Hat die SPD keine Lust mehr auf die Große Koalition?
Wir sind mit Leib und Seele in dieser Regierung. Bisher hat die Koalition dieses Land erfolgreich regiert. Und das betrachten wir als SPD, ohne Anflug von Bescheidenheit, im Wesentlichen als unseren Verdienst.
Mit den großen Themen sind Sie aber schon durch, der Koalitionsausschuss verlief ohne Ergebnis und der Wähler dankt der SPD bisher nichts.
Richtig ist, dass wir seit Beginn des Jahres mit der Union härter um gemeinsame Lösungen ringen müssen. Das liegt zuerst daran, dass wir bei schwierigen Sachfragen Differenzen haben.
Die Union wirft Ihnen in der Geheimdienstaffäre vor, sich als Opposition in der Regierung aufzustellen. Warum tun Sie das?
Wir wollen, dass präzise aufgeklärt wird, ob und in welcher Form die NSA den Versuch unternommen hat, befreundete Regierungen oder private Unternehmen auszuspionieren, und welche Rolle dabei der Bundesnachrichtendienst gespielt hat. Das ist das gemeinsame Ziel aller in der Koalition. Ich habe 2013 als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums selbst erlebt, wie schwer es ist, die Fakten zu fassen zu kriegen. Ich bin mir aber sicher, dass die Aufklärung dazu beitragen wird, dass wir am Ende die notwendigen Konsequenzen ziehen können.
Es geht auch um den Vorwurf, dass Ihr Koalitionspartner CDU beim „No-Spy-Abkommen“ im Wahlkampf 2013 die Wähler über den Stand der Verhand-lungen mit den USA getäuscht haben soll. War das so?
Auch das wollen wir aufklären und deshalb bin ich gegen voreilige Schlussfolgerungen. Nach Abschluss der Untersuchungen müssen wir wissen: Was ist wirklich passiert? Wer hat davon gewusst? Und warum sind die Verhandlungen mit den USA gescheitert?
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi weiß offenbar schon mehr. Sie hat die Union der Lüge bezichtigt.
Sie hat eine Wenn-Dann-Aussage gemacht. Vertrauen wir auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Der hat bisher die richtigen Fragen gestellt. Schlussfolgerungen wird es am Ende geben.
Klar ist aber bereits, dass die Amerikaner den Deutschen nie die Aussicht auf ein Anti-Spionage-Abkommen gegeben haben.
Die jetzt bekannt gewordenen Details der Verhandlungen über das „No-Spy-Abkommen“ sind sehr ernüchternd. Danach war auf der anderen Seite des Atlantiks keine Bewegung erkennbar. Es bleibt eine Meinungsverschiedenheit zwischen Deutschland und den USA, ob Nachrichtendienste in Partnerländern uneingeschränkt Nachforschungen anstellen können. Für mich ist das Kapitel aber noch nicht zugeschlagen. Wir brauchen verbindliche Regeln zwischen den Bündnispartnern, was Geheimdienste im Land des anderen dürfen.
Die Amerikaner wollen nicht, dass das deutsche Parlament Einblick in die Liste der NSA-Suchbegriffe mit E-Mail-Adressen und Telefonnummern bekommt, mit denen angeblich Spionageversuche unternommen wurden. Rechnen Sie noch ernsthaft damit, dass die Liste vorgelegt wird?
Die Liste der Selektoren ist wichtig, um bewerten zu können, ob es unzulässige Ausspähversuche gegeben hat. Das Parlament muss daher auf geeignete Weise Einblick in diese Liste bekommen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Liste nicht öffentlich wird. Dafür gibt es Möglichkeiten. Es ist jetzt Sache des Kanzleramtes, dafür geeignete Vorschläge zu machen.
Was unternehmen Sie, wenn der NSA-Untersuchungsausschuss den Einblick nicht erhält?
Das ist eine hypothetische Frage, auf die ich nur hypothetisch antworten könnte. Dafür fehlt mir jegliches Talent.
Sind Sie trotz der Differenzen für eine weitere Kooperation der Geheimdienste?
Bei allen Problemen bleibt es dabei: Wir brauchen auch in Zukunft Nachrichtendienste, die für unsere Sicherheit sorgen. Und wir brauchen auch die internationale Kooperation von Nachrichtendiensten. Dadurch, dass einige Tausend europäische Staatsbürger beim IS mitkämpfen, haben wir eine neue Qualität des internationalen Terrors. Darauf dürfen wir als Bündnispartner nicht mit einer gegenseitigen Abschottung der Dienste antworten. Das wäre brandgefährlich. Die Zusammenarbeit mit der NSA ist schwierig, aber wir wollen und werden darauf nicht verzichten.
Was halten Sie denn von der sinngemäßen Aussage der Union, man habe Sie persönlich in der Edathy-Affäre geschont, nun solle sich auch mal die SPD solidarisch zeigen.
Die beiden Themen haben nichts miteinander zu tun. Deshalb sollte man sie auch nicht miteinander in Verbindung bringen.
Auch in der Edathy-Affäre sind die Er-mittlungen im Untersuchungsaus-schuss nicht abgeschlossen. Sie sind als letzter Zeuge geladen. Wie fühlt es sich an, dass nun alles auf Sie konzentriert wird?
Ich werde mich zu diesem Sachverhalt vor dem Untersuchungsausschuss äußern.
Haben Sie Kenntnis darüber, wie es Michael Hartmann geht? Er hat sich ja erneut krankschreiben lassen.
Nein.
Wer aus der Fraktion kümmert sich aktuell um ihn?
Michael Hartmann ist krank geschrieben. Er ist in ärztlicher Obhut, und ich wünsche ihm gute Genesung.
Die Vorratsdatenspeicherung ist innerhalb der SPD heftig umstritten. Riskieren Sie mit dem geplanten Gesetz einen Vertrauensbruch im Bereich Netzpolitik?
Nein. Die Sicherheitsbehörden brauchen bei der Aufklärung schwerster Verbrechen dieses Mittel. Aber ich verstehe die Sorge um den Datenschutz. Und deshalb sind wir eindeutig: Die Vorratsdatenspeicherung muss innerhalb enger rechtsstaatlicher Grenzen gesetzlich geregelt werden.
Sieht Ihre Fraktion das genauso?
Ich habe festgestellt, dass SPD-Justizminister Heiko Maas für sein Konzept in der Fraktion großen Zuspruch erhalten hat, zumal sein Vorschlag noch restriktiver ist als unser Parteitagsbeschluss.
An diesem Wochenende hält die FDP ihren Bundesparteitag ab. Wie bewerten Sie das Comeback der Partei?
Comeback? Die FDP hat in zwei Stadtstaaten den Wiedereinzug ins Parlament geschafft. Ob das gleich einen Frühling für die Partei bedeutet, bleibt abzuwarten. Kurz nach Frühlingsanfang kommen die Eisheiligen. Die FDP hat nur dann eine Chance und ist für mich nur dann interessant, wenn sie sich als liberale Partei eindeutig zu sozialer Verantwortung bekennt. Da hat Christian Lindner noch viel zu tun.
Eine Option, dass die SPD ab 2017 wieder den Kanzler stellt, ist eine Ampel-Koalition. Wären Sie dafür offen?
Ich will bis 2017 den Erfolg der großen Koalition. Über andere mögliche Bündnisse mache ich mir danach Gedanken. Bis dahin machen wir unsern Job: gut regieren!
Und wie schätzen Sie die Perspektiven für Schwarz-Grün ein?
Ich weiß nur eins: An Schwarz-Grün wird sich die SPD nicht beteiligen.