Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Die Situation ist dramatisch; das ist wahr. Wir reden hier in diesem Plenum leidenschaftlich über Millionen von Toten, über Kinder, über Menschen, die erkrankt sind an Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Krankheiten.

Wir wissen auch, dass die im Rahmen der Staatengemeinschaft gemeinsam verabredeten Millenniumsziele verbindlich sein sollen für die Industrienationen, vor allen Dingen deshalb, weil damals klar erkannt worden ist: Ohne Hilfe der Industrienationen ist eine Entwicklung nicht möglich. Dazu gehört aber nicht nur die Entwicklungshilfe, sondern dazu gehören zum Beispiel auch Entschuldung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit; das ist gar keine Frage. Die Frage ist nur: Sind wir angesichts der Zahlen und Fakten, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier unterschiedlich prononciert dargelegt haben, glaubwürdig? Ist das ein Erfolg? Wir müssen hier doch sagen: Es ist kein Erfolg, wir haben es noch nicht geschafft.

Jetzt haben wir fünf Jahre Zeit, Herr Minister Niebel, in denen man natürlich darüber hinausgehende Maßnahmen fördern, vor allen Dingen aber die Erreichung der Millenniumsziele organisieren kann. Die SPD-Fraktion hat dazu einen Antrag vorgelegt. Wenn man genau hinschaut – Herr Selle, ich nehme Ihren Vorschlag auf –, dann sieht man, dass natürlich auch die Koalition vieles von dem, was wir beschrieben haben, unterschreiben kann.

An dieser Stelle sei einmal ganz kurz gesagt: Ich bin froh darüber, dass es im Bundestag auch eine gemeinsame Erklärung von Kollegen gibt, die im Rahmen der Arbeit des Unterausschusses „Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung“ zu dem Thema Millenniumsziele Stellung genommen haben, um deutlich zu machen, dass wir auch gemeinsame Positionen dazu haben. Ich finde, das ist ein gutes Vorgehen – Frau Ministerin a. D. Wieczorek-Zeul, ich denke, Sie haben das auch mit organisiert –, weil es natürlich richtig ist, dass wir auf der Ebene der UN eine gemeinsame Sprache sprechen sollen und müssen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich jetzt einige Worte an den Minister richten. Vor drei Tagen gab es in Brüssel eine Konferenz, bei der Sie hoffentlich anwesend waren. Es wurde dort verabredet – ich habe das Protokoll und auch das entsprechende Dokument –, besonders die Finanzierung der entwicklungsförderlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten und einen entsprechenden Stufenplan vorzulegen. Das heißt für dieses Parlament und für diese Regierung konkret, dass die Koalition jetzt natürlich auch einen entsprechenden Quotenvorschlag machen muss, um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Ich wäre sehr froh, wenn wir das im September, wenn die Bundeskanzlerin nach New York reist, mit einer entsprechenden Autorität vorlegen könnten; denn einmal Kopenhagen reicht. Wir brauchen kein zweites Kopenhagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn die Bundeskanzlerin nach New York reist, sollten wir eine wirkliche Verbindlichkeit der Zusagen der Deutschen erreicht haben. Apropos: Auch andere europäische Staaten leiden unter der Finanz- und Wirtschaftskrise – das gilt auch für Großbritannien – und haben ihr Ziel erreicht und sogar übererfüllt. Wenn ich es richtig gehört habe, dann wird auch die neue britische Regierung an diesem Ziel festhalten. Kurzum: Wir brauchen einen Aktionsplan, wie ihn Ban Ki-moon vorgeschlagen hat, für die ganze Welt und insbesondere für die UNO. Dazu brauchen wir flankierend die europäische und natürlich auch die nationale Komponente.

Ich gehe davon aus, dass gerade wir, die Deutschen, die Glaubwürdigkeit nicht nur von anderen einfordern, zum Beispiel hinsichtlich der Effizienz der Verteilung der Mittel und der Übernahme der Mittel, sondern dass wir sie auch selber gewährleisten, indem wir das, was wir versprochen haben, auch halten. Daran misst man uns in der Welt genauso wie in Deutschland. Es wäre schade – hier stimme ich Ihnen zu, Herr Selle –, wenn es nicht gelingen würde, dieses Ziel zu erreichen.

Deshalb brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung. Auch Herr Koppelin, der ja bekannt für besondere Vorschläge im Haushaltsausschuss ist, sollte von der FDP überzeugt werden, dass auch und gerade unserem Ansehen in der Welt durch Ihr Vorgehen in diesem Zusammenhang sonst geschadet wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwarte also, dass die Bundesregierung insbesondere auch beim jetzigen G-8-Gipfel das Thema Müttersterblichkeit anspricht und Maßnahmen zu deren Beseitigung unterstützt sowie die Initiative voranbringt. Das ist die erste Nagelprobe für Sie, Herr Niebel, und die zweite folgt sogleich, nämlich im September gemeinsam mit der Kanzlerin. Dann können Sie zeigen, was Sie können. Vor allen Dingen können Sie zeigen, was Sie zahlen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE)