Auf mittlerweile 736 Abgeordnete ist der Deutsche Bundestag angewachsen. Das derzeitige Wahlrecht führt durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu einem unkontrollierbaren Anwachsen des Bundestages. Modellrechnungen kennen Szenarien mit über 900 Abgeordneten. Nun haben die Ampel-Fraktionen ein Gesetz beschlossen, das die Zahl der Abgeordneten dauerhaft begrenzt.
Die Reform wurde seit langem gefordert, scheiterte aber in vergangenen Legislaturperioden immer wieder an der CDU/CSU.
Regelgröße von 630 Sitzen
Künftig wird die Regelgröße des Bundestages 630 Sitze betragen. Es wird keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben. Damit ist sichergestellt, dass der Bundestag nicht wie in den vergangenen Legislaturperioden immer weiter anwächst.
Es bleibt bei 299 Wahlkreisen, dazu kommen 331 Listenplätze. Die Regelgröße wird also moderat um 32 Sitze erhöht von 598 auf 630 Sitze. Damit wird sichergestellt, dass mehr direkt gewählte Kandidierende ins Parlament einziehen können und weniger Wahlkreise unbesetzt bleiben – denn durch die dauerhafte Verkleinerung des Bundestags kann es nun passieren, dass manch ein Wahlkreissieger nicht in den Bundestag ziehen kann.
Keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr
Nach dem bisherigen Wahlrecht entstehen Überhangmandate, wenn eine Partei in einem Land mehr Wahlkreismandate gewinnt, als die Partei nach Zweitstimmen Sitze für dieses Land errungen hat. Diese Überhangmandate verzerren das Zweitstimmenverhältnis der Parteien zueinander.
Zur Wiederherstellung des Kräfteverhältnisses der Parteien müssen Überhangmandate durch Ausgleichsmandate bei anderen Parteien kompensiert werden. Diese Ausgleichsmandate haben die Gesamtsitzzahl des Bundestages erhöht – abhängig vom Zweitstimmenanteil der Partei, bei der sie entstehen – erheblich.
Dieses stetige Anwachsen des Bundestages schafft für die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zahlreiche Probleme. Zur Sicherstellung der verfassungsmäßigen Aufgabenerfüllung des Bundestages ist eine Wahlrechtsreform deshalb unumgänglich.
Das Entstehen von Überhang- und Ausgleichsmandanten wird zukünftig ausgeschlossen. Hierzu wird der vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl konsequent weitergeführt. Allein die mit der Zweitstimme gewählten Landeslisten der Parteien sind für das Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament ausschlaggebend.
Damit dieses Kräfteverhältnis nicht mehr durch Überhangmandate verfälscht und durch Ausgleichsmandate wiederhergestellt werden muss, werden zukünftig nur noch die Sitze vergeben, die durch die Parteien nach ihrem Zweitstimmenergebnis errungen wurden.
Grundmandatsklausel fällt weg
Die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass die Grundmandatsklausel heute schon ein Element ist, das weder verfassungs- noch wahlrechtlich begründbar ist. Sie stellt einen Systembruch dar, da sie den falschen Eindruck einer Personenwahl vermittelt, obwohl die Bundestagswahl eine Verhältniswahl ist. Bislang hat diese dazu geführt, dass Parteien bei drei gewonnenen Direktmandaten bei der Sitzverteilung entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses berücksichtigt wurden, auch wenn dieses unter fünf Prozent lag.
Im neuen Wahlsystem fällt dies noch schwerer ins Gewicht und kann als Einfallstor für eine erfolgreiche Klage gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht dienen.
Die Sachverständigen haben übereinstimmend deutliche Zweifel geäußert, ob die Grundmandatsklausel den wahlrechtssystematischen Anforderungen der Bundestagswahl entspricht.
Die Lösung der Ampel ist daher eine klare und einfache Fünf-Prozent-Hürde für alle
Listen und Parteien mit Ausnahme von Einzelbewerbern, die im Wahlkreis ohne Parteibindung erfolgreich sind, um das Gesetz „verfassungsfest“ zu machen.
Das neue Wahlrecht ist einfacher und gerechter
Die Ampel schafft mit dieser mutigen Reform endlich den großen Wurf, der dauerhaft die Probleme des alten Wahlrechts löst. Das neue Wahlrecht ist einfacher und gerechter: Es betrifft im Ergebnis alle Fraktionen gleichermaßen. Das war nur möglich, weil die Koalitionsfraktionen nicht auf den eigenen Vorteil geschaut haben – sondern darauf, was für die Bürger:innen und Bürger nachvollziehbar und für die Parteien gerecht ist.
Die Bereitschaft der Ampel-Fraktionen, mit ihrer Mehrheit so eine wirksame Verkleinerung des Bundestags vorzunehmen, ist eine historische Chance. 16 Jahre lang ist es mit CDU/CSU an der Regierung nicht gelungen, die Zahl der Bundestagsabgeordneten zu reduzieren – auch weil sich die CDU immer in der Geiselhaft der CSU befand. Jetzt sind wir der Motor der Veränderung.
Das Gesetz soll am Freitag beschlossen werden.