Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erläuterte vor dem Parlament, dass die Bundesregierung das Referendum am Sonntag in Griechenland „in Ruhe abwarten“, werde – weil ohne die Zustimmung des Bundestages ohnehin nicht über weitere Hilfen für Griechenland verhandelt werden könne. Zum Hintergrund: Das liegt daran, dass es nun um Hilfen des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM geht, in dessen Rechtsraum man sich bewegen würde. Merkel sagte, dass Europa stark sei und keine ökonomische Katastrophe drohe, da es im Vergleich zur Finanzkrise vor 2010 nun nicht nur eine Bankenunion gebe, sondern auch Mechanismen für Bankenabwicklungen.

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mahnte zu Beginn seiner Rede, Europa dürfe nicht seine humane Orientierung verlieren. Er spielte damit auf die Flüchtlingsproblematik an, auf die Lage in Griechenland, aber auch auf die Tatsache, dass rechtsradikale Parteien an Zulauf gewinnen. „Wir müssen diese Entwicklung rückgängig machen“, forderte Gabriel im Plenum.

Die europäische Zusammenarbeit dürfe sich durch die Krise um Griechenland nicht aufhalten lassen. Er ist sicher: „Wir werden Lösungen finden“. Gabriel machte auch noch einmal deutlich, dass „weder der Euro noch Europa in Gefahr“ seien. Denn darauf hätten die 18 Staats- und Regierungschefs der Eurozone bei allen Verhandlungen geachtet.

Jeder muss sich anstrengen

Besonders wichtig war Gabriel, dass ganz Europa, Deutschland vorneweg, dem griechischen Volk helfen werde, wenn es hart auf hart komme. „Das werden wir unter Beweis stellen“, so Gabriel.

Er zeigte in seiner Rede auch auf, dass Europa sich in vielen Punkten sehr einig sei, etwa bei der Meinungsfreiheit und der Antidiskriminierung.

Nur gebe es in solch einer Union auch wirtschaftliche und finanzielle Spielregeln. Und wer gegen sie verstoße (wie es auch Deutschland schon getan hatte), der müsse Wege finden, sie wieder einzuhalten (wie es auch Deutschland schon getan hat). „Jeder muss sich anstrengen, Hilfe nicht dauerhaft zu benötigen“, sagte Gabriel.

In dem Zusammenhang erinnerte er an das alte sozialdemokratische Konzept der Solidarität. Damit sei nie „Kumpanei“ gemeint gewesen, sondern Verantwortung. Im Konflikt mit der griechischen Regierung gehe es um die Einhaltung dieser Form von Solidarität.

Denn wenn Griechenland mit der Haltung Recht bekomme, ohne Gegenleistung permanent Hilfen einzufordern – und zu bekommen –, dann seien wir in einer Transferunion, warnte Gabriel. Viele andere Staaten würden das dann ebenfalls einfordern. Deshalb müsse es Reformen in Griechenland geben.

Er fasste den Sachstand zusammen und stellte klar, dass mit der griechischen Regierung fünf Monate verhandelt worden sei. Und dabei habe es Angebote gegeben vonseiten der Institutionen (EU-Kommission, EZB und IWF), die in ihrer Großzügigkeit bisher noch keinem anderen Land offeriert worden seien.

Gabriel machte die politischen und wirtschaftlichen Eliten Griechenlands und ihre „jahrzehntelange Korruption und ihren Klientelismus“ für die Lage in dem Land verantwortlich. Auch Europa habe hier zu lange weggesehen.

In Griechenland bedürfe es Reformbereitschaft, und dann aber auch von den europäischen Partnern Wachstumsimpulse und technische Hilfe.

Zum Schluss mahnte der Vizekanzler mehr Verbindlichkeit in Europa an – „wenn das einzigartige Modell Europa“ erfolgreich bleiben will.

Auf die Fehler im System gucken

Der zweite Redner der SPD-Fraktion, der stellvertretende Vorsitzende Carsten Schneider, zählte auf, was die griechische Regierung unter Ministerpräsident Tsipras immer noch nicht angegangen ist, etwa die Besteuerung von Reichen oder die Bekämpfung von Korruption. „Die griechische Regierung muss auf die Fehler in ihrem System gucken“, sagte Schneider. Er machte klar: Wenn die Griechen im Euro bleiben wollen, dann müsse man mit der griechischen Regierung auch reden. Denn ein Euroaustritt hätte Folgen. „Dieses Experiment will ich nicht eingehen, wenn es sich verhindern lässt“, konstatierte Schneider.

Mit deutlichen Worten betonte auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Johannes Kahrs, dass die SPD-Fraktion immer gezeigt habe, dass sie den Grexit nicht will. Kahrs: „So haben wir hier im Bundestag auch gehandelt. Deshalb haben wir doch all die Programme verabschiedet und uns nur einmal enthalten.“ Die griechische Administration müsse aber bei weiteren Verhandlungen endlich Reformen angehen. Als Beispiel nannte Kahrs die Schaffung eines Grundbuchamtes und die Änderung des Steuersystems. Kahrs sagte: „Uns eint doch alle hier der Wille, dass Griechenland im Euro bleibt“.

In diese Richtung appellierte auch SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer, als er sagte, das Wichtigste sei, dass alle wollen, dass Griechenland Teil der Eurozone und der EU bleibe. "Keiner hier will die Menschen herausdrängen!“

Alexander Linden