Was ging dir durch den Kopf als klar war, dass du in den Bundestag einziehen wirst?
So gespannt war ich selten im Leben; trotz des guten Gefühls und des positiven Zuspruchs von vielen Seiten war eine gewisse Skepsis da, ob es denn klappen würde mit dem direkten Einzug in den Bundestag.
Der Wahlabend meiner ersten Kandidatur war ein Wahlkrimi sondergleichen – am Ende lag ich mit 38,08 Prozent der Erststimmen vorne. Damit sind wir in Bielefeld und Werther der einzige Wahlkreis in NRW, der bei den Erststimmen zurückgeholt werden konnte. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als ich von dem Wahlergebnis für meinen Wahlkreis erfuhr. Es war die Belohnung für den engagierten Wahlkampf, den ich mit meinem großartigen Wahlkampfteam und den vielen Genossinnen und Genossen vor Ort geführt hatte.
Ich möchte meine ganze Kraft und Zeit in die politische Arbeit investieren, um mich für die Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis einzusetzen. Der Vertrauensvorschuss der Bielefelder Bürgerinnen und Bürger ist für mich Verpflichtung und Ansporn zugleich.
Wie war dein Eindruck nach den ersten Zusammentreffen mit den anderen SPD-Bundestagsabgeordneten? Was nimmst du von den ersten Fraktionssitzungen mit?
Mich hat es sehr gefreut, dass viele Frauen und junge Abgeordnete unter den neuen SPD-Bundestagsabgeordneten sind. Ich bin stolz darauf, als eine von 81 Frauen in der 193-köpfigen SPD-Bundestagsfraktion mit dazu beizutragen, den Frauenanteil auf 42 Prozent zu heben und dann noch zu einer kleinen ausbaufähigen Minderheit von 26 Prozent zu gehören, die jünger als 40 Jahre alt sind.
Besonders froh war ich zudem, viele bekannte Gesichter in den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion wieder zu sehen, mit denen ich während des Wahlkampfes und auch schon vorher in verschiedenen Kontexten Bekanntschaft gemacht hatte. Darunter waren unter anderem die alten und neuen SPD-Abgeordneten aus meiner Region Ostwestfalen. Gemeinsam mit Stefan Schwartze, Dirk Becker Burkhard Blienert und Achim Post bilde ich die „Teutonenriege“, in der wir uns gemeinsam für Ostwestfalen-Lippe stark machen wollen.
In den ersten Fraktionssitzungen galt es, das für die SPD schlechte Wahlergebnis aufzuarbeiten und sich mit den gegebenen Koalitionsoptionen zu beschäftigen. Man merkte den Abgeordneten die Enttäuschung über das Wahlergebnis an. Unser Wahlziel, die Ablösung der Bundeskanzlerin und ihrer schwarz-gelben Koalition, haben wir nicht erreicht. Der angestrebte rot-grüne Politikwechsel fand nicht die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler.
Dann gab und gibt es immer noch die schwierige Debatte um die Perspektiven für eine Regierungsbildung mit oder ohne unsere Beteiligung. Ich habe von Anfang an - wie auch schon im Wahlkampf - auf unsere Inhalte und unser Wahlprogramm gesetzt.
Auf jeden Fall hatte ich nach meinem ersten Tag im Bundestag viele neue Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten.
Was musstest du als neues Mitglied des Bundestages alles nach dem 22. September organisieren?
Die ersten Tage in Berlin waren gekennzeichnet von großen administrativen Herausforderungen. Zum einen musste ich mich um die Arbeitsverträge und Neueinstellungen von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für mein Wahlkreisbüro in Bielefeld und mein Abgeordnetenbüro in Berlin kümmern. Sehr viel zu tun hatten ich und meine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Aufbau des neuen Büros und der Raumvergabe. Weil wir einige Tage bis zur Zuteilung eines eigenen Büros warten mussten, gewährte uns freundlicherweise Klaus Brandner in seinem Büro vorübergehend Unterschlupf. Für seine inhaltliche und auch organisatorische Unterstützung bin ich ihm sehr dankbar. Bei dem Aufbau des neuen Büros waren viele organisatorische Angelegenheiten wie etwa die IT-Ausrüstung, die Möbelplanung, die Schlüsselvergabe usw. zu erledigen.
Außerdem war ich damit beschäftigt, zahlreiche Glückwunschschreiben von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten.
Glücklicherweise blieb mir allerdings die Wohnungssuche erspart, da ich in der WG eines Freundes aus Juso-Zeiten unterkommen konnte. Dort fühle ich mich sehr wohl und genieße es, abends die Eindrücke der ersten Tage mit meinen Mitbewohnern zu reflektieren.
Welcher Politikbereich interessiert dich? In welchem Bundestagsausschuss und in welcher Fraktionsarbeitsgruppe würdest du gern mitarbeiten?
Während meines Studiums habe ich viel zum Thema Bürgerechte gearbeitet und daraus ein großes Interesse an der Netzpolitik entwickelt.
In Bielefeld habe ich zudem den Arbeitskreis Europa geleitet. Mein Bestreben war es dabei, Europa auch vor Ort zum Thema zu machen und europäische Themen mit den Menschen in Bielefeld zu diskutieren.
Aufgrund meiner mehrjährigen Tätigkeit im Sozialamt und Jobcenter habe ich des Weiteren eine große Affinität zu arbeits- und sozialpolitischen Themen. Hier konkrete Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen ist mir ein großes Anliegen.
Was ist dein selbstgestecktes Ziel in deiner ersten Wahlperiode? Was willst du für deinen Wahlkreis/dein Bundesland bewegen, und was willst du inhaltlich für das gesamte Land erreichen?
Mein Ziel ist es, die Inhalte, für die ich im Wahlkampf auf Basis unseres Regierungsprogrammes gekämpft habe, umzusetzen und damit Verbesserungen für das Leben der Menschen zu erreichen.
Im Sozialamt hatte ich häufig mit Menschen zu tun, die den ganzen Tag gearbeitet haben, am Ende des Monats aber nicht genug zum Leben hatten, weil sie nur 3, 4 oder 5 Euro in der Stunde verdient haben. Deshalb gehört die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro für mich zu den wichtigsten Zielen.
Während der verschiedenen beruflichen Stationen in der Kommunalverwaltung hatte ich mit jungen Menschen mit ausländischen und vor allem türkischen Wurzeln Kontakt. Der Optionszwang zwingt diese jungen Menschen, sich spätestens mit der Vollendung des 23. Lebensjahres für die türkische oder die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Ich habe aus meinen Gesprächen mitgenommen, dass diese Entscheidung für viele sehr schwer war und vor eine innere Zerreißprobe stellte. Für viele ist Deutschland genauso eine Heimat wie die Türkei. Eine von beiden Staatsangehörigkeiten abzugeben, bedeutet für sie ein Stück ihrer Identität abzugeben. Diese Erfahrungen bestärken mich in dem Eindruck, dass der Optionszwang überholt ist und die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt werden muss.
Weiterhin möchte ich mich dafür einsetzen Europa sozialer und demokratischer zu gestalten. Die Nominierung von Martin Schulz zum ersten EU-Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten bei den Europawahlen 2014 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und sehr begrüßenswert. Damit hat die Partei der Europäischen Sozialdemokraten (PES) als erste politische Kraft einen Spitzenkandidaten präsentiert.
Ein weiteres Anliegen ist die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Die Gleichbehandlung aller Daten im Internet, unabhängig von kommerziellen Interessen, muss gesichert werden.
Sehr wichtig ist mir außerdem die Arbeit in meinem Wahlkreis Bielefeld/Werther und der damit verbundene Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Nur wenn man den direkten Kontakt mit den Menschen auf der Straße, bei Stadtfesten usw. sucht, bekommt man ihre alltäglichen Probleme und Wünsche an die Politik mit. Demokratie besteht nicht nur daraus alle vier Jahre ein Kreuz zu machen, sondern die Menschen mitzunehmen. Darum habe ich mich entschlossen auch während meiner Mandatszeit Hausbesuche in meinem Wahlkreis zu machen. Hausbesuche sind für mich die wesentliche Möglichkeit auch die Menschen zu erreichen, die sich von der Politik abgehängt fühlen und nicht den Kontakt zu Politikern suchen. Ich möchte präsent und immer ansprechbar für die Menschen sein.