Fast 14 Jahre lang haben drei Rechtsextreme mit Hilfe eines Unterstützernetzwerks in Deutschland unerkannt gelebt, mutmaßlich zehn Menschen umgebracht, zwei Sprengstoffanschläge und viele Banküberfälle verübt. Sie nannten sich NSU – Nationalsozialistischer Untergrund. Und obwohl neun der Todesopfer einen Migrationshintergrund hatten, kamen weder Polizei noch Justiz, Verfassungsschutz oder Medien auf die Idee, eine Verbindung zwischen der Mordserie und den Sprengstoffanschlägen und den drei Rechtsextremen herzustellen. In Richtung eines rassistischen Mordmotivs wurde nicht ausreichend ermittelt.

Der Deutsche Bundestag setzte auf Antrag und mit den Stimmen aller Fraktionen im Januar 2012 einen Untersuchungsausschuss „Terrorgruppe NSU“ ein. Sein Ziel war es, die Hintergründe aufzudecken und Verbesserungen zu erarbeiten.

Die Arbeit des Ausschusses offenbarte institutionelles Versagen. Es gab etliche Fehler und Versäumnisse bei den Behörden, sei es auf Länder- oder Bundesebene, bei der Polizei oder der Justiz, Verfassungsschutz oder Politik.

Außerdem fehlte behördenweit Wissen über Rechtsextremismus und seine gewaltbereiten Erscheinungsformen.

Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Im November letzten Jahres hat die Koalition darum einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der die Beschlüsse des Ausschusses im Bereich Justiz auf Bundesebene umsetzten soll. An diesem Donnerstag wurde die Vorlage vom Bundestag in 2./3. Lesung beschlossen (Drs. 18/3007).

Durch eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes soll nun die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts (GBA) vereinfacht werden: Er soll künftig immer dann die Ermittlungen an sich ziehen können, wenn bereits objektiv ein staatsschutzfeindlicher Charakter der Tat vorliegt. Zudem wird klargestellt, dass gerade bei länderübergreifenden Fällen mit Staatschutzbezug eine Zuständigkeit des GBA gegeben sein kann.

Außerdem soll durch das Gesetz sichergestellt werden, dass der GBA frühzeitig in laufende Ermittlungen eingebunden wird, sobald sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seine Zuständigkeit in Betracht kommt. Gesetzlich geregelt wird nun auch die bisher nur in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegte Pflicht der Staatsanwaltschaften (StA) der Länder bei Anzeichen für die Zuständigkeit des GBA, diesem unverzüglich die Ermittlungsakten zu übersenden. Zudem wird der bisherige Lösungsmechanismus für Kompetenzkonflikte zwischen StAen verschiedener Länder in § 143 Absatz 3 GVG derart erweitert, dass er auf Antrag einer übernahme- oder abgabewilligen Staatsanwaltschaft auch zur Herstellung eines Sammelverfahrens genutzt werden kann.

Über die konkreten Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses hinaus sieht der Entwurf schließlich eine ausdrückliche Regelung im StGB vor, wonach rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dadurch soll die Bedeutung dieser Motive für die gerichtliche Strafzumessung verdeutlicht werden. Zudem soll unterstrichen werden, dass auch die StA ihre Ermittlungen auf solche für die Bestimmung der Rechtsfolgen bedeutsamen Motive zu erstrecken hat.

Zum Hintergrund
Die Mordserie des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds war am 4. November 2011 aufgedeckt worden. Den NSU-Mitgliedern wird die Ermordung von neun Migranten und einer deutschen Polizistin zur Last gelegt.
Vor dem Oberlandesgericht München wird seit dem vergangenen Jahr wegen der Morde gegen die mutmaßliche NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe sowie weitere mutmaßliche NSU-Helfer verhandelt. Ein Ende des Verfahrens ist noch nicht absehbar.