Frage: Herr Oppermann, wo sehen Sie die SPD in dieser Koalition: Im Maschinenraum oder auf dem Sonnendeck?

Thomas Oppermann: Im Maschinenraum wird hart gearbeitet: In den ersten Monaten hat die Regierung vorgelegt. Jetzt ist die Stunde des Parlaments: Wir verbessern die Rente, wir führen den Mindestlohn ein, wir kümmern uns um eine bezahlbare und saubere Energieversorgung. Das sind Mammutaufgaben. Aber in der Sommerpause werden wir uns dann erholen und die Erfolge genießen – auch auf dem Sonnendeck.
Es sah so aus, als fremdelten Sie mit dem Amt des SPD-Fraktionschefs: Ist das vorbei?
Meine Planungen sahen ja auch ein bisschen anders aus ( Thomas Oppermann galt als Anwärter für das Innenressort, die Red.). Ich hatte auch Respekt vor dem Amt des Fraktionsvorsitzenden. Inzwischen mache ich diese Aufgabe richtig gern.

Aber es rumpelt: Teile der Union sind gegen die Rente mit 63, Teile der SPD lehnen die Mütterrente ab…

Niemand sollte vergessen, dass die Mütterrente auch im SPD-Wahlprogramm stand. Im Übrigen haben wir klare Verabredungen im Koalitionsvertrag. Den haben die SPD-Mitglieder mit übergroßer Mehrheit akzeptiert. Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben und die nicht mehr können, sollen mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Das ist gerecht, das haben sie sich verdient. Ebenso wie Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen und groß gezogen haben. Dass über Details noch zu reden ist, halte ich für völlig normal.

Stichwort Details: Der CDU-Wirtschaftsflügel lehnt es ab, dass Jahre der Arbeitslosigkeit bei der Rente mit 63 angerechnet werden…

Auch das wird geklärt. Ich bin sicher, dass es uns gelingt am Ende auch die meisten Kritiker der Union zu überzeugen.

Aber eine getrennte Abstimmung am 23. Mai im Bundestag - hier Mütterrente, da Rente mit 63 - riskieren Sie lieber doch nicht?

Ich erwarte große Geschlossenheit in der Koalition - unabhängig davon, ob die Abgeordneten einmal die Hand heben oder zweimal.

Warum lehnen Sie eine Stichtagsregelung ab, um Frühverrentung zu verhindern?

Wir werden eine eindeutige Regelung finden. Die wird ausschließen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Kündigung verabreden, um mit einer Abfindung noch zwei Jahre Arbeitslosengeld zu beziehen und dann mit 63 abschlagsfrei in Rente zu gehen. Diesen Missbrauch darf es nicht geben.

Gehört die Flexi-Rente ins Paket?

Auch darüber werden wir reden. Allerdings können wir in einem so komplizierten Bereich keine Schnellschüsse machen. Daher halte ich es für besser eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Sie soll Vorschläge vorlegen, wie wir einen flexiblen Renteneintritt vernünftig regeln. Es gibt immer mehr Menschen, die über das 65. oder 67. Lebensjahr hinaus arbeiten wollen.

Stichwort heimliche Steuererhöhung: Die SPD erwartet Vorschläge des Finanzministers zum Abbau der so genannten kalten Progression. Warum werden Sie nicht selbst aktiv?

Wir warten auf den Vorschlag des Finanzministers. Er ist zuständig. Und er kann sich darauf verlassen: Wenn er einen solide finanzierten Vorschlag vorlegt, wird die SPD dabei sein. Übrigens: So heimlich ist die kalte Progression ja nicht. Das Problem entsteht durch das Zusammentreffen von Inflation und progressivem Steuertarif, dies gibt es seit mehr als 60 Jahren.

Vor der Wahl warb die SPD für einen höheren Spitzensteuersatz, nach der Wahl muss sie ihrem Parteichef hinterher eilen, der jetzt Steuerentlastung will. Wie zerrissen ist die SPD?

Überhaupt nicht. Es ist die größte Leistung von Parteichef Sigmar Gabriel, dass er Geschlossenheit der SPD erreicht hat. In der Steuerfrage plädiere ich dafür, auf der Basis des Koalitionsvertrages mit der Union vernünftige Entscheidungen zu treffen. Für die Bundestagswahl 2017 wird die SPD dann ein neues, intelligentes Steuerkonzept vorlegen, das die Menschen überzeugt.

Sie müssten ja auch potenzielle Koalitionspartner überzeugen, zum Beispiel die Linken. Können die überhaupt noch Ihr  Partner sein?

Die Linke im Bundestag hat sich außenpolitisch isoliert. Ob sie 2017 ein Partner sein kann, wird sich zeigen. Danach sieht es im Moment nicht aus. Klar ist: Die SPD will wieder den Kanzler stellen. Dazu muss sie aus eigener Kraft mindestens 30 Prozent schaffen.

Die FDP rappelt sich an diesem Wochenende auf einem Bundesparteitag mühevoll hoch. Halten Sie es für denkbar, mit runderneuerten Liberalen 2017 zu koalieren?

Wir stehen gerade am Beginn der Wahlperiode. 2017 ist noch weit weg. Und: Die FDP liegt bei drei Prozent! Lassen Sie uns lieber über die anstehende Europawahl in zwei Wochen reden. Da können die Menschen erstmals direkten Einfluss auf den Kommissionspräsidenten nehmen. Sie haben mit Martin Schulz von der SPD einen Kandidaten, der Europa erneuern und wieder vom Kopf auf die Füße stellen will.

Ein anderes Thema treibt die Menschen um: Die Energieabhängigkeit von Russland. Kanadisches Gas könnte zum Beispiel nicht helfen, es fehlt der Anlandehafen…

Ich bin überzeugt, dass wir eine sichere Energieversorgung haben. Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt durch hektischen Aktionismus Unsicherheit zu schüren. Mittel-und langfristig wird Deutschland seine Abhängigkeit von importierten Rohstoffen drastisch verringern. Deshalb muss es auch beim gezielten Ausbau Erneuerbarer Energie bleiben. Das wird allerdings noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Kommt es am Ende doch zu Fracking und längeren Atomlaufzeiten?

Wir wollen die Energiewende, da ist beides der genau falsche Weg.