Nicht zuletzt die großen internationalen Krisen der Jahre 2008 und 2010 haben gezeigt: Um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern, führt an einer leistungsfähigen Industrie kein Weg vorbei. Gleichzeitig steht die deutsche Industrie vor grundlegenden Herausforderungen: Globalisierung, Umwelt- und Klimaschutz, Rohstoffverknappung und demografische Entwicklung sind Treiber eines Strukturwandels, der die Industrie verändern wird. Wirtschaft, Gesellschaft und Politik müssen darauf reagieren.

Integrierte Industriepolitik

Mit einem industriepolitischen Konzept will die SPD-Bundestagsfraktion den Diskurs über die notwendige Modernisierung voranbringen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Garrelt Duin, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil erläuterten bereits bei der Verabschiedung des Konzepts vor zwei Wochen, was die Sozialdemokraten unter einer integrierten Industriepolitik verstehen: Integriert heißt für sie, dass die klassische Industrie nicht gegen die neue ausgespielt wird, oder umgekehrt. „Integriert bedeutet auch, dass wir mit einer Stimme sprechen,“ betonte Garrelt Duin. „Wir sagen zur Wirtschaft dasselbe wie im Ortsverein oder zur Gewerkschaft.“

 

Es gehe um die Gestaltung der Arbeitswelt von morgen, dabei müssten die Beschäftigten im Mittelpunkt stehen. „Hinter dem jüngsten Erfolg der deutschen Industrie stehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne ihr Engagement in den Unternehmen und Betrieben wäre ein solcher Erfolg nicht möglich,“ heißt es in dem Industriekonzept. Industriepolitik müsse sich daher ebenso am Leitbild der ‚Guten Arbeit’ orientieren, wie gute Arbeitspolitik am Leitbild einer innovations- und qualifikationsorientierten Industrie.

Für die SPD-Fraktion ist klar: Die Stärke der deutschen Volkswirtschaft ist, dass sie als die vielleicht einzige in Europa noch das ganze Spektrum von den Grundstoffindustrien bis zur Hightech-Schmiede umfasst. Um die Zukunft des Industriestandortes Deutschland zu sichern, machen die Sozialdemokraten konkrete Vorschläge.

Herausforderung Energiewende

Ein Impulsprogramm für Investitionen soll die Standortbedingungen für die Industrie verbessern. Die Infrastruktur soll ausgebaut und ein „intelligentes Energienetz“ geschaffen werden, das auf den Ausbau erneuerbarer Energien hin angelegt ist. Dabei müssten alle Beteiligten – Politik, Netzbetreiber, Energieerzeuger – im ständigen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern um Akzeptanz für Investitionen in Energieinfrastrukturprojekte werben.

Eine saubere, versorgungssichere und bezahlbare Energieversorgung sei eine der größten Herausforderungen, machte Hubertus Heil im Bundestag deutlich. „Die Art und Weise, wie diese Bundesregierung die Energiewende in diesem Land vor die Wand fährt, ist das größte Standortrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland,“ so Heil.

Qualität erfordert Bildung und Forschung, nicht Niedriglöhne

Zudem fordern die Sozialdemokraten eine schnelle Breitband-Internetverbindung für alle und bessere Verkehrsverbindungen. Um den drohenden Fachkräftemangel abzuwenden, schlägt die SPD-Fraktion eine Allianz aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik vor. Gemeinsam sollen sie die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in jeder Lebensphase weiterbilden können.

Außerdem sollen mehr junge Menschen für ein Studium gewonnen und ausländische Fachkräfte stärker als bisher angeworben werden. Die SPD-Abgeordneten wollen den Missbrauch von Leiharbeit stoppen und den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchsetzen. Flächendeckend müsse ein Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden.

„Wir müssen in Deutschland auf die besten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen setzen,“ so Hubertus Heil. „Das erreichen wir nur mit einer anderen Forschungs- und Qualifizierungspolitik, aber nicht mit immer niedrigeren Löhnen.“

Darüber hinaus fordern sie, die Versorgung mit Rohstoffen zu sichern und diese effizienter einzusetzen. Innovationen müssten gefördert werden, um den technologischen Fortschritt voranzutreiben. Unternehmensgründungen sollen erleichtert werden.

Schwarz-Gelb schafft neuen Reformstau

Für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest: Deutschland muss durch eine zukunftsorientierte Industriepolitik wieder besser regiert werden: Ein industriepolitisches „Weiter so“, wie es die Bundesregierung in ihrem Ende 2010 vorgestellten Konzept zur Industriepolitik präsentiert hat, wird den Herausforderungen nicht gerecht. „Sie erschaffen in Deutschland gerade einen neuen Reformstau,“ warf Hubertus Heil der Bundesregierung vor.

Er stellte klar: „Wir brauchen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa eine Stärkung der industriellen Basis unseres Kontinents.“ Das koste Geld. Deshalb sei das Aufkommen aus einer Finanztransaktionsteuer nötig, um ein europäisches Aufbauprogramm in den nächsten Jahren schultern zu können.

Es sei die Realwirtschaft, also die reale Wertschöpfung, die ein Land erfolgreich mache, stellte Heil klar. In Abwandlung des berühmten Satzes von Bill Clinton („It’s the economy, stupid!“) müsse man im Zuge der Finanzkrise sagen:  „It’s the real economy, stupid!“