Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gute Bildungs- und Forschungspolitik lebt von Kontinuität und neuen Akzenten. Frau Ministerin Wanka, Sie werden akzeptieren – auch mit Hinblick darauf, dass die frühere Bildungs- und Forschungsministerin gerade die Plenarsitzung leitet –, dass wir darauf hinweisen: Ja, es hat seit 2005 kontinuierlich Verbesserungen gegeben. Aber es hat auch schon seit 1998 wesentliche Verbesserungen gegeben.

Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

So wurde das BAföG deutlich verbessert, indem das Kindergeld nicht mehr angerechnet wird. Es wurden Maßnahmen vorbereitet betreffend die Fachhochschulen bis hin zur stärkeren Forschungsorientierung an den Hochschulen und es ist auch die Gesamtarchitektur der Forschungsförderung neu aufgestellt worden.
Wir werben dafür, über diese Gesamtkontinuität so zugespitzt zu diskutieren, dass wir uns jetzt fragen: Was ist gegenwärtig strukturell besonders wichtig mit Blick auf den Haushalt 2015?

In Anbetracht der Großen Koalition möchte ich es so formulieren: Manches genießt man still. Es waren der Kollege Schulz und der Bürgermeister Scholz, die zusammen in langer Linie und am Ende erfolgreich durchgesetzt haben, dass das BAföG zu 100 Prozent vom Bund getragen wird.

Beifall bei der SPD

Ich wiederhole: Es waren Schulz und Scholz. Wir wollen das still genießen, wenn wir uns vor Augen führen, welche Bedenkzeit andere benötigt haben, bis sie dem gefolgt sind.

In Sachen Kontinuität können wir auch darüber diskutieren, dass die Hightech- und Innovations-Strategie weiterentwickelt worden ist. Auch hier gab es substanzielle Veränderungen. Es sind neue Kapitel hinzugekommen, zum Beispiel im Bereich Arbeit, was wir und auch Sie als sehr wichtig erachten. Außerdem wurden neue Konzeptionen entwickelt, und zwar in Bezug auf Innovationen für Produktion, Dienstleistung und Arbeit. Ein Hinweis von Ihnen war sehr wichtig: Ja, wir alle öffnen uns zivilgesellschaftlichem Sachverstand und zivilgesellschaftlicher Moral. Als stille Genießer nehmen wir zur Kenntnis, dass dieser Akzent jetzt von den Vertretern aller Koalitionsfraktionen in den entsprechenden Beiräten, vom Beirat des Hauses der Zukunft bis zum Beirat bei der Hightech-Innovations-Strategie, gesetzt wird. Frau Ministerin, Sie haben dabei unsere volle Unterstützung.

Beifall bei der SPD

Schließlich wurden weitere neue Akzente gesetzt, die sich im engeren Sinne auch im neuen Haushalt wiederfinden. Wir müssen in unseren Diskussionen immer im Auge behalten, dass alle Menschen schichten- und herkunftsunabhängig die Chance auf Aufstieg durch Bildung, Leistung und Solidarität bekommen müssen. Wir müssen die Bildungsgerechtigkeit aber auch unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe verstehen. Dazu gehört das Verständnis für moderne Entwicklungen in der Welt, für technologische Veränderungen sowie für globale ökonomische und ökologische und andere Zusammenhänge. Das bedeutet, dass wir im Schlüsselbereich, dem Bereich der schulischen Ausbildung und Hochschulausbildung, ansetzen müssen.
In diesem Haushalt ist erstmals die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ etatisiert. Diese wurde früher bereits von der CDU/CSU eingebracht. Jetzt stellen wir sie in den Haushalt ein. Mit Blick auf die Qualitätsoffensive freuen wir uns sehr, dass auch die berufsbildenden Schulen ganz stark in den Fokus gerückt werden; Herr Kollege Rainer Spiering hat darauf gedrungen.

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU

Wir denken beim Stichwort „Lehrerbildung“ immer viel zu schnell an nur einen Teil des Schulwesens. Bei den berufsbildenden Schulen handelt es sich im Übrigen um ein sehr schwieriges Bildungswesen, weil es nicht in allen Bereichen der berufsbildenden Schulen eine kontinuierliche Klassenbildung gibt und eine sehr vielfältige Jugend- und Junge-Erwachsene-Struktur zu erkennen ist. Wir erwarten und hoffen, dass aus den Ländern viel Engagement und viele innovative Projekte für eine gute Berufsschullehrerausbildung kommen. Das ist uns wichtig.

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU

Diese Priorität beruflicher Bildung haben Sie, Frau Ministerin, in der Tat dadurch belegt, dass auch mit der Innovations- und Strategieinitiative für berufliche Bildung neue Akzente gesetzt werden sollen. Trotzdem: Selbst wenn Sie ESF-Mittel und andere Ressourcen in den Grünen, sondern auch uns auf, dass der Titel „Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung“ wieder um 10 Millionen Euro gekürzt worden ist.

Beifall des Abg. Rainer Spiering [SPD]

Das fällt uns deshalb besonders auf, weil wir als Parlamentsfraktion in den Beratungen zum Haushalt 2014 diese 10 Millionen Euro hineinverhandelt und durchgesetzt haben. Ich glaube, wir dürfen sagen: Es leuchtet uns noch nicht ein, weshalb der Wille des Parlaments an dieser Stelle mit einem Regierungsentwurf konterkariert wird. Da sind wir sehr willensstark.

Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]

Das möchte ich gerne hier für die Parlamentsfraktion der Regierung mit ansprechen.
Wir sind auch in mancher Hinsicht innovativ. Das ist zwar nur ein kleiner Punkt, aber uns freut es – wir freuen uns da, glaube ich, auch für die CDU/CSU mit –, dass eine so wichtige Sache wie Alphabetisierung, wie Grundbildung jetzt mit einer eigenen Ziffer im Haushalt auftaucht. Wenn wir dort noch zusätzliche Mittel dazugewinnen können, wird es ein größerer Punkt werden, was dann auch anderen – Ländern, Kommunen, der Öffentlichkeit – Mut macht, sich für eine wirkliche Alphabetisierungsdekade mit einzusetzen.

Beifall bei der SPD

Weil wir uns ja nicht nur still, sondern auch demonstrativ freuen dürfen, möchte ich hier auch einen Dank an die Präsidentin aussprechen – geben Sie diesen bitte weiter an das Präsidium des Parlaments –: Ja, es ist sehr gut, dass jetzt auch in der Zeitung Das Parlament immer eine Beilage in Leichter Sprache enthalten ist.

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Nicht, dass nun mit einem Mal ganz viele Menschen, die sich auf diesem Sprachniveau bewegen, Das Parlament von A bis Z lesen würden, aber es ist ein Merker für all jene, die hochgebildet Das Parlament lesen, dass es auch anderes gibt und auch andere Zugänge zu den alle berührenden Fragen von politischer Gestaltung und anderem geben muss. Frau Präsidentin, Verneigung vor dem Präsidium!

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Das werde ich gerne weitergeben.

Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist auch für die Abgeordneten nicht schlecht!

Die Dimension von Teilhabe über Bildung, speziell auch über berufliche Bildung, will ich mit zwei Bemerkungen noch vertiefen.

Sollten wir wirklich jetzt den Streit um die Priorität akademischer oder dualer beruflicher Ausbildung an die erste Stelle stellen, oder sollten wir nicht vielmehr die Diskussion um die Frage: „Wie schaffen wir es, zu mehr erfolgreichen Abschlüssen zu kommen, sei es im akademischen oder im dualen Bereich?“ an die erste Stelle stellen?

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Das muss doch die Botschaft sein: Priorität hat nicht die Verteilung, sondern die Entwicklung zum Erfolg hin. An dieser Stelle sollten wir zusammenarbeiten, genauso wie an mehr Sensibilität in Bezug auf die Förderung beruflicher Aufstiegsfortbildung.
Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin Deligöz. Da wird nichts verschlechtert. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist ein Leistungsgesetz. Wenn jetzt 3 Millionen Euro weniger im Haushalt stehen, dann vielleicht, weil es weniger Menschen gibt, die diese Gelder abrufen. Das muss aber doch das Ziel sein. Beim BAföG haben wir die Antwort gegeben. Erstmals werden zusätzlich 100 000 junge Menschen aus der Mittelschicht Zugang zum BAföG haben. Das ist eine beträchtliche Zahl.

Beifall des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]

Das Meister-BAföG beziehen überhaupt nur 170 000 Techniker, Meister oder Fachwirte. Auch dort sollten wir Wege finden, diese Gruppe von Aufstiegsfortbildungswilligen zu erweitern. Das muss das Ziel für diese Legislaturperiode sein.

Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kriegen Sie aber nicht hin, wenn Sie erst einmal kürzen!

Dazu darf ich eine Beobachtung aus den vielen Wahlkreisgesprächen, die man als Abgeordneter führt, hinzufügen, die einen in Erstaunen versetzt. Wir haben eine Weiterbildungsprämie, die für Maßnahmen mit Kosten von bis zu 1 000 Euro gewährt wird – die Förderung beträgt bis zu 500 Euro –, und wir haben das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Ich war in einem Hospiz, um mich in anderen Zusammenhängen dort in der Diskussion sachkundig zu machen. Da wird einem gesagt: Ja, es gibt natürlich auch Fachausbildungen und -weiterbildungen für Hospizpflege. Diese kosten aber zum Beispiel 1 600 Euro und mehr. Die werden nicht gefördert, einerseits, weil sie über dem Satz von 1 000 Euro liegen und andererseits, weil sie keine Aufstiegsfortbildung sind. Sie werden dann alleine aus der Tasche von diesen fortbildungswilligen Pflegerinnen und Pflegern bezahlt. Haben wir das eigentlich im Kopf schon richtig sortiert? Oder müssten wir nicht eine andere Systematik der Weiterbildungsförderung entwickeln, sodass am Horizont tatsächlich ein Weiterbildungsförderungsgesetz entsteht, mit dem Maßnahmen auf allen Anforderungsniveaus gefördert werden?

Im Übrigen: Dieses wünschen wir uns als Teil der Bildungsforschung, deren Förderung wir insgesamt ja deutlich erweitern. Wir sind auf einem guten Wege, was den Etat für Bildung insgesamt angeht. Aber – da muss ich Herrn Claus noch einmal recht geben – wenn man das absolute Niveau gemessen am Bruttoinlandsprodukt nimmt, dann ist Deutschland in Europa nicht an der Spitze. Da gibt es, glaube ich, 15 Länder, die vor uns liegen. Bei den Zuwächsen sind wir an dritter Stelle. Das führt mich zu dem Resümee: Ja, wir dürfen zufrieden sein, aber selbstzufrieden dürfen wir noch nicht sein. So weit sind wir noch nicht.

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen müssen wir wirklich noch mehr tun. Selbst dann werden wir bei der Bildung allerdings nie selbstzufrieden sein.

Danke.