Mitte des Jahres 2024 werden bereits 60 Prozent des deutschen Strombedarfs aus Erneuerbaren Energien gedeckt. Über 150 Milliarden Kilowattstunden emissionsfreier Strom aus Sonne, Wind an Land und auf See, aus Biomasse-Anlagen und aus Wasserkraft.
In diesen Zahlen zeigt sich der Erfolg der Energiewende und liegt die Garantie für dauerhaft bezahlbare Energie für alle. Die Vollversorgung durch Erneuerbare Energien rückt in greifbare Nähe. Nicht das Ob, sondern die Bereitschaft zur Beseitigung von Hemmnissen entscheidet über die Realisierbarkeit von 100 Prozent Erneuerbaren Energien. „Knapp sind nicht die Erneuerbaren Energien, knapp ist die Zeit.“ (Hermann Scheer).
Das alles war kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis von unnachgiebiger politischer Arbeit insbesondere sozialdemokratischer Energiepolitik. Die Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes unter Rot-Grün im Jahr 2000, das der Sozialdemokrat Hermann Scheer maßgeblich gestaltete, war eine Zäsur mit weltweiter Nachahmung in der Dimension einer epochalen Wende. Das deutsche Wort „Energiewende“ wurde fortan international unübersetzt verwendet. Hermann Scheer konzipierte auch die IRENA, die als Regierungsorganisation für Erneuerbare Energien einen internationalen Anker bildet.
Mit der gesicherten Einspeisevergütung konnten sich die Erneuerbaren Energien in zwei Jahrzehnten zum auch marktseitig kostengünstigsten Energieträger entwickeln. Je erfolgreicher sie wurden, desto stärker drangen aber auch Verhinderungsinstrumente in den Vordergrund, die teilweise bis heute wirken. War - bis heute - die beteiligungsorientierte Einspeisevergütung das Erfolgsrezept des beschleunigten Ausbaus, folgten nach Einführung von Ausschreibungen entsprechende Einbrüche und Rückschläge.
Es folgten lange Jahre mühseliger Kämpfe in den Großen Koalitionen, in denen die SPD um Dinge wie die Abschaffung des „Solar-Deckels“ oder gegen die Einführung pauschaler „Verhinderungsabstände“ für Windenergie kämpfen musste. Bereits unter Schwarz-Gelb (2009-2013) wurde es zudem unterlassen, rechtzeitig auf die gezielte und massive Marktverdrängung Chinas zu reagieren, was bei Wind- und Solar den Verlust zehntausender Arbeitsplätze und von lokaler Wertschöpfung nach sich zog. Eben jene Arbeitsplätze, die die Menschen in der Fläche an der gelingenden Energiewende teilhaben ließ. Einige von den dann arbeitslos gewordenen sind nun am rechten Rand wieder zu finden.
In der SPD-geführten Ampelregierung ist nun durch eine Vielzahl neuer Gesetze ein fulminanter Neustart der Energiewende gelungen. Die Ausbauzahlen bei PV-Anlagen haben bereits Rekordwert erreicht, die Genehmigungszahlen für Windkraftanlagen ebenfalls und beim notwendigen Netzausbau gibt es eine Vervielfachung in Genehmigung, Planung und auch Bau. Dies zeigt: Entscheidend ist der politische Wille - ist die politisch entschiedene Umsetzung. Die geschaffene Investitionssicherheit gilt es nun zu erhalten und auf die verbleibenden Schritte der Transformation auszuweiten.
Energiegewinnung und - versorgung mit Erneuerbaren Energien ist von Grund auf ein soziales und demokratisches Projekt. Das liegt an deren dezentralen Nutzbarkeit. Die Kommunen, Unternehmen, Landwirte, Genossenschaften bis hin zu Bürgerinnen und Bürger werden zu Akteuren der Energiewende. Die Kommunen stehen für Daseinsvorsorge, der Landwirt wird zum Energiewirt, der Architekt baut die Energiegewinnung planerisch ein; selbst Mieterinnen und Mieter können teilhaben und sei es über das Balkonkraftwerk bzw. das Steckersolargerät, für das wir als Ampel soeben die letzten Hürden genommen haben. Menschen können auf dem Hausdach, im Vorgarten, auf dem Balkon oder auch in Bürgerenergiegesellschaften verbrauchsnah Erneuerbare Energien kostengünstig produzieren und an der Energiewende teilhaben.
Es gelingt dabei die Beendigung von Ewigkeitslasten, wie sie unausweichlich mit Atomenergienutzung, aber auch bei Kohleabbaugebieten entstehen; und es gelingt die Beendigung von Klimawandelfolgeschäden. Es gelingt die Beendigung von erpresserisch einsetzbaren Importabhängigkeiten. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien steht für die Beendigung von tiefen bleibenden Umwelt-Narben und für Jahrhunderte bleibender ökonomischer Lasten. Der Umstieg auf Erneuerbare steht für Wertschöpfung und Teilhabe an dem Erhalt von Wohlstand und Lebensgrundlagen.
Die Energiewende ist aber vor allem auch ein soziales Projekt, und zwar im Sinne von Wohlstand und von guter Arbeit. Weltweit verzögern sich und explodieren die Kosten von Atomenergieprojekten. Und es gibt immer noch kein sicheres Endlager. Die Energiepreiskrise in Folge des Ukraine-Kriegs ist eine Krise der fossilen Energieträger. Es ist die Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas, die die Energiepreise explodieren ließ, nachdem Lieferungen aus Russland ausblieben und damit viele Haushalte in finanzielle Nöte trieb. Insgesamt 300 Milliarden Euro aus Steuergeldern wurden im Jahr 2022 zur Bewältigung der Energiepreiskrise verfügbar gemacht. Allein dies zeigt, wie verwundbar eine Gesellschaft in Abhängigkeit von fossilen Energieressourcen ist.
Unabhängig von vermiedenen Folgeschäden, stehen Erneuerbare Energien heute bereits für die geringsten Stromentstehungskosten. Es ist somit auch sozialpolitisch geboten, den Menschen den Zugang zu Erneuerbaren Energien zu ermöglichen und damit die einzige Option auf dauerhaft niedrige Energiepreise zu nutzen. Dies ist auch wirtschaftspolitisch geboten, denn die niedrigen Kosten der Erneuerbaren Energien sind längst ein Standortfaktor. Energieintensive Produktionsstätten wählen Gegenden mit Zugang zu günstiger grüner Energie.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist damit auch eine Politik für zukunftssichere Arbeitsplätze mit guten Löhnen. Das ist Sozialpolitik im besten Sinne: die Ermöglichung von gleichwertigen Lebensverhältnissen durch ungehinderten sowie gesichertem Zugang zu Energie. Unsere Aufgabe ist nun, Marktverzerrungen abzuwehren und auch den systemischen Umstieg auf Erneuerbare Energien zu vervollständigen. Hierfür wird am neuen Strommarktdesign und etwa einem Kapazitätsmechanismus gearbeitet. Dies ist auch eine Aufgabe entsprechend auszugestaltender Handelsabkommen.
Vor der Energiekrise wurden allein nach Deutschland jedes Jahr fossile Energieträger für 50 bis 60 Milliarden Euro importiert, im Jahr 2022 dann für knapp 140 Milliarden Euro. Vor dem Einstieg in Erneuerbare Energien waren die Energieimportkosten noch höher (ca. 80 Milliarden). Der Umstieg auf Erneuerbare Energien gibt uns die Chance diese volkswirtschaftlichen Kosten zu vermeiden und Wertschöpfung nach Deutschland und Europa zu holen. Auch das bringt gute Arbeitsplätze.
Der Umstieg auf Erneuerbare Energien beseitigt zugleich Ressourcen-Abhängigkeiten, zumal von demokratiefeindlichen Autokratien. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien vermeidet weitere Ausbeutung von Umweltressourcen und auch Kriege um Öl und Gas. Bei endlichen fossilen Ressourcen und zugleich steigender Bevölkerung wie auch Industrialisierung bedeutet ein Festhalten an fossilen Ressourcenverbräuchen zwangsläufig massive Energiearmut wie auch Kriege um Ressourcen.
Die Energiewende ist ein Akt der Befreiung von dieser unermesslichen Bedrohung. Klimawandelbedingte Vertreibung von geschätzt weit über 100 Millionen Menschen und von durch Kriege um Öl und Gas können nur über einen konsequenten Umstieg auf Erneuerbare Energien vermieden werden.
Indem wir mit der Ampel-Koalition den Ausbau Erneuerbarer Energien als überragendes öffentliches Interesse und als der öffentlichen Sicherheit dienend definiert haben, wirkt die gesamtgesellschaftliche Bedeutung nun auch in die Tiefe. Durch die Beseitigung von Genehmigungshemmnissen und einer Vielzahl weiterer Beschleunigungsfaktoren geht der Ausbau sowohl von Erneuerbaren Energien als auch von Netzen inzwischen massiv voran.
Es ist dabei auch unsere Aufgabe, die Finanzierung sicherzustellen, sodass die Marktakteure sichere Investitionsbedingungen vorfinden. Nach meiner Überzeugung bedarf es hierfür eines Sondervermögens Klimaschutz- und Transformation und auch die Reform der Schuldenbremse ist - wie auf dem Bundesparteitag der SPD vom Dezember 2023 beschlossen - notwendig.
Es ist die Verantwortung des Staates, die Chancen der Energiewende für die Gesellschaft umfänglich und vollständig schnellstmöglich nutzbar zu machen und sie als Frage der Sicherheit und für Wohlstandsgarantie zu behandeln. Dazu zählt auch, die hierfür erforderlich werdenden Transformationsleistungen zu ermöglichen und dabei den systemischen Umstieg auf die fluktuierenden Eigenschaften Erneuerbarer Energien vorzunehmen - und zwar in und für alle Sektoren. Hierbei sind auch Speicher und Wasserstoff unerlässlich. Auch das ist Ausdruck von Daseinsvorsorge.
Es muss sich unausweichlich lohnen, einen Mehrwert für Systemstabilität durch den Bau und Betrieb von Speichern und weiteren Flexibilitäten zu schaffen. Als Ampel haben wir hierfür etwa bereits die Regelung „Nutzen statt Abregeln“ verabschiedet, mit der künftig auch solcher Strom aus Wind- und Solarenergieanlagen Verwendung finden soll, der heute und in den nächsten Jahren aufgrund von Netzengpässen abgeregelt bzw. weggeworfen wird. Stillstehende Windkraftanlagen trotz Wind müssen überwunden werden. Diese Regelung muss nun noch umgesetzt werden. Dies ist zugleich ein wertvoller Baustein für die bereits erwähnte systemische Umstellung auf Erneuerbare Energien, dem auch das Strommarktdesign, ein Kraftwerkssicherungsgesetz und auch ein Kapazitätsmechanismus zuzuordnen sein werden.
Wir müssen den Strommarkt so designen, dass er auf die Witterungsbedingtheit der Erneuerbaren Energien ausgerichtet ist - dass Netze und Speicher mit fluktuierenden Erneuerbaren Energien Hand in Hand gehen. Das ist kein Makel, sondern Kennzeichen von Energiewende und dies ist mit der auch systemischen Umstellung auf Erneuerbare Energien gemeint. Hierbei müssen Erneuerbare Energien und damit auch die flexibel einsetzbare Bioenergie vorrangig berücksichtigt werden, denn es darf es nicht zu einem Plus an fossiler Kraftwerksleistung kommen, wenn bereits die gleichen Mengen aus Erneuerbaren verfügbar oder installierbar sind.
Diese Verantwortung liegt beim Gesetzgeber. Es gilt ihr gerecht zu werden, damit die Chancen der Energiewende umfassend und beschleunigt Realität werden können. So sind klimagerechter Wohlstand, zukunftssichere Arbeitsplätze, bezahlbare und verfügbare und damit gerechte Energie für alle in Generationenverantwortung zu erreichen sowie die Befreiung der Abhängigkeit von fossilen Energien und Vermeidung von Kriegen um fossile Ressourcen. Kurzum: Energiewende mit und durch Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.