz als Vertreterin der israelischen Arbeitspartei-Jugend drei WBC-Akteurinnen und „mutige Grenzgängerinnen“ nach Berlin gekommen waren, um über ihre Arbeit zu berichten.
Im Gespräch mit Günter Gloser, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, sprachen die drei jungen Frauen auch über ihre Einschätzungen, welchen Einfluss der Wandel im Nahen und Mittleren Osten auf ihre Länder und vor allem die dort tätigen Jugendorganisationen hat. Sie alle betonten, dass die Umwälzungen in Tunesien oder Ägypten mit großem Interesse von der Jugend in Palästina und Israel verfolgt worden waren und auch als inspirierend empfunden wurden. „Alle, die sich für Freiheit einsetzen, werden von uns unterstützt“, sagte Nimalah Kharoufeh. Der arabische Frühling habe auch dazu beigetragen, dass das Selbstbewusstsein der Jugend und Jugendorganisationen gewachsen sei und sich mehr Jugendliche engagieren. Den jungen Menschen sei bewusst geworden, dass sie etwas ändern können, wenn sie aktiv werden, stellte Nitzan Menagem fest. Die Jugend sei nun sichtbarer auf den Straßen. Deutliches Zeichen sind die Demonstrationen auf beiden Seiten, die vor allem die sozialen Probleme thematisieren. So gehen die jungen Menschen in Palästina für bessere Jobs, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie Menschenrechte auf die Straße. Gründe für die Proteste in Israel seien niedrige Löhne, steigende Armut und der neue Haushalt der Regierung, der enorme Einschnitte unter anderem in den Sozialleistungen vorsehe, berichtet Maya Peretz. Insgesamt kämpft die junge Generation gegen ähnliche Missstände in ihren Gesellschaften, zum Teil sind sie sich sehr ähnlich in ihren Zielen. Und das unabhängig davon, ob sie israelisch oder palästinensisch sind. Gemein ist ihnen außerdem der Wille den Konflikt zwischen Israel und Palästina friedlich lösen zu wollen. „Frieden ist die einzige Lösung“, stellte auch Andrea Nahles fest. Nach Ansicht der drei jungen Frauen auf dem Podium sei der Konflikt nur durch einen engen Kontakt zwischen beiden Seiten zu lösen. Dabei helfe im Besonderen das WBC, das durch seine Projekte sicherstelle, dass sie einen Partner für den Frieden hätten.
Über die Arbeit des Zentrums und des Forum Ziviler Friedensdienst (forumZfD) wurde intensiv in einem zweiten Panel berichtet. Moderator Tilman Evers vom forumZfD erläuterte eingangs, dass es sich beim ZfD, so wie er auch im WBC Jerusalem praktiziert wird, um eine professionelle Tätigkeit von ausgebildeten Kräften im Rahmen des Entwicklungshelfergesetzes handele, das seit 1999 existiert.
Christiane Mähler, Leiterin des Koordinierungszentrums Deutsch-Israelischer Jugendaustausch, ConAct, gab einen Überblick über den gesamten Jugendaustausch mit Israel. Trilaterale Maßnahmen, bei denen israelische, palästinensische und deutsche Jugendliche teilnehmen sind selten. Von ihnen gibt es nur ca. 25 pro Jahr. Insofern sei das WBC Jerusalem eine wichtige Einrichtung und seine Arbeit in der „Nische der Verständigung“ großartig. Stefan Rebmann, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wies auf die Einzigartigkeit des Zentrums hin. „Dort werden die Grundlagen für langfristige Veränderungen gelegt“, so Rebmann. Er rief auch dazu auf, sich selbst vor Ort ein Bild von der Arbeit des Zentrums zu machen. Nur durch einen eigenen Eindruck vor Ort könnte man die bedrückende Situation der Trennung erfahren. Das Zeitfenster für die Zwei-Staaten-Lösung schließe sich rapide, doch „kein Weg führt an der Zwei-Staaten-Lösung vorbei“.
Christoph Dinkelaker, Friedensfachkraft des forumZFD am WBC, der aus Jerusalem angereist war, erklärte die grenzübergreifende Dimension der Projekte, die mit Gestaltern des Wandels auf beiden Seiten arbeiteten und wies auf konkrete Erfolge hin. Allerdings wies er auch auf die Probleme der Arbeit vor Ort hin. So gebe es nach der zweiten Intifada kaum noch gemeinsame Begegnungsorte für palästinensische und israelische Jugendliche. Ein großer Vorteil sei die Kommunikation auf Englisch, das niemandes Muttersprache und damit neutral sei. Zudem sei ein sicherer Begegnungsraum an einem für alle zugänglichen Ort („Safe Space“) für den Vertrauensaufbau sehr wichtig. Zudem sei es klar, dass das WBC Jerusalem nicht mit „Spoilern“, die gegen den Friedensprozess agierten, kooperiere. Die Diskussion mit dem Publikum drehte sich um die Zukunft der Arbeit des WBC Jerusalem. Nimalah Kharoufeh von der Fatah-Jugend wies auf das Entstehen von Frauennetzwerken hin, in denen auch über die Anerkennung Israels diskutiert werde.
Den Zuhörern wurde in den Panels und der Diskussion deutlich, in welch schwierigem Umfeld das WBC Jerusalem seine Projektarbeit mit großem Engagement der deutschen Friedensfachkräfte und der lokalen Akteure umsetzt. In jedem Fall hat es ein Alleinstellungsmerkmal. Diese einzigartige trilaterale Arbeit mit jungen Menschen aus Israel, Deutschland und Palästina sollte als eigener deutscher Beitrag in der Region ein Zukunftsprojekt zur Friedensarbeit sein und dauerhaft bleiben.