Sich auf sozial Schwache zu stürzen und diese als Sozialtransfer-Abzocker hinzustellen, ist für uns nicht hinnehmbar. Sarrazin muss sich fragen, ob seine Provokationsrhetorik mit der Wirklichkeit korrespondiert, erklärt Aydan Özoguz.
Es ist kaum erträglich, wie Sarrazin meint, er würde Wahrheiten aussprechen, und diese dann doch geflissentlich verschweigt oder verzerrt. Wie ist sonst zu erklären, dass er gar nicht erst erwähnt, dass erfolgreiche und gut ausgebildete Migranten inzwischen in hoher Zahl unser Land verlassen. Meint Sarrazin, dass er mit pauschalen, potenziell diskriminierenden Äußerungen die Attraktivität unseres Landes für seine Bürgerinnen und Bürger steigert? Mit schiefen Vergleichen, Unterstellungen und Milchmädchenrechnungen schafft Sarrazin vor allem eins: Er macht unser Land lächerlich. Das dürfen wir nicht zulassen.
Sich auf sozial Schwache zu stürzen und diese als Sozialtransfer-Abzocker hinzustellen, ist für uns nicht hinnehmbar. Sarrazin muss sich fragen, ob seine Provokationsrhetorik mit der Wirklichkeit korrespondiert. So sind in unserer Gesellschaft ein Großteil der Armen alleinerziehende Frauen, die sich ein bequemes Leben wie Thilo Sarrazin es führen darf, wohl nicht einmal vorstellen können.
Sarrazin schürt Ängste vor Überfremdung, Masseneinwanderung von Muslimen und dem Niedergang des deutschen Sozialstaates. Demographischer Wandel, muslimische Migranten, Zuwanderung, Sozialleistungen - alles wirft er pauschal in einen Topf um unter anderem zu der Erkenntnis zu gelangen, dass in 300 Jahren in Deutschland nur noch drei Millionen Einwohner leben würden. Und welche Rezepte stellt uns Sarrazin für eine bessere Entwicklung unserer Gesellschaft vor?
In diesen Zeiten von ungesteuerter Zuwanderung zu sprechen, ist alles andere als seriös. Die Realität sieht längst anders aus: Deutschland hat ein echtes Zuwanderungsproblem! Im Jahr 2009 wanderten 13.000 Menschen mehr aus, als zu uns kamen. Und: Aus der Türkei kamen 30.000 Personen, allerdings wanderten 40.000 aus Deutschland in die Türkei ab. Diese und andere seriöse Zahlen des Statistischen Bundesamts sind problemlos abrufbar. Sarrazin hingegen möchte sich wichtig tun und appeliert an die niedersten Instinkte.
Klar ist: Unsere Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund vernünftig zusammen leben. Sarrazins Äußerungen sind da wenig hilfreich und scheinen eher auf eine gute Verkaufsquote seines Buches zu zielen.