Offenes Verwaltungshandeln erleichtert Planungsentscheidungen, wirkt Staatsverdrossenheit entgegen und erschwert Manipulationen und Korruption. Zusätzlich werden ökonomische Potentiale freigesetzt, die insbesondere kleineren Unternehmen und Startups Perspektiven bieten.

Die Bundesverwaltung, so ist es im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU festgelegt, soll mit all seinen Einrichtungen Vorreiter für Open Data in Deutschland sein. Zwar sind unter anderem mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wichtige Grundlagen geschaffen worden, die im Zuge einer Open Data Strategie jedoch weitergedacht werden müssen: So gibt es beispielsweise bislang keinen Rechtsanspruch auf Open Data oder die Verpflichtung der Behörden, entsprechende Daten bereitzustellen. Ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz oder ein Open-Data-Gesetz, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, wären wichtige Schritte in die richtige Richtung. Die Arbeitsgruppen Inneres und Digitale Agenda der SPD-Bundestagsfraktion haben daher in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit (dgif e.V.) am 19. Juni 2015 zu einem öffentlichen Fachgespräch zum Thema „Rechtsanspruch auf Open Data?“ geladen – und dort wurde munter diskutiert!

SPD-Abgeordneter Lars Klingbeil, Sprecher der AG Digitale Agenda, begrüßte die Podiumsgäste und das Publikum mit dem Hinweis, dass die SPD-Bundestagsfraktion bereits in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorgelegt habe. Aus seiner Sicht sollte die SPD verstärkt auf Modernisierungsthemen setzen und darauf drängen, den Koalitionsvertrag auch mit Blick auf Open Data ordentlich umzusetzen.

Mit Dr. Bertold Huber von der dgif e.V. konnte ein ehemaliger Vorsitzender Richter des Verwaltungsgerichts in Frankfurt für einen Impulsvortrag gewonnen werden, der in seiner aktiven Zeit zahlreiche IFG-Verfahren geleitet hat. Huber zeichnete in seinem Statement eine eher nüchterne Bilanz dessen, was an Informationsfreiheit in der Bundesrepublik derzeit gegeben ist. Zwar habe das rot-grüne IFG aus dem Jahr 2005 dazu geführt, dass Behörden grundsätzlich auskunftsfreudiger geworden seien, als noch vor Jahren. Doch hänge es noch stets von der Initiative des Einzelnen ab, sich Informationen aus dem öffentlichen Sektor zu beschaffen – und dies im Zweifel auch rechtlich durchzusetzen. Das IFG sei in der deutschen Rechtskultur angekommen, über weite Strecken jedoch ein stumpfes Schwert. Folgerichtig forderte Herr Dr. Huber ein Transparenzgesetz nach dem Vorbild Hamburgs. Auch in Rheinland-Pfalz sei ein solches Transparenzgesetz, welches sich an dem Hamburger Modell orientiert, nun im parlamentarischen Verfahren.

Diese Landesgesetzgebungen gehen weiter als das IFG und verpflichten die Behörden, die Bevölkerung  über die die Allgemeinheit betreffenden Sachverhalte umfassend zu informieren. Hinter verschlossenen Türen ausgekungelte Vergaben öffentlicher Aufträge gehören dort der Vergangenheit an. Herr Dr. Huber konstatierte etwa dem Hamburgischen Transparenzgesetz, dass es der „demokratischen Kontrolle den Weg bereiten“ würde.

Ernüchtert zeigte sich Dr. Bertold Huber indes von der Open-Data-Strategie der Bundesregierung: Zwar sei eine solche Initiative im Koalitionsvertrag angekündigt. Die Bundesrepublik rangiere jedoch in Sachen Open Data noch immer auf den hinteren Rängen; die 2013 von der 26. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten formulierten Forderungen zu Informationsfreiheit und Open Data seien von einer Umsetzung noch weit entfernt.

