Der Beginn seiner Befragung war zugleich eine besondere Stunde: Genau 450 Stunden hatte zu dem Zeitpunkt der Untersuchungsausschuss NSA schon getagt, um aufzuklären, ob der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND für den amerikanischen Geheimdienst NSA massenhaft Daten ausgespäht hat.
Nun wurde der amtierende Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von dem Ausschuss als Zeuge vernommen. Steinmeier machte in seinem Eingangsstatement deutlich, dass er in seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramts (1999 bis 2005) bzw. Außenminister keine Hinweise auf unzulässige Spionage bekommen habe.
Zugleich schildete er, wie es im Jahre 2002 zu einem so genannten Memorandum of Agreement (MoA) zwischen dem BND und der NSA kam. Das MoA ist ein rechtlich bindender Vertrag zwischen den Nachrichtendiensten mit, so Steinmeier, „klaren Parametern, nämlich volle Kontrolle durch den BND, Transparenz bei der Einsicht in jeweils andere Erfassungen und völlige Beachtung des deutschen Rechts für beide Seiten“.
Seinerzeit stand die Welt unter dem Eindruck des islamistischen Terrors durch al Qaida. Die Angriffe auf die USA durch die Terrororganisation waren auch in Deutschland geplant worden. „Wir mussten handeln und den BND digital ertüchtigen“, beschrieb Steinmeier die damalige Situation. Es sei auch darum gegangen, die Bündnissolidarität zu verbessern. Für Steinmeier ist ein engerer Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden auch nicht ungewöhnlich – im Gegenteil: „Ohne Austausch geht vieles in der Außenpolitik gar nicht, zum Beispiel Friedensverhandlungen.“
Im Übrigen, betonte Steinmeier, seien 2001 alle Fraktionen im Bundestag für einen Schulterschluss mit den USA gewesen. Und dass die Kooperation besser werden musste, sei „fraktionsübergreifender Konsens gewesen“. Das bedeute aber nicht, erklärte Steinmeier, dass wahllos Informationen ausgetauscht würden, ohne Beachtung deutschen Rechts; so sei zum Beispiel ein Ringtausch verboten gewesen. Ringtausch bedeutet, ein Geheimdienst sammelt Daten über die Bürger eines anderen Landes, teilt sie mit dessen Geheimdienst und bekommt dafür im Gegenzug Daten, die er selbst nicht sammeln darf.
Verfassungsbruch abwegig
Steinmeier ging auf einzelne Untersuchungsaspekte des Ausschusses ein. So konstatierte er zu dem so genannten Projekt Eikonal (BND-Kabelzugriff an einem Datenknotenpunkt in Frankfurt): „Das Bild vom Abgriff auf Daten deutscher Bürger ist irrig.“ Das Ziel der Operation Eikonal sei die Erfassung von Kommunikationsströmen ausländischer Verbindungen gewesen, also Ausland-Ausland, die durch Deutschland liefen. 2003 hatte das Bundeskanzleramt als oberster Dienstherr des BND der Telekom, um deren Knotenpunkte es ging, versichert, deutsches Recht werde eingehalten. Steinmeier bekräftigte, dass er daran bis heute keinen Zweifel hege. Ein Verfassungsbruch sei abwegig. Das BND-Gesetz sei hier maßgeblich gewesen und beachtet worden.
Mit Blick auf die Kritik der G10-Kommission, die Abhörmaßmahmen bei Deutschen genehmigen muss, sagte Steinmeier, es habe hier kein Hintergehen gegeben. „Die G10-Kommission wurde befasst mit den für sie zuständigen Aufgaben.“
Auch zu den berühmten NSA-Selektoren nahm Steinmeier Stellung. Diese Selektoren sind Suchmerkmale wie Mailadressen, Gerätenummern, Telefonnummern usw. Die NSA hat sie im Rahmen der Kooperation in eine gemeinsame Datenbank eingespeist. Dabei soll es zu Eingaben gekommen sein, die nach dem MoA unzulässig wären. Doch hier, konzedierte Steineier, habe er keinerlei (Er-)Kenntnisse, weil er nie einen NSA-Selektor gesehen habe. In seiner Zeit als Kanzleramtsminister habe es keinen Hinweis auf Probleme mit den Selektoren gegeben.
Sollten unter den Merkmalen auch solche von europäischen Institutionen wie das Unternehmen EADS gewesen sein, sei das ein Verstoß gegen das MoA. Dazu habe es keine Erlaubnis gegeben.
Ebenso machte Steinmeier klar, dass es in seiner Zeit – weder als Chef BK noch als Außenminister – je einen Auftrag an den BND gegeben habe, europäische Regierungen auszuforschen. Und er habe auch nie solche Dossiers erhalten. Steinmeier: „Wichtiger ist für mich eine Kultur des Austausches mit den Regierungen“.
Ein No-Spy-Abkommen (Deutschland-USA) schließlich habe er jedoch immer skeptisch gesehen. Denn damit würden die USA einen Präzedenzfall schaffen, der sie gegenüber anderen Partnern unter Zugzwang setzen würde. Zu einem solchen Abkommen ist es bis heute nicht gekommen.
Alexander Linden