Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem einige Kolleginnen und Kollegen sich gewundert haben, dass die AfD hier eine Aktuelle Stunde zum Thema Parallelgesellschaften beantragt hat, will ich sagen, dass ich das eigentlich ganz schlüssig fand; denn man beantragt immer gern Aktuelle Stunden zu Themen, bei denen man sich besonders gut auskennt. Ich glaube, es ist schon der Fall, dass Sie von der AfD sich bei diesem Thema gut auskennen; denn Sie sind ja selber eine Parallelgesellschaft.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Vielleicht ist es insgesamt eine Gefährdung in unserer Zeit, dass wir alle ein bisschen aneinander vorbeilaufen; das will ich jetzt nicht weiter ausführen. Aber ich will Ihnen noch eins sagen: Ich glaube, so wie Sie hier auftreten, bekämpfen Sie gar keine Parallelgesellschaften, sondern Sie schafen erst Parallelgesellschaften.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir sind das also!)
Ich habe es einfach einmal anhand meiner eigenen Biografe nachvollzogen. Als ich in der Schule war, hatte ich Mitschülerinnen oder Mitschüler, die vielleicht einen komischen Namen hatten, den keiner aussprechen konnte; das kannte ich ja. Aber vielleicht sahen sie noch ein bisschen fremdländischer aus; vielleicht hatten sie auch ein bisschen Temperament, was ein solcher Name versprechen könnte. Diese Mitschülerinnen und Mitschüler waren immer die Ausländer. Sie wurden ihr Leben lang danach gefragt, woher sie eigentlich kommen, obwohl sie genau daher kamen, woher auch alle anderen gekommen sind. Später haben sie vielleicht eine Wohnung gesucht und haben festgestellt, dass es mit einem komischen Namen und vielleicht einer anderen Hautfarbe viel schwieriger ist, in diesem Land eine Wohnung zu finden; vielleicht ist es auch schwieriger, einen Arbeitsplatz zu fnden. Wir haben dafür ja Belege. Wenn wir so mit den Menschen umgehen, dann schafen wir Parallelgesellschaften, statt sie zu bekämpfen. Wenn Sie, so wie Sie es hier einer nach dem anderen in Ihren unsäglichen Reden gemacht haben, Menschen und Gruppen pauschal verurteilen und für Dinge, die in diesem Land passieren, verantwortlich machen, dann stärken Sie die Parallelgesellschaften, die Sie mit diesem Titel vorgeben bekämpfen zu wollen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen das Gegenteil von Parallelgesellschaften. Was ist das denn? Zusammenhalt ist das Gegenteil einer Parallelgesellschaft.
(Tino Chrupalla [AfD]: Nein! Nicht so viele Leute reinlassen!)
An dieser Stelle wende ich mich an die Kolleginnen und Kollegen von der Union, da wir ja vielleicht in Koalitionsverhandlungen eintreten.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das würde uns freuen! – Marian Wendt [CDU/CSU]: Das liegt an Ihnen!)
– Schauen wir mal. – Ich möchte Ihnen einen Wunsch mitgeben.
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Wir verhandeln nicht nach!)
Wenn dieser Koalitionsvertrag kommen sollte, dann wäre es gut, wenn wir die nächsten vier Jahre ein Programm hätten, nämlich den Zusammenhalt in unserem Land zu stärken
(Beifall bei der SPD – Marian Wendt [CDU/ CSU]: Wir heißen Union!)
und mehr Gerechtigkeit in unserem Land durchzusetzen. Ich nenne noch eine schönere Idee: dass wir versuchen, dieses Land, Deutschland, das bunter und vielfältiger wird – ja, Probleme sind damit auch verbunden, und es ist auch manchmal anstrengend –, zu einem Modell für ein gutes Zusammenleben zu machen, und dass wir miteinander klären, was eigentlich die Probleme sind.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist Ihnen bis jetzt nicht gelungen! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Jetzt geht das wieder los: Vorbild für die anderen!)
Ich kann mir vorstellen, dass jemand, der in einem Wohngebiet lebt, in dem sich alles um ihn oder sie herum verändert, problematische Erfahrungen machen kann.
(Tino Chrupalla [AfD]: Dann ziehen Sie doch dorthin, wenn Ihnen das gefällt!)
Aber wo beginnt es zu einem Problem zu werden? Wenn wir nach New York oder San Francisco gehen, dann bestaunen wir Chinatown; das ist ein Tourismusmagnet.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Gehen Sie mal in die Slums dort, in die Ghettos!)
Vielleicht könnte man es auch als eine Parallelgesellschaft bezeichnen. Wo beginnen die Probleme? Als Deutsche ausgewandert sind – vielleicht waren sogar ein paar Vorfahren von Ihnen dabei –, sind sie selbstverständlich in Gegenden gezogen, wo auch andere Deutsche gelebt haben. Wenn Sie in Amerika unterwegs sind, dann kommen Sie manchmal an Schildern mit der Aufschrift „Grüß Gott“ vorbei. Das erinnert daran. Sie sind dort solidarisch miteinander gewesen. Sie haben sich in der Fremde gestützt. Solange das nicht gegen andere gerichtet ist und solange man sich an die Spielregeln in dem Land, in dem man ist, hält, sind solche Gesellschaften eine gute Sache und nichts, das wir als Problem darstellen müssten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber selbstverständlich gibt es auch Probleme, und es gibt Leute, die drohen abzudriften.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ganze Stadtteile driften ab!)
Deswegen ist für uns, auch wenn wir in diese Verhandlungen gehen, klar: Wir brauchen einen starken Staat, der sicherstellt, dass die Spielregeln, die wir uns in diesem Land gegeben haben, für alle Menschen gelten, und der deren Einhaltung auch durchsetzt. Dort, wo wir sehen, dass Menschen abdriften könnten, brauchen wir starke Präventionsprogramme. Damit haben wir in der letzten Legislaturperiode nicht erst begonnen, sondern wir haben die entsprechenden Programme weiter verstetigt. Wir brauchen in diesem Land – dafür werbe ich – ein neues Aufeinanderzugehen und eine gewisse Neugier, wenn wir Parallelgesellschaften verhindern und den Zusammenhalt untereinander hinkriegen wollen. Wir dürfen die Menschen nicht stigmatisieren. Ich würde Ihre Wählerinnen und Wähler zum Beispiel nie als Rechte bezeichnen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das wäre mir höchst schnuppe, was Sie machen! Das sind früher Ihre Wähler gewesen!)
Sie sind mit uns unzufrieden; aber Ihnen glauben sie ja auch nicht, dass Sie irgendetwas besser machen können. Deswegen sage ich nicht, diese Gruppe sei rechts. Letzte Bemerkung: In einer Aktuellen Stunde sind keine Zwischenfragen erlaubt. Vielleicht hat das irgendwann auch der Letzte bei Ihnen begrifen. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)