Für Herrn Dr. Huber ist klar, dass der Gesetzgeber dringend eine offensivere Open-Data-Politik angehen muss und – nach dem Vorbild einiger Bundesländer – ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz auf den Weg gebracht gehört. Auf dem Gesetzentwurf der SPD-Bundestagfraktion aus der vergangenen Wahlperiode lasse sich gut aufbauen. Es sei „eine Schande für die demokratische Verfassung der Bundesrepublik“, dass man der Regierung „die Würmer aus den Nasen ziehen“ müsse. Open Data jedenfalls sehe anders aus.

In der anschließenden, von der SPD-Abgeordneten Saskia Esken geleiteten Podiumsdiskussion kam zunächst Julia Kloiber von der Open Knowledge Foundation zu Wort. Frau Kloiber bezweifelte, dass Behörden grundsätzlich auskunftsfreudiger geworden seien. Ihre praktische Erfahrung zeige, dass Behörden oftmals den Zugang zu Daten verweigern, mindestens aber einzuhaltende Fristen überziehen würden. Von gestärkter Transparenz könne keine Rede sein, zumal die Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv Datensätze einfordern müssten.

Sollten doch Informationen freigegeben werden, seien diese oft nicht maschinenlesbar und damit gar nicht oder nur mittels eines hohen Kosten- und Zeitaufwands verwertbar. Eindringlich forderte auch Frau Kloiber ein Transparenzgesetz für den Bund und verwies dabei auch auf die Effizienzsteigerung innerhalb der Behörden. Julia Kloiber forderte vor allem den schnellen Beitritt der Bundesrepublik zur Open Government Partnership. Außerdem müssten den Kommunen und deren Verwaltungen mehr Hilfestellung seitens des Bundes gegeben werden.

Renate Mitterhuber, stellvertrende Leiterin e-Government und IT-Steuerung bei der Finanzbehörde Hamburg, beruhigte die knapp 50 anwesenden Gäste zunächst: „Hamburg gibt es noch!“ Trotz des Hamburgischen Transparenzgesetzes sei die Stadt nicht untergegangen – im Gegenteil. Man habe sehr gute Erfahrungen mit der Informationsfreiheit in Hamburg gemacht und sei von 70 Datensätzen im Jahr 2013 auf inzwischen knapp 3.100 gestiegen. Grundsätzlich rief Frau Mitterhuber dazu auf, das Bedenkenträgertum ruhen zu lassen und sich ohne Angst für mehr Open Data und Transparanz einzusetzen.

In Hamburg sind auch kommunale Unternehmen von dem Gesetz betroffen. Auch hier gelten hohe Transparenzstandards und auch hier gebe es – trotz anfänglicher Skepsis – positives Feedback. Bei der Abwägung von Transparenz auf der einen und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen auf der anderen Seite müsse man im Einzelfall entscheiden. Dass es sich bei dem Gesetz um einen nachhaltigen Erfolg handelt, bewiesen auch die Abrufzahlen, die relativ konstant zwischen 1,5 und 1,8 Millionen im Monat lägen. Am häufigsten sei nach den Schlagworten „Elbphilharmonie“, „Olympia“, „Geodaten“ und „Schuldnerberatung“ gesucht worden.

Auch die SPD-Abgeordnete Christina Kampmann, zuständige Berichterstatterin für Open Data im Innenausschuss und im Ausschuss Digitale Agenda, sieht Nachholbedarf bei der Umsetzung von Open Data Strukturen in Deutschland. Sie forderte einen Kulturwandel in den Verwaltungen, hin zu mehr Transparenz. Leider ginge es hier viel zu langsam voran.

Die Arbeitsgruppe Digitale Agenda und die Arbeitsgruppe Inneres haben deshalb vor wenigen Tagen ein Positionspapier „Informationsfreiheit und Open Data - Transparenz als Grundeinstellung“ verabschiedet. Mit diesem Positionspapier wird die Forderung nach einer Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz und der Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Open Data sowie der Verpflichtung der Bundesbehörden zur proaktiven Veröffentlichung von offenen Daten noch in dieser Legislaturperiode bekräftigt.

 

Ein Artikel der AG Digitale Agenda der SPD-Bundestagsfraktion