Der Fall des Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß hat das Thema Steuerhinterziehung plötzlich ganz oben auf die politische Agenda gerückt. Fühlen sich die Sozialdemokraten in ihrem Kurs gegen das Schweizer Steuerabkommen bestätigt?
Steinmeier: Peer Steinbrücks knallharter Kurs gegen die Steueroasen ist zu Unrecht kritisiert worden. Erst recht von denen, die das Steuerabkommen mit der Schweiz nicht nur verhandelt, sondern unterzeichnet haben. Diese Bundesregierung wollte den Steuerhinterziehern weiterhin Anonymität garantieren. Das haben wir durchkreuzt. Und deshalb steigt das Entdeckungsrisiko für viele, die sich jetzt selbst anzeigen.
Wie gefährlich ist Steuerhinterziehung für die Gesellschaft?
Steuerhinterzieher verletzen die Solidarität in der Gesellschaft auf empörende Weise. Die ehrlichen Steuerzahler bezahlen die Schulen, Schwimmbäder, Straßen und Theater, die Steuerhinterzieher genauso nutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Steuererhöhungen wären nicht nötig, wenn alle ehrlich ihren Teil beitragen würden. Wenn ich dann höre, dass der bayerische Finanzminister Söder den Millionären vom Tegernsee wie Herrn Hoeneß noch einen Nachlass der bayerischen Landesregierung auf die Erbschafts- oder Einkommenssteuer verspricht, dann platzt mir wirklich der Kragen. Das ist nichts anderes als ein Amigo-Tarif für die reichen Freunde der CSU. Sicher ist da auch noch ein Sondertarif für die Familienmitglieder der Abgeordneten drin. Das kann doch alles nicht wahr sein! Damit muss jetzt Schluss sein.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will die Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung strenger fassen, auch die Kanzlerin vollführt eine Wende und lässt eine Verschärfung jetzt prüfen. Was schlägt die SPD in diesem Punkt vor?
Am Abend werden die Faulen fleißig. Erst tut die Bundesregierung vier Jahre lang alles, um Steuersündern Anonymität über das Schweizer Steuerabkommen zu garantieren, und jetzt lässt sie auf einmal Verschärfungen prüfen. Da kann ich doch nur lachen! Die strafbefreiende Selbstanzeige wird auf Dauer keinen Bestand haben. Wenn man sie verändert, muss man das klug tun. Sie sollte nur noch für Bagatellfälle Bestand haben.
Werden Regierung und Opposition noch vor der Bundestagswahl gemeinsam eine Verschärfung beschließen können?
Diese Regierung hat vier Jahre lang nichts auf die Reihe gekriegt, und sie wird bis zur Bundestagswahl nichts mehr hinbekommen. Ernsthaft wird erst eine Regierung Steinbrück gegen Steuerbetrug vorgehen.
Amigo-Vorwürfe an die CSU: Landtagsabgeordnete haben jahrelang ihre Ehefrauen oder Kinder als Mitarbeiter beschäftigt. Hat der Filz in Bayern System?
Die CSU regiert viel zu lange und zu selbstherrlich. Sie begreift Bayern immer noch als Beute und drückt bei ihren Spezis beide Augen zu. Ehefrauen werden als Arbeitskräfte beschäftigt und bessern so das Familienbudget auf und der Fall Hoeneß ist auch noch nicht geklärt. Das sind unglaubliche Zustände. Da wird systematisch Missbrauch betrieben.
Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär hat ihren jetzigen Ehemann bis kurz vor der Hochzeit in ihrem Bundestagsbüro beschäftigt. Hat das ein Geschmäckle?
Geschmäckle hat's. Aber da empört mich - ehrlich gesagt - wesentlich mehr Frau Bärs Einsatz für die bildungspolitisch katastrophal falsche Betreuungsprämie. Im Übrigen gibt's für den bayerischen Amigofilz sicher schlagkräftigere Beispiele.
Kann die SPD ausschließen, dass ihre Bundestagsabgeordneten Ehepartner oder Verwandte beschäftigen?
Es gibt eine klare Regelung des Bundestages. Ehepartner oder Verwandte dürfen nicht beschäftigt werden. Ich gehe davon aus, dass sich alle Abgeordneten in allen Fraktionen daran halten.
Die Sozialdemokraten liegen in den Umfragen weit hinter der Union. Für Ihre Wunschkoalition Rot-Grün gibt es keine Mehrheit. Wie wollen Sie das Blatt noch wenden?
Wahlkampf kommt von kämpfen. Genau das werden wir machen. Kämpfen, gegen Tatenlosigkeit, die Merkel und ihr Kabinett organisieren. Kämpfen, gegen Selbstbedienungsmentalität und bayerischen Filz, gegen neoliberales Schwadronieren à la Rösler. Die letzten Tage haben doch gezeigt, wie schnell die Themen wechseln. Der Wahlausgang ist absolut offen und mit allen Chancen für die SPD.
Im Wahlkampf spielt die Steuerpolitik eine herausgehobene Rolle. Die SPD will die Steuern erhöhen, die Grünen noch mehr. Befürchten Sie nicht, gemeinsam die Wähler der Mitte zu vergraulen?
Überhaupt nicht. Schwarz-Gelb hat doch jede Glaubwürdigkeit in Steuer- und Finanzfragen verspielt. Die 2009 versprochenen großen Steuersenkungen sind nie gekommen. Stattdessen wollte Schwarz-Gelb Steuersünder mit dem Schweizer Steuerabkommen decken. Und das alles auf Kosten der großen ehrlichen Mehrheit der Steuerzahler. Gegen diese leeren Versprechungen und die Klientelpolitik setzen wir ein durchgerechnetes und vor allem ehrliches Steuerkonzept, das nach der Wahl noch gilt. Damit werden wir wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit zusammenbringen. Das wird unser Markenzeichen sein.
Zum Schluss ein Blick nach Frankreich: Mit dem sozialistischen Präsidenten Francois Hollande schmückt die SPD sich zwar gerne, doch das Nachbarland steckt in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ist Hollande wirklich Vorbild?
Francois Hollande hat Pech gehabt. Sein Vorgänger Nicolas Sarkozy hat fünf Jahre nichts getan. Der Reformbedarf ist riesig. Hollande hat es schwerer als wir vor zehn Jahren mit der Agenda 2010. Wir konnten die Reformen noch vor der Staatsschuldenkrise machen. Das Gewerkschaftslager in Frankreich ist zersplitterter. Wir Deutschen müssen uns aus eigenem Interesse wünschen, dass Frankreich einen erfolgreichen Weg geht. Die deutsche Regierung hat keinerlei Grund, sich über die europäischen Nachbarn abfällig zu äußern. Merkel und ihre Minister haben selbst nie für Reformen einstehen müssen. Sie ernten nur die Felder ab, die Rot-Grün bestellt hat.
Die französischen Sozialisten haben die Europapolitik der „Sparkanzlerin“ heftig kritisiert. Haben sie Recht damit?
Francois Hollande hat die Kritik aus seinen Reihen gedämpft. Das ist gut so. Denn es ist sehr kurzsichtig, wie momentan auch von Seiten der Regierungsparteien in Deutschland mit dem deutsch-französischen Verhältnis umgegangen wird. Wahr ist aber: Frau Merkel steht wirtschaftpolitisch nur auf einem Bein. Sie hat bis heute den Unterschied zwischen Haushaltskonsolidierung und reiner Sparpolitik noch nicht verstanden. Wer nur spart und nicht auch in Arbeitsplätze und Wachstum investiert, der wird aus der Schuldenfalle nie herauskommen. Investieren, Arbeitsplätze schaffen und die Verschuldung senken – das wäre der sozialdemokratische Weg.