spdfraktion.de: Worum geht es euch bei der Arbeit an eurem Projekt, wie kam die Idee zustande?
Martin Rosemann: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Rollenbilder von Frauen und Männern und ihre Vorstellungen von Partnerschaftlichkeit und Familie stark verändert. Gleichzeit wandelt sich unsere Arbeitswelt grundlegend – Stichwort Digitalisierung. Im Ergebnis empfinden viele Menschen zunehmenden Anforderungsdruck im Arbeitsleben wie im Privaten. Wir finden, dass es eine wichtige Aufgabe zukunftsweisender Politik sein muss, Wege zu einer besseren Vereinbarkeit, zu mehr Zeitsouveränität, aufzuzeigen und zu gestalten. Dazu wollen wir in unserem Projekt beitragen – und als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten natürlich auch für eine umfassende soziale Absicherung in allen Phasen der bunter werdenden Arbeits- und Lebensverläufe sorgen.
Ihr entwickelt Ideen für neue Arbeitszeitmodelle. Worauf kommt es euch dabei besonders an?
Das zentrale Ziel ist, den Erwerbstätigen mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen. Es ihnen zu erleichtern, in verschiedenen Lebensphasen ihre tatsächliche Arbeitszeit näher an ihre Wunscharbeitszeit heranzuführen und so mehr Zeit für Familie, für bürgerschaftliches Engagement, für Weiterbildung und Gesundheitsvorsorge oder auch einfach nur für sich selbst zu haben. Wenn es uns gelingt, dies vor allem durch eine Umverteilung von Arbeitszeiten zwischen Frauen und Männern hin zu bekommen, bedeutet das im Ergebnis auch keine Belastung der Wirtschaft und es wäre ein Beitrag für mehr Partnerschaftlichkeit auch im Bereich der häuslichen Aufgaben.
Außerdem rückt ihr die so genannten (Solo-)Selbstständigen in den Fokus. Dabei geht es euch vor allem um deren soziale Absicherung. Was liegt im Argen und was schlagt ihr für die Zukunft vor?
Die Zahl der Solo-Selbständigen, das sind Selbständige ohne Mitarbeiter/innen, ist in den letzten zwei Jahrzehnten stark gewachsen. Diese Gruppe macht inzwischen die Mehrheit aller Selbständigen in Deutschland aus. Das hat auch soziale Folgen, denn die Solo-Selbständigen haben – anders als die traditionellen Selbständigen – eher unterdurchschnittliche Einkommen. Die können sich eine umfassende private Absicherung gegen Krankheit, Altersarmut und Arbeitslosigkeit oftmals nicht leisten. Und auch die gesetzliche Sozialversicherung behandelt Selbständige oft ungünstiger als abhängig Beschäftigte mit vergleichbaren Einkommen. Wir sprechen uns daher im Grundsatz für eine Einbeziehung der Selbständigen in die gesetzlichen Versicherungen aus – mit einer Ausnahme dort, wo bereits etablierte berufsständische Versorgungssysteme existieren. Unterhalb dieser „großen Lösung“ zeigen wir aber auch mögliche Wege auf, die Selbständigen den Zugang oder den Verbleib in den gesetzlichen Versicherungen erleichtert.
Insgesamt habt ihr drei so genannte Dialogpapiere vorgelegt. Darüber wollt ihr mit Expertinnen und Experten aus Gewerkschaften, Verbänden, Unternehmen und der Wissenschaft ins Gespräch kommen. Auch Bürgerinnen und Bürger können sich beteiligen. Was wollt ihr damit am Ende des Dialogprozesses erreichen?
Am Ende des Dialogprozesses sollen ganz konkrete Vorschläge dafür stehen, wie mehr Zeitsouveränität für Erwerbstätige in den verschiedenen Lebensphasen, eine bessere soziale Absicherung von Selbständigen sowie mehr Zeit für bürgerschaftliches Engagement möglich werden können. Die wollen wir dann so schnell wie möglich in die parlamentarische Arbeit der gesamten Fraktion einbringen. Gleichzeitig wollen wir im Dialog aber zum Beispiel die Tarifpartner ermuntern, Vorschläge eigenständig umzusetzen, wo dies in deren Zuständigkeitsbereich fällt.
Die Fragen stellte Anja Linnekugel
Weitere Informationen zur Arbeit der Projektgruppe #NeueZeiten finden Sie in diesem PDF-Dokument und auf der Webseite der Projektgruppe.
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