Dies gilt es zu verhindern. Deshalb hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Drs. 18/6615) vorgelegt, den der Bundestag in 1. Lesung am 12. November 2015 debattiert hat.

Die Betreiber von Atomkraftwerken (AKW) sind derzeit laut Atomgesetz verpflichtet, die Kosten für Stilllegung, Rückbau der AKW und die Entsorgung des von ihnen erzeugten Atommülls inklusive der Endlagerung zu tragen. Diese AKW-Betreiber sind als Tochtergesellschaften in die Energiekonzerne eingegliedert. Sie sind innerhalb der Konzerne über so genannte Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge abgesichert. Wenn also eine AKW-Betreibergesellschaft nicht ausreichend Rückstellungen für Rückbau der Anlagen und Entsorgung der atomaren Abfälle gebildet hat, dann haftet das gesamte Konzernvermögen für die Kosten. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen, die sicherstellen, dass die Haftung uneingeschränkt fortbesteht. Denn grundsätzlich können Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge gekündigt, werden. Zudem können Konzernumstrukturierungen dazu führen, dass die Haftung nur noch für Teile des Konzernvermögens gilt.

Risiken für öffentliche Haushalte minimieren 

Wenn diese rechtlichen Möglichkeiten von Konzernen genutzt werden sollten und es als Folge zu einer Zahlungsunfähigkeit von Betreibergesellschaften kommt, dann sind damit erhebliche Risiken für die öffentlichen Haushalte verbunden. Denn bei einem Ausfall des AKW-Betreiberkonzerns ist der Staat zu einer so genannten Ersatzvornahme verpflichtet, die gegebenenfalls aus Steuermitteln finanziert werden müsste. Denn eine konzernrechtliche Nachhaftung der Konzerne (Muttergesellschaften) gegenüber den AKW-Betreibergesellschaften (Tochterunternehmen) ist laut Aktiengesetz bei Kündigung der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge für die Kosten von Rückbau und Entsorgung der atomaren Hinterlassenschaften nur sehr eingeschränkt gewährleistet.

Genau hier setzt der Gesetzentwurf an: Er führt eine eigenständige atomrechtliche Nachhaftung ein, die auch im Fall von Konzernumstrukturierungen wie Aufspaltung, Kündigung von Unternehmensverträgen sowie Insolvenzen von AKW-Betreibergesellschaften gilt. Damit wird das gesamte Konzernvermögen als Haftungsmasse gesichert. Damit sind die Interessen des Staates so lange gewahrt, wie der jeweilige Konzern nicht insgesamt insolvent wird.

Expertenkommision zur Sicherstellung der Finanzierung

Im Oktober hat die Bundesregierung außerdem eine Expertenkommission unter Vorsitz von Ole von Beust, Matthias Platzek und Jürgen Trittin eingesetzt, die Empfehlungen erarbeiten soll, wie die Finanzierung von Stilllegung, Rückbau und Entsorgung des Atommülls sichergestellt werden kann. Sie soll so ausgestaltet werden, dass die Unternehmen langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre atomrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Bis Ende Januar 2016 soll die Kommission Vorschläge unterbreiten.

Hintergrund:

Durch die Energiewende, die den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den Ausstieg aus der Atomenergie und fossiler Energieträger zur Stromerzeugung als Ziel hat, werden die deutschen Atomkraftwerke schrittweise bis 2022 stillgelegt.

Die Energiekonzerne hatten nach dem Beschluss des Atomausstiegs unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung 2001 darauf spekuliert, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung dies wieder rückgängig machen würde. Dies trat 2010 im Herbst durch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke auch ein. Nach der Reaktorkatastrophe im Frühjahr 2011 im japanischen Fukushima ist die schwarz-gelbe Bundesregierung auf Grund des öffentlichen Drucks wieder zum Ziel des Atomausstiegs bis 2022 zurückgekehrt.

Mittlerweile liegt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bei mehr als 25 Prozent und er wird weiter ausgebaut. Dieser Geschäftsbereich des E.ON-Konzerns ist hochprofitabel. Demgegenüber sind Atomenergie und fossile Energieträger wegen abnehmender Volllaststunden längst nicht mehr so einträglich. Deshalb gab es Pläne bei E.ON, das AKW-Geschäft und die fossilen Bereiche auszugliedern und in die neu gegründete Gesellschaft Uniper zu überführen. Durch den Ausstieg aus der Atomenergien und fossilen Energieträgern, würde hier mittel bis langfristig kein Geld mehr verdient werden.

Damit wäre quasi eine Bad-Bank entstanden. Ohne das Nachhaftungsgesetz wäre die gesamtschuldnerische Haftung von E.ON fünf Jahre nach der Abspaltung erloschen und der Konzern hätte sich somit der Kosten für Stilllegung der AKW, Rückbau der Anlagen und die Atommüllentsorgung entledigt. Mittlerweile hat E.On diese Pläne zwar begraben, hat aber angekündigt, gegen das Nachhaftungsgesetz klagen zu wollen.

Zur Erklärung:

Ein Beherrschungsvertrag ist ein zwischen einer inländischen Aktiengesellschaft oder Kom-manditgesellschaft auf Aktien mit einer in- oder ausländischen Gesellschaft mit beliebiger Rechtsform geschlossener Unternehmensvertrag, der die Leitung der inländischen Gesellschaft dem anderen Unternehmen unterstellt.

In einem Ergebnisabführungsvertrag verpflichtet sich eine deutsche Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien gegenüber einem in- oder ausländischen Unternehmen in beliebiger Rechtsform, den Gewinn an letzteres Unternehmen abzuführen. Der Ergebnisab-führungsvertrag ist ein Unternehmensvertrag, der die Abführung des Gewinns oder den Aus-gleich des Verlusts der einen Gesellschaft an oder durch die andere Gesellschaft zum Ge-genstand hat.

Anja Linnekugel