Christian Petry, europapolitischer Sprecher:

Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Rechte des Bundestages verletzt, als er dem Bundestag im Juli 2015 seine Pläne zum Herausdrängen Griechenlands aus der Eurozone nicht unverzüglich übermittelt hat. Mit dieser Feststellung hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass in existentiellen Fragen der europäischen Integration ein Bundesminister nicht ohne Rückbindung mit den gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertretern handeln darf.

„Dabei handelt es sich auch nicht um eine akademische Frage. Der damalige Bundesfinanzminister hatte für seine Hochrisikostrategie, Griechenland mit dem Ausscheiden aus dem Euro zu drohen, keine mehrheitliche Unterstützung im Bundestag. Mit einer ordnungsgemäßen Unterrichtung hätte in einer dann auf informierter Grundlage möglichen Debatte über den sinnvollsten Kurs öffentlich gerungen werden können. Eine parlamentsfreie Europapolitik darf es nicht geben, macht das Bundesverfassungsgericht deutlich. In seiner jetzigen Rolle als Bundestagspräsident muss Wolfgang Schäuble diesen Anspruch gegenüber der Bundesregierung vertreten.

Zu Recht hat zwischenzeitlich ein Paradigmenwechsel in der deutschen Europapolitik hin zu einer stärkeren Wachstumsorientierung stattgefunden. Mit dem kreditfinanzierten Wiederaufbauprogramm vermeidet die EU die Fehler der Vergangenheit. Dieser Paradigmenwechsel, der in der Bundesregierung durch Bundesfinanzminister Olaf Scholz eingeleitet wurde, findet breite Unterstützung im Bundestag, wie der Ende März mit Zweidrittelmehrheit beschlossene Eigenmittelbeschluss zeigt.“