5G wird in allen Wirtschaftsbereichen die zentrale Infrastruktur stellen. Diese sicher zu gestalten, muss eine unserer höchsten Prioritäten sein. Gleichzeitig lässt sich die vollkommene Sicherheit technologischer Systeme niemals komplett gewährleisten. Zu schnell ist der technologische Fortschritt, zu verflochten Kern- und peripheres Netz. Selbst bei höchsten Sicherheitsvorgaben ließe sich kaum vermeiden, dass es Hintertüren für Spionage und Sabotage gäbe. Wenn Sicherheit nicht garantiert werden kann, wird die Frage des Vertrauens in die Integrität des Herstellers und in das Rechtssystem des Herstellerlandes umso zentraler.
Großbritannien hat sich beim 5G Ausbau für eine Kompromisslösung entschieden: Kernelemente des Netzes dürfen nicht mit chinesischer Technik ausgebaut werden, wohl aber Teile des peripheren Netzes. Insgesamt darf der verbaute Anteil nicht über 35 Prozent liegen. Groß-Britannien zeigt uns einen Weg, ein anderer wäre, auf europäische Anbieter zu setzen. Mit Nokia und Ericsson gibt es diese auch (noch). Es wäre wohl die europäischste Lösung.
Aus Kostengründen lobbyieren die ausbauenden Unternehmen selbst jedoch für chinesische Hersteller ein. Es bleibt außen vor, dass chinesische Hersteller diese günstigen Preise nur aufgrund staatlicher Subventionen anbieten können. Ein Ausbau der digitalen europäischen Infrastruktur mit chinesischer Technik liegt schlicht im Interesse Chinas.
Wenn wir jetzt nicht auf europäische Hersteller setzen, wird sich die Diskussion um amerikanische, europäische und chinesische Technologiehersteller in zehn Jahren erübrigt haben. Denn dann gibt es die europäischen Hersteller nicht mehr – und damit auch keinen europäischen Einfluss auf technologische Standards. Deswegen müssen wir jetzt mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes, dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 und einer zukunftsgerichteten Industriestrategie die Weichen zum Erhalt und in einigen Bereichen zur Rückgewinnung der digitalen Souveränität stellen. Zwischen dem lang geplanten EU-China Gipfel während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte, der Abhängigkeit unseres Export- und Importgeschäfts von der chinesischen Wirtschaft und der Positionierung zwischen wettstreitenden Global Playern dürfen unsere europäischen Interessen nicht auf der Strecke bleiben.
Dabei sollten wir nicht außer Acht lassen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa einnimmt. Der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesinnenminister sind aufgefordert, ein Konzept zum Erhalt und zur Rückgewinnung der digitalen Souveränität vorzulegen und den Streit um die Sicherheit der 5G-Netze nicht weiter auszusitzen. Die bislang bekannt gewordenen Entwürfe reichen aus unserer Sicht nicht aus. Es muss – nicht nur in Krisenzeiten - darum gehen, ungewollte Abhängigkeiten abzubauen. Europa ist aufgefordert, den Zusammenhalt nach innen durch mehr Resilienz nach außen zu stärken. Dazu muss auch über die Logik des Wettbewerbs auf dem europäischen Binnenmarkt diskutiert werden. Protektionismus wird Europa nicht weiterhelfen, allerdings gilt es, die alte neoliberale Marktgläubigkeit kritisch zu hinterfragen und klare europäische Interessen zu definieren, die über dem Markt stehen. Eine unabhängige 5G- Infrastruktur ist eines dieser Interessen